Lucia di Lammermoor in München Tot, tot, alles tot!

Susanne Benda
Diana Damrau als Lucia di Lammermoor Foto: Hösl

An der Bayerischen Staatsoper München hat die junge Polin Barbara Wysocka Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ inszeniert. Leider können weder der Dirigent Kirill Petrenko noch die Sopranistin Damrau in der Titelpartie den Abend retten.

Eine Mehrzweckhalle, halbverfallen. Der Putz blättert von der Decke, ein Flügel und etliches Mobiliar liegen umgestürzt auf dem Boden. Es ist ein Raum jener tristen Sorte, wie sie Anna Viebrock oft erfindet. Jetzt hat ihn Barbara Hanicka für die Neuinszenierung von Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in München entworfen, und die junge polnische Regisseurin Barbara Wysocka schickt zu den Klängen der Ouvertüre eine dunkle Beerdigungsgesellschaft über die Bühne. Im Vordergrund steht ein kleines Mädchen. Ein Waisenkind, das träumt und spielt. Und versteckt eine Pistole hinter seinem Rücken.

Klar, dass das nicht gut ausgeht. Am Ende der Oper ist das groß und wahnsinnig gewordene Mädchen tot, hat sich aus der erzwungenen Ehe mittels Ermordung des Gatten befreit, und der Mann, den es wirklich liebte, setzt sich selbst die Pistole auf die Brust.

Dazwischen liegen Welten: musikalische, szenische, hochdramatische. Dazwischen liegen viel Kolportage und viel Holzschnittartiges, aber auch glaubhafte Entwicklungen, packende Schicksale. Man hätte sie zeigen, hätte das Stück erklären und aus den Bild-ideen des Anfangs eine spannende, psychologisierende Inszenierung machen können.

Dass dies am Montagabend nicht der Fall ist, liegt an der Regisseurin ebenso wie an dem Mann, der seit seinem Amtsantritt an der Bayerischen Staatsoper auf Dauerjubel abonniert ist. Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, für viele so etwas wie der Messias des Hauses, kehrt zwar das theatralische Potenzial der Oper nach außen, raut die Musik auf, wo immer es möglich ist, und sorgt beim Bayerischen Staatsorchester ebenso wie beim gut einstudierten Chor für viel Präzision. Doch dynamisch aus dem Graben tönt es dynamisch viel zu undifferenziert, oft viel zu laut und ziemlich plakativ.

Dass vieles in der Partitur, das auf Zuhörer heute mechanisch und formal starr wirkt, gerade im Zusammenwirken mit der hochemotionalen Handlung unbedingt interpretationsbedürftig ist, hat Petrenko ebenso wenig verstanden wie Barbara Wysocka. Wenn das Orchester munter vor sich hin tänzelt, während Lucia, hin- und hergerissen zwischen Pflicht und Neigung, aufgefordert wird, sich für die Familie zu opfern, dann steht keine Frage im Raum, keine Brechung.

Im Zweifelsfall tun es die Rampe und das eher schöne denn sprechende Bild – vor allem im dritten Akt, wenn die Regisseurin den James-Dean-Verschnitt Edgardo in seinem amerikanischen Straßenkreuzer ganz bildlich vor die Wand fahren lässt. Die Personenführung bleibt schematisch; die Idee des Anfangs, Vorgeschichte, Unterbewusstes in die Erzählung einzuflechten, wird nicht fortgeführt. Und bei Lucias berühmter Wahnsinns-Arie herrscht auf der Bühne eine Hilflosigkeit, die darin gipfelt, dass sich die Titelheldin zwischenzeitlich schlicht vor ein Mikrofon stellt und dort im Glitzerkleidchen Koloraturen absondert wie ein Revuegirl.

Dabei ist Diana Damrau eine passende Besetzung für diese so oft missverstandene und durch viele Veränderungen verschandelte Partie: Die Sopranistin hat eine farbreiche, zur dramatischen Attacke fähige Stimme, gerade in ihrer ersten Arie gestaltet sie ihre Gesangslinien so fein, als sei jeder Ton ein Individuum, und leise Stellen haben Zauber und leuchtende Substanz. Im Laufe des Abends stellen sich allerdings auch blasse Momente ein, mancher laute Spitzenton knallt übermäßig heraus. Pavol Breslik ist als Edgardo mit seinem beweglichen, hellen und gesunden Tenor eine reine Freude (nicht nur) für die Ohren. Der Rest ist Konjunktiv: Was hätte diese Oper für ein Erlebnis werden können!

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