Maulburg Maulburg stellt sich der Vergangenheit

Markgräfler Tagblatt

Gemeinderat beschließt, Zeit des Nationalsozialismus aufarbeiten zu lassen /Auftrag an Hansjörg Noe

Von Anja Bertsch

Maulburg. Die Gemeinde Maulburg will die Geschichte des Dorfes während der Zeit des Nationalsozialismus aufarbeiten: Geschlossen stellte sich der Gemeinderat in seiner Sitzung am Montag hinter einen entsprechenden Auftrag an den Lokalhistoriker Hansjörg Noe.

Hansjörg Noe hat bereits die Geschichte Steinens während der NS-Zeit aufgearbeitet und in einem umfangreichen Buch niedergeschrieben, das unlängst der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Etwas derart Umfangreiches wird die Quellenlage für Maulburg nicht hergeben“, stellte Noe gleich eingangs klar: Die Aktenlage in Maulburg sei ungleich weniger ergiebig als die in Steinen, so das Ergebnis einer ersten Sichtung des Gemeindearchivs, die Noe gemeinsam mit Mitgliedern der Geschichts- und Kulturvereins vorgenommen hat.

Dass heute so wenige Akten existieren, bedeutet keineswegs, dass es diese niemals gab, und die Nazizeit somit quasi spurlos an Maulburg vorübergegangen ist. Das entsprechende Material ist schlicht nicht erhalten. Es gebe allerdings keinen Hinweis darauf, dass die Unterlagen absichtlich vernichtet wurden, erklärte Noe: Einige für die Beteiligte sehr belastende Unterlagen wie etwa die Akte über die Entnazifizierung von Parteimitgliedern seien erhalten - diese wäre wohl entfernt worden, wenn jemand sich systematisch daran gemacht hätte, Spuren zu tilgen. Wahrscheinlich sei viel mehr, dass die Akten tatsächlich in einem Keller buchstäblich verschimmelten und so zum Großteil unbrauchbar geworden seien: „So riechen sie auch.“ Weitere Quellen lassen sich womöglich im Staatsarchiv in Karlsruhe, in Kirchenarchiven oder im statistischen Landesamt finden, eine Auswertung der zeitgenössischen Lokalzeitungen wie Markgräfler Tagblatt und Oberbadisches Volksblatt ist ebenfalls vorgesehen. Vor allem aber hofft Lokalhistoriker Noe angesichts der dürren Aktenlage auf Beiträge, Unterlagen und Erinnerungen aus der Maulburger Bevölkerung. Das Privatarchiv von Friedrich Dreher „ist größer als das der Gemeinde“.

Weiteres Problem: Bildmaterial gibt es offenbar einiges – nicht jedoch die nötigen Fakten und Informationen, um dieses einzuordnen; auch hier könnten Zeitzeugen oder entsprechende Unterlagen helfen.

Wie verbreitet nationalsozialistische Überzeugungen in Maulburg waren, lässt sich bislang nicht einschätzen. Bei der letzten leidlich freien Reichstagswahl im März 1933 kam die NSDAP in Maulburg auf 42 Prozent; in Steinen waren es 54 Prozent, in Schlächtenhaus 97 Prozent und in Baden 45 Prozent, lieferte Noe einige Vergleichszahlen. Die ersten Hinweise auf NS-Aktivitäten gibt es erst 1930. Gleichzeitig sei beispielsweise klar, dass es auch in Maulburg Zwangsarbeiter gab - „ich weiß nur noch nicht, wie viele es waren oder wo sie arbeiten mussten.“ Klar sei auch, dass es NS-Organisationen gab, und dass sie sich in Lokalitäten am Ort getroffen haben – „ich weiß nur noch nicht wo“.

Ein heikles Thema deutete sich bereits in der Gemeinderatssitzung an: Wichtig sei, zu überlegen, welche Rolle das Kapitel Hermann Burte bei der Aufarbeitung spielen soll, erklärte Christof Schwald (Freie Wähler) – ein Aspekt, der aus Sicht Noe keiner weiteren Diskussion bedarf: „Ohne Burte geht es nicht“, stellte Noe klar; Hermann Burte inklusive seiner Verstrickungen in den NS müsse ein großes Kapitel einnehmen.

„Wir sollten es angehen, und wir sollten es geschlossen tun“, appellierte Bürgermeister Jürgen Multner an die Gemeinderäte. Das Gremium folgte diesem Appell einmütig und ohne Diskussionen.

Christof Schwald (FW) betonte, dass das gedruckte Ergebnis der Forschungen vor allem auf junge Leute zielen sollte. Er werde kein speziell auf die Jugend ausgerichtetes Buch schreiben, erklärte Noe, versicherte aber als ehemaliger Lehrer, dass das Druckwerk auf jeden Fall für die Nutzung im Schulunterricht geeignet sein werde.

Während Horst Leber (BMV) auf die Bedeutung der Vorgeschichte des NS-Zeit verwies, regte Kurt Greiner (FW) an, den Bogen bis in die Nachkriegszeit zu spannen, und etwa die Geschichte der Flüchtlinge in der Königsberger Siedlung zu erforschen. Tatsächlich sei es wichtig, den politischen Neubeginn und die Veränderungen des Dorfes zu untersuchen, bestätigte Noe. Auch hier aber fehle es bislang an Material.

Als Zeitpunkt für die Präsentation der Forschungsergebnisse nannte Noe das Spätjahr 2016: „Das ist ein engagierter Zeitplan, aber machbar.“ Für die Drucklegung einer etwa 100-seitigen Broschüre müsste die Gemeinde mit etwa 15 000 Euro rechnen, lieferte Noe auf Nachfrage von Bürgermeister Multner eine grobe Größenordnung. Für seine eigene Arbeit werde er eine sehr überschaubare Aufwandsentschädigung in Rechnung stellen.

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