Von Harald Pflüger Maulburg. Wenn Uhren Geschichten erzählen könnten: Die Taschenuhr von Friedrich Dreher hätte viel zu erzählen. Sein Vater Fritz hatte sie im Ersten Weltkrieg bei den Schlachten von Verdun und der Somme dabei, und während des Zweiten Weltkriegs begleitete sie Friedrich Dreher ins Feld.        Es tickt ne Uhr ganz fin und lies, es isch ne Schmuckstück, jo ganz gwies, si het im Chrieg ne mengs mitgmacht und allwihl tickt, so Dag und Nacht. (Friedrich Dreher) Nur wenige Uhren sind dazu bestimmt, von Generation zu Generation vererbt zu werden. So wie die Taschenuhr der Drehers, die sich mittlerweile in vierter Generation in Familienbesitz befindet. Gekauft vor rund einhundert Jahren von Friedrich Drehers Vater Fritz, hat diese silberne Uhr Meilensteine der Weltgeschichte erlebt. Sie war während des Ersten und Zweiten Weltkriegs mit an der Front und zeigte ihren Besitzern immer zuverlässig die Zeit an. Sie erlebte die Weimarer Republik, das Wirtschaftswunder, die Mondlandung, Willy Brandts Kniefall in Warschau und den Fall der Mauer. Stundenlang könnte man Friedrich Dreher zuhören. Wenn er erzählt, dann wird das, wovon er berichtet, lebendig. So wie bei der Geschichte von der Taschenuhr seines Vaters. Als Fritz Dreher (1893 - 1964) im Oktober 1913 zum Badischen Infanterieregiment  No. 142 nach Mülhausen einrückte, nahm er seine Taschenuhr mit. Dann brach der Erste Weltkrieg aus und Fritz Dreher musste an die Westfront. Zweimal (1914 und 1917) wurde Fritz Dreher verwundet. Im Januar 1919 kehrten er und seine Uhr nach Maulburg zurück. 1943, der Zweite Weltkrieg tobte, musste Friedrich Dreher in die gleiche Kaserne wie sein Vater nach Mülhausen einrücken. Nach einem Wochenendbesuch in Maulburg brachte ihn sein Vater zur Bahn, was bis dahin nie der Fall gewesen war, und überreichte ihm seine Taschenuhr mit den Worten: „Sie hat mich heimgebracht, sie wird auch dich heimbringen“. Die Uhr wurde Dreher ein treuer Begleiter, wo immer er an die Front musste. Ob nach Weißrussland oder nach Holland, wo er schließlich in Kriegsgefangenschaft geriet. Während seinen Mitgefangenen die Armbanduhren abgenommen wurden, gelang es Friedrich Dreher immer wieder, seine Taschenuhr zu verbergen. Der Zeitzeiger war in der Uhrentasche gut versteckt. Und unter der Dusche umspannte er sie mit seiner Faust. Im Barackenlager ist Friedrich Dreher dann während eines Ringkampfs die Uhr aus der Tasche gefallen. Danach lief sie nicht mehr. Vaters Versprechen, dass ihn die Uhr heimbringen wird, erfüllte sich nach seiner Entlassung aus dreieinhalbjähriger englischer Kriegsgefangenschaft. Später hat Friedrich Dreher die Taschenuhr reparieren und mit einer Gravur versehen lassen. Seither läuft sie wieder. Heute befindet sich die Taschenuhr nicht mehr in Drehers Besitz - er hat sie an seinen Enkel weitergegeben, damit sie auch ihm Glück bringt. Für die Zukunft wünscht sich Friedrich Dreher vor allem eines: dass das, was sein Vater und er erlebt haben, nie mehr geschehen soll.