Von Veronika Zettler Lörrach. Sie ist Musicalstar, Schauspielerin, Sängerin, Songwriterin, Malerin und Autorin. Was sie alles kann und vor allem: wie gut sie es kann, das macht Ute Lemper mehr denn je zu einem sehens- und hörenswerten Phänomen. Mit dem Auftritt der Wahl-New-Yorkerin startete der Burghof in die neue Saison. Die 53-Jährige spielte vor ausverkauftem Haus. Nicht ihr neues Projekt mit vertonten Texten von Paulo Coelho hat sie nach Lörrach mitgebracht, sondern ihre Musikshow „Paris Days, Berlin Nights“, bei der sie Stefan Malzew und das Vogler Quartett begleiten. Das Programm wurde vielfach aufgeführt, die Musik ist auf der gleichnamigen CD aus dem Jahr 2012 nachzuhören. Alles nicht neu, dafür ein Lemper-Abend, wie die Fans ihn klassischer sich nicht wünschen könnten: Eine Hommage an die Kultur der Zwischenkriegsjahre, vor allem an die Cabaret-Musik der Weimarer Republik und ihren noch romantischeren Verwandten aus Frankreich in Gestalt des Chansons. Weltstar Lemper unternimmt eine ihrer berühmt gewordenen Zeitreisen in die Goldenen 20er, als die Avantgarde-Künstler Europas über Proletariat und Marxismus diskutierten und tragische Liebesgeschichten zwischen Gaunern und gefallenen Mädchen ansiedelten. „Elle fréquentait la Rue Pigalle“ ist so eine Milieu-Story, berühmt geworden in der Version von Edith Piaf. Mit ihrer eigenwillig akzentuierten Betonung besingt Ute Lemper das blasse Mädchen aus der Rue Pigalle, das von ihrem Verehrer nach kurzem Abenteuer den Laufpass bekommt: „Je te croyais plus jolie“ (Ich dachte, du bist hübscher). Im selben Fahrwasser geht es von der Seine an die Spree, wo die spätere Piaf-Freundin Marlene Dietrich von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt ist und das Duo Weill/ Brecht Schufte wie Surabaya Johnny und Mackie Messer aus der Taufe hebt. Musikalisch hochkarätige Begleitung In ihrer modernen Rückschau macht Ute Lemper allerdings immer wieder deutlich, dass nicht nur das vorausgegangene Unheil des Ersten Weltkriegs in die Epoche einblutet, sondern bereits eine ganz andere Katastrophe heraufzieht. Das geschieht mitunter explizit, etwa in Kurt Tucholskys vertontem Kriegsgedicht „Der Graben“ oder in der jiddischen Ballade „Stiller Abend“ von Chava Alber–stein. Noch konsequenter erzählen davon die Brechungen in den musikalischen Neuarrangements, die alle vom großartigen Stefan Malzew stammen. Wie in den vielschichtigen Harmonien der Streicher unheildräuende Dissonanzen eingewoben sind, das ist großes Kino. Apropos Kino: Der „Blaue Engel“ Marlene Dietrich scheint mal wieder zu reinkarnieren, wenn „La Lemper“ mit glamouröser Geste das internationale Soldatensehnsuchtslied „Lilly Marleen“ anstimmt. Oder die Nummer „Allein in einer großen Stadt“, die Max Colpet geschrieben hat, während ihm die Dietrich ihre Einsamkeit ausdauernd und wortreich klagte. Und dann ist da noch der Tango, namentlich die Musik von Astor Piazzolla, die ihren Platz in diesem wie in anderen Programmen von Ute Lemper behauptet. Während die Sängerin die Stimmlagen virtuos wechselt, mal krächzt, mal gurrt, mal jazzig scattet, liefern Stefan Malzew (Piano, Akkordeon, Klarinette) sowie das Vogler Quartett mit Tim Vogler, Franck Reinecke (beide Violine), Stefan Fehlandt (Viola) und Stephan Forck (Cello) die musikalisch hochkarätige Begleitung.