Müllheim Absoluter lässt sich Vokalmusik kaum umsetzen

Weiler Zeitung
Das Ensemble Corund entfaltete die Schönheit von Monteverdis Musik. Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

Konzert: Hommage des Luzerner Ensembles Corund zu Monteverdis 450. Geburtstag in der Martinskirche

Von Dorothee Philipp

Müllheim. Er stand an der musikgeschichtlichen Wende von der Renaissance zum Barock, hat sie selbst mitgestaltet, dem Textausdruck im Gesang zu neuer Bedeutung verholfen. Zu Claudio Monteverdis 450. Geburtstag hat das Luzerner Ensemble Corund ein Programm zusammengestellt, in dem die Entwicklung des Kompositionsstils Monteverdis deutlich wurde.

Beim Konzert in der Martinskirche entfaltete sich die ganze Schönheit der 400 Jahre alten Musik, in Vollkommenheit umgesetzt durch die zwölf Sängerinnen und Sänger in sechs Stimmlagen unter der Leitung von Stephen Smith.

Das Ensemble Corund, das schon im April vorigen Jahres in Müllheim gastierte, setzt mit seinem Gesangsstil Maßstäbe. Lupenrein im Ton, eine Synchronisation, bei der zwei gleiche Stimmen oft wie eine einzige klingen, eine präzise, vibratolose Linienführung, ein penibel austarierter Gesamtklang der verschiedenen Stimmlagen ohne Atemgeräusche und in gleich bleibender Tonstärke – absoluter kann man Vokalmusik kaum umsetzen. Das Orgelpositiv, das in den einzelnen Teilen des Programms dazu kommt, wird als zusätzliche Stimme erstaunlich gut vom Chorklang assimiliert.

Monteverdi komponierte 1610 eine Messe und ein Magnificat in den beiden damals konkurrierenden Stilen „prima pratica“ und „seconda pratica“. Im alten Stil bringt die Polyfonie nach kunstvollen kontrapunktischen Regeln ein für den heutigen Hörer kompliziert und verschlungen wirkendes Wogen hervor, in dem durch Kreuzung und Überschneidung der Linien unerwartete Klangkombinationen von herber Schönheit entstehen. Die Dynamik entwickelt sich in dieser Musik ähnlich wie beim Orgelklang aus der Addition der Stimmen und aus der Bewegung, nicht durch crescendo und decrescendo. Der neue Stil Monteverdis setzt auf den Ausdruck des Textes, vereinfacht die Linienführung und drückt durch kunstvolle, ausnotierte Verzierungen Emotionen aus. Auch wenn diese Neuerungen zu Monteverdis Zeit eine gelehrte Kontroverse auslösten, waren sie damals doch in der Praxis bereits als spontane Improvisationen über dem Notentext üblich.

Das klangliche Spektrum des Programms erweiterten eingeflochtene Passagen aus gregorianischen Gesängen. Das Unisono der Männerstimmen zeichnete die melismatischen Linien der uralten Gesänge in einer körperlosen, spirituellen Klarheit – fast beängstigend schön.

Als Kontrast aus der „alten Schule“ erklang von Nicolas Gombert (1500 bis 1557) die kurze Motette „In illo tempore“, eine Marienpreisung, die Monteverdi als Impuls für seine 1610 komponierte „Missa In illo tempore“ gedient hatte. Monteverdis „seconda pratica“ war nicht nur die Wegbereiterin der Oper, sondern auch des Generalbasses, der obligaten Begleitung gesungener Texte oder instrumentaler Soli. In Monteverdis „Magnificat“, ebenfalls 1610 entstanden, kamen die neuen Stilmittel prächtig zum Ausdruck.

Die barocke Basslaute Theorbe, mit ihrem doppelten Hals auch ein eindrucksvolles optisches Element, und die Orgel begleiteten den Gesang als edle, aber dezente Zutat. Zur Textstelle „Deposuit potentes“ postierten sich die beiden Cantus-Sängerinnen in der Reihe des Chors und in der Sakristei, was der Echo-Wirkung dieser Stelle eine unerwartet dramatische Komponente gab, ganz im Sinne Monteverdis, der die Intensivierung des Textausdrucks als Hauptziel der „seconda pratica“ genannt hatte. Dazu kam, dass die beiden Sängerinnen im Timbre absolut gleich klangen, das „Echo“ war somit perfekt.

Eine andere fast theatralische Stelle war das prunkvoll verzierte, mit seinen punktierten Rhythmen aufregend flackernd und instabil klingende „Et misericordia eius“, so als könne der Komponist die Barmherzigkeit Gottes kaum fassen. Immer wieder wechselten im Magnificat die Gruppierungen im Ensemble, als Duos, Soli oder einzelne Stimmregister, um dann im Schlussteil als Tutti gebündelt die Macht und Herrlichkeit Gottes zu preisen.

Das Publikum brauchte einige Sekunden, um aus dieser weiten Zeitreise wieder in die Gegenwart zurückzufinden, dann wurde lange und begeistert applaudiert.

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