Maulburg Die Lust Neues zu entdecken

Markgräfler Tagblatt

Ein Jahr im Ausland: Melanie Pietschmann erzählt von ihrer aufregenden Zeit in Chile

Maulburg (hp). Vergangenes Jahr brach Melanie Pietschmann von Maulburg nach Südamerika auf, um dort einen Freiwilligendienst zu leisten. Dort arbeitete die 19-Jährige in Valdivia in Chile. Mit Melanie Pietschmann sprach unser Redakteur Harald Pflüger.

Buenos días señorita Pietschmann, unser Sommer hatte 16 bis 18 Grad. Wie war der Winter bei Ihnen in Chile?

Melanie Pietschmann: Regen. Regen. Regen. Valdivia liegt im Süden Chiles in der Region der „Seen und Flüsse“ und ist die regenreichste Stadt des Landes. Die Temperaturen im Winter liegen zwischen drei und 13 Grad. Leider gibt es keinen Schnee, doch durch die hohe Luftfeuchtigkeit habe ich ständig gefroren.

Und wie ist es, Weihnachten im Sommer zu feiern?

Der Dezember war eine wunderbare Zeit, vor allem, da es endlich warm wurde - die Jahreszeiten in den südamerikanischen Ländern sind ja entgegengesetzt den europäischen. Und Heiligabend am Strand bei 27 Grad zu feiern ist auch mal eine spannende Erfahrung. Ein richtiges Weihnachtsgefühl, wie ich es hier aus den Wintermonaten kenne, kam bei mir jedoch nicht auf. Mir ist aufgefallen, dass das Weihnachtsfest in Chile nicht das größte Fest des Jahres ist. Der 18. September, der Unabhängigkeitstag von der spanischen Krone, ist das wichtigste Fest im Jahr und wird eine Woche lang mit traditionellen Bräuchen gefeiert.

Feiern die Chilenen dann überhaupt Weihnachten?

Ja, und auffällig ist, dass die weihnachtlichen Traditionen den unseren entsprechen: Weihnachtsbäume werden aufgestellt und mit Kunstschnee besprüht, der Weihnachtsmann läuft durch die Stadt und verteilt Schokolade und winterliche Deko schmückt jedes Haus.

Was verschlägt denn eine Maulburgerin nach Südamerika?

Die Lust Neues zu entdecken, an einem Ort weit weg von zu Hause den Alltag mitzuerleben, fremde Kulturen und Realitäten kennenzulernen, inspirierende Menschen zu treffen, eine andere Sprache zu sprechen und mich gleichzeitig in einem sozialen Projekt zu engagieren. Ich wollte nach dem Abitur nicht sofort ein Studium beginnen, sondern Lebenserfahrungen sammeln. Über den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“, welcher vom BMZ gefördert wird, bin ich an den Projektplatz in Chile bei der Organisation Villa Huidif gekommen.

Wie sah Ihre Arbeit in dem Projekt aus?

 Während meines Freiwilligenjahres nahm ich die Chance war, in zwei verschiedenen Bereichen meines Projektes „Villa Huidif“ mitzuarbeiten. Von August 2013 bis Februar 2014 half ich in dem Mädchenheim, in dem ich auch wohnte. Zum Schulanfang im März wechselte ich in die erste Klasse der Grundschule und arbeitete dort als Unterstützerin der Lehrerin im Unterricht mit.

Was genau waren Ihre Aufgaben?

 Während meiner Arbeit im Mädchenheim kümmerte ich mich vor allem darum, die Mädchen zu ihren Arzt- oder Psychologenterminen, Familienbesuchen oder zur Schule zu begleiten. Es gibt oft niemanden, der Zeit hat, die Mädchen zum Arzt zu bringen und dort auf sie zu warten, weshalb die Mädchen es wertschätzen, wenn sich jemand Zeit für sie nimmt. Außerdem erledigte ich Einkäufe für das Heim oder half den Betreuerinnen bei den alltäglichen Arbeiten. Mein kleines eigenes Projekt war ein Zumba-Kurs für die Mädchen, wofür ich einen Raum renovierte und neu gestaltete. Das gemeinsame Tanzen hat uns allen immer sehr viel Spaß gemacht. In der Grundschule half ich den Kindern bei ihren Aufgaben und konnte der Lehrerin hier und da im Unterricht aushelfen.

Und wie klappte die Verständigung vor Ort?

Obwohl ich zuvor fünf Jahre Spanisch sogar bis ins Abitur hatte, verstand ich bei meiner Ankunft in Chile nur sehr wenig. Doch ich merkte von Tag zu Tag, wie ich mehr und mehr verstand und auch antworten konnte. Nach drei Monaten konnte ich mich schon gut verständigen. Jetzt nach einem Jahr ist Spanisch wie eine zweite Muttersprache für mich.

Für Ihren Internetblog hatten Sie auch viele Speisen fotografiert. Schmeckte das Essen so lecker, wie es auf den Bildern aussieht?

Definitiv. Die Chilenen essen viel und gerne Fleisch und das am liebsten in frittierten Teigtaschen, auch Empanadas genannt. Außerdem nicht wegzudenken ist die Avocado, diese wird in allen möglichen Varianten verarbeitet und von Frühstück bis Abendessen gegessen.

Hatten Sie auch Gelegenheit, etwas vom Land zu sehen?

Ja, meinen Urlaub habe ich fast ausschließlich zum Reisen genutzt. Da Chile ja eine gewaltige Nord-/Südausdehnung von 4000 Kilometern hat, war es mir nicht möglich das ganze Land kennenzulernen. Angefangen in der Hauptstadt Santiago de Chile reiste ich über schöne Küstenorte wie zum Beispiel Valparaiso, welches mit seinen zahlreichen Wandmalerein und Küstenflair verzaubert, über Seen und gigantische Vulkane bis hin zur südlichen Insel Chiloé, dem Beginn Patagoniens.

Während Ihres Aufenthalts war ja auch die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien. Wie haben Sie diese erlebt?

 Sehr emotional. Schon die Qualifikation zur WM feierten die Chilenen wie einen Weltmeistertitel. Zu den Nationalmannschaftsspielen blieb die Arbeit überall liegen. Ich habe mir kaum ein Spiel entgehen lassen und schaute die Spiele bis zum Finale mit chilenischen Freunden.

Zittert man dann für Deutschland oder für Chile?

Für beide! Als für Chile beim Spiel gegen Brasilien der große Traum zerplatzte, litt ich genauso mit den Chilenen mit. Und diese freuten sich danach wiederum für mich mit, als Deutschland gegen Brasilien im Halbfinale gewann und Weltmeister wurde.

Welche wertvollen Erfahrungen bringen Sie von Ihrem Auslandsaufenthalt mit?

Das Jahr weg von zu Hause hat mich selbstständiger und kreativer gemacht. Ich habe viele verschiedene Menschen, von Eingeborenen bis hin zu europäischen Einwanderern, kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Durch das Erleben der Armut der Menschen während des gesamten Jahres schätze ich mittlerweile das, was ich habe, unglaublich wert. Für uns Deutsche ist es selbstverständlich, dass wir bei einem medizinischen Notfall nicht den ganzen Tag im Krankenhaus warten müssen, dass der Strom so gut wie nie ausfällt und dass es nichts kostet, eine Schule zu besuchen. Das ist Luxus.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Ich werde im Oktober anfangen, in Karlsruhe Internationales Management zu studieren - und sicherlich irgendwann wieder Lateinamerika besuchen.

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