Lörrach Zwei Tiere als heimliche Stars

Die Oberbadische
Das Theater Tempus fugit ist derzeit mit „Don Quijote“ im Burghof zu sehen Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Premiere der Tempus-fugit-Großproduktion „Don Quijote“ im Lörracher Burghof

Von Beatrice Ehrlich

Lörrach. Eine riesige Windmühle, deren weiße Flügel weit in den Raum hineinreichen, zieht schon vor Beginn des Stücks alle Blicke auf sich. „Ob die sich dreht?“ fragt gespannt ein kleiner Junge im Publikum. Da ist schon klar, um was es am heutigen Abend gehen wird: um den spanischen Romanhelden Don Quijote.

Als dann das Licht im Zuschauerraum des Burghofs ausgeht, zieht eine nicht enden wollende Schar laut gackernder Hühner auf die Theaterbühne: die jüngsten Akteure – Lörracher Erstklässler – laufen in ihren braunen Hennenkostümen wild durcheinander und finden kurz darauf auf Kommando eines bunt beschwänzten Hahns in einer dynamischen Formation zusammen. Schon ist man mitten drin in dem kleinen Dorf in der Mancha, in dem ein verarmter Landadliger über der Lektüre von Ritterromanen so langsam beginnt, den Verstand zu verlieren.

Das Theater Tempus fugit ist schon ein Garant für einen gelungenen Theaterabend: Durch die Regieeinfälle, die toll durchchoreografierten Massenszenen, slapstickhaften Begegnungen der Hauptdarsteller und die sorgfältigst gestalteten Kostüme gewinnt die Geschichte um den Ritter Episode um Episode Farbe und Kontur. Beispielsweise in der Begegnung zweier Ritterheere auf dem Schlachtfeld, in Wirklichkeit zwei Schafherden im Staub der trockenen Felder, die Befreiung einer vermeintlichen Prinzessin, die dem heldenhaften Don jede Menge Spott einträgt, oder das vergnügte Stelldichein in einer „Burg“, im wahren Leben ein Wirtshaus, in dem sich am Ende alle im schönsten Streit in den Haaren liegen.

Die versierten Theaterpädagogen haben wieder einmal Dutzende Schüler aller Altersklassen zu fabelhaften darstellerischen Leistungen motiviert. Sie fügen sich nahtlos ein in das Spiel der langjährigen oder sogar professionellen Schauspieler, unter denen Sophia Rodríguez als Dulcinea, närrisch derb und bezaubernd kokett zugleich, einen besonderen (echt spanischen) Akzent setzt.

Doch allen noch so sorgfältig eingefädelten Ränkespielen und eitlen Spiegelgefechten ihrer menschlichen Gegenspieler zum Trotz: die heimlichen Stars des ganzen Theaterabends sind die beiden Tiere, von welchen die beiden gleichermaßen solide und souverän agierenden Protagonisten Don Quijote (Stephan Stock) und Sancho Panza (Micha Goldberg) begleitet werden: der stolze Klepper Rosinante, aufs Wesentliche reduziert mit Hüfte, Rippen und Kopf und zugleich faszinierend authentisch mit Leben erfüllt von Melissa Barth und Samira Ernst, und – mit störrischer Attitüde, herrlich temperamentvoll – Alexander Stutz’ Esel.

Mit Miguel de Cervantes’ im Original über tausend Seiten starkem Roman hat sich Tempus fugit für seine Großproduktion in diesem Jahr ein in viele Richtungen deutbares Werk ausgewählt. Ihn in eine griffige Bühnenfassung zu bringen ist allein schon ein Kunstwerk, darin auch noch rund 200 Mitwirkende unterzubringen, die meisten davon Laien, ein weiteres. Das gelingt der Truppe um Karin Maßen spielend.

Für ihre Inszenierung haben sie eine besondere Perspektive gewählt: es geht nicht nur um die verschiedenen Abenteuer, denen sich der Ritter von der traurigen Gestalt im Laufe der Geschichte zu stellen hat, sondern auch um den Prozess des Schreibens selbst. Cervantes hat zu diesem Zweck in seinem Buch einen Erzähler geschaffen. Bei Tempus fugit ist es Cervantes selbst, immer erregt, mit Hang zur Exzentrik gespielt von Felix Banholzer, der – mit einer Feder „bewaffnet“ – immer wieder ins Geschehen eingreift.

Er unterhält sich mit seinen Figuren, zagt und zaudert, und gibt hin und wieder dem Fortgang der Geschichte eine neue Wendung. Der dramaturgische Kreis schließt sich, als Cervantes und sein Protagonist Don Quijote am Ende einen nach allen Regeln der Fechtkunst ausgetragenen Kampf miteinander ausführen, dem der falsche Ritter schlussendlich erliegt.

Doch allzu dominant erscheint dieser Cervantes manches Mal: Besonders für die vielen Kinder im Publikum sind die vielen Volten, die wirren Gedankengänge dieser dauerpräsenten Meta-Figur nicht immer nachzuvollziehen. Weniger wortreich wäre die Figur womöglich griffiger gewesen. Denn auf der Bühne, so viel ist klar, steht Cervantes’ Geschichte für sich. Sein Don Quijote von 1605 ist zeitlos, universell, nicht umsonst ist er bis heute einer der berühmtesten Romanhelden überhaupt.

Hervorzuheben ist auch die großartige, jederzeit perfekt abgestimmte, musikalische Gestaltung des Stücks durch Sebastian Scheipers (E-Gitarre), Lukas Oberascher (Klavier), Yannick Tinguely (Bass) und Lou Lecaudey (Posaune), ergänzt mit Einlagen des Kinder- und Jugenchors Lörrach unter Leitung von Abélia Nordmann. u  Aufführungen noch bis Mittwoch, mehr Infos und Vor verkauf unter www.burghof.com

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading