Neuenburg am Rhein Ohne einen Cent durch Asien

Weiler Zeitung

Weltenbummler: Der Neuenburger Stefan Blust ist für faire und nachhaltige Textilien unterwegs

Seit Februar ist der Neuenburger Stefan Blust auf Weltreise mit unbestimmtem Ziel und auf unbestimmte Zeit. Erste Station war Kambodscha, wo er für verschiedene Hilfsprojekte Dokumentationen gedreht hat. Aktuell ist er in Indien und arbeitet dort für das neue Modelabel Badalna, welches sich für eine faire und transparente Produktionskette in Indien einsetzen will. Über soziale Netzwerke hält er Kontakt mit der Heimat. Unser Mitarbeiter Alexander Anlicker hat sich per Chat mit dem 33-Jährigen unterhalten.

Was hat dich dazu gebracht, deine Zelte in Deutschland abzubrechen und einfach loszureisen?

Sagen wir, ich habe ein weiteres, mobiles Zelt aufgeschlagen. Mein Basecamp bleibt meine Heimat bei Familie und Freunden. Eine Erkenntnis, die ich erst auf Reisen haben sollte, denn trotz meiner Selbstständigkeit mit einer Filmagentur und einem Onlinebusiness, fühlte ich mich noch vor wenigen Monaten fehl am Platz Deutschland. Ich nahm mir kaum mehr Zeit für Freunde und Familie, geschweige denn für mich selbst. Die Tage flogen nur so dahin. Das Ventil für den stumpfen Alltag waren exzessive Partys am Wochenende. Ich war schon lange unglücklich damit. Sollte mein Alltag wirklich von einem Kalender bestimmt sein? Ich wollte mein Leben nicht länger dem Kauf unnützer Dinge widmen. Denn letztlich bezahle ich diese Dinge mit etwas weitaus Wertvollerem, als mit Geld: mit meiner Lebenszeit, die ich für einen unbefriedigenden Job opfere. Also muss ich etwas anderes finden und ich glaube, Reisen hilft mir dabei. Also kündigte ich, verschenkte und verkaufte all meine Sachen, kaufte dafür eine Kamera und einen Laptop und reise seit Februar mit 500 Notfall-Euro auf dem Konto durch Asien, um dort als Filmemacher engagierten Leuten beim Erhalt ihrer inspirierenden Projekte zu helfen.

Kommt man so einfach mit Arbeit gegen Kost und Logis durch?

Ich brauche nicht mehr als Essen, Trinken und einen Platz zum schlafen. Dafür biete ich meine helfende Hand an, wo immer sie benötigt wird. Doch zwischen den Projekten gibt es natürlich auch die Zeit zu überbrücken, in der ich von A nach B kommen muss. Also halte ich vollbepackt am Highway den Daumen raus und hoffe auf Mitfahrgelegenheiten. Die Leute in Asien wissen kaum um die Regeln des Trampens und halten oft irritiert an, um zu fragen, wie sie helfen könnten. Wenn ich ihnen erkläre, dass ich ohne Geld reise, nehmen sie mich einige Stunden mit oder bezahlen mir sogar ein Busticket, das Essen und bieten mir an, in ihrem Haus zu übernachten. Und so bin ich innerhalb von sechs Tagen von Kambodscha bis an die Grenze zwischen Myanmar und Indien gereist, ohne einen Cent, außer für das Myanmar-Visum, auszugeben.

Deine ersten Stationen waren Kambodscha, Thailand und Myanmar.Was hast du bis jetzt alles erlebt?

In Kambodscha habe ich einen Filmreport über das Leben in den Slums, die mangelnde medizinische Versorgung und die Aufbauprojekte für Kinder gedreht, um dafür von der amerikanischen Dachorganisation neue Gelder zugesichert zu bekommen. Ein neues Gefühl. Neue Menschen. Neue Freunde. Vier der ehemaligen Heim-Kinder haben eine Death-Metal-Band gegründet – Musik, die ich nie verstehen konnte. Jetzt hab ich ein abgefahrenes Musikvideo für die Jungs gedreht, das ab Mitte Mai zu sehen sein wird, und ich finde den Song mittlerweile auch ziemlich geil. Als Abschiedsgeschenk habe ich von allen eine Ukulele geschenkt bekommen, mit der ich auf meiner Weiterreise schon so manche Alleinunterhalter-Sessions in Autos und Zügen abgehalten habe, um die vielen Menschen, die mir so sehr geholfen haben, wenigstens etwas zu unterhalten.

Unter dem Hashtag „#roadtofairfashion“ bist du durch Indien gereist und hast dich für das junge und faire Modelabel „Badalna“ engagiert. Was steckt dahinter?

Die Textilindustrie verschmutzt unseren Planeten nach der Öl- und Gasindustrie am meisten. Weiterhin ist sie die arbeitsintensivste Industrie. Einer von sechs Menschen weltweit arbeitet dafür, unsere Läden mit neuen Kleidungsstücken zu füllen. Leider haben uns Ereignisse wie der Zusammenbruch des Rana Plaza in Bangladesh oder auch die Dokumentation „True Cost” gezeigt, wie diese Kleidungsstücke produziert werden. In unserer heutigen globalen und immer verbundenen Welt doch eigentlich unvorstellbar, oder?

Mein ehemaliger Studienkollege Rico Gärtner aus Ravensburg hat mich als Filmemacher eingeladen, ihn bei seinem Projekt und vor allem der #roadtofairfashion zu begleiten, um eine Doku für die bevorstehende Crowdfunding-Kampagne zu drehen. Das Ziel ist es, ein Business-Hemd so nachhaltig und fair wie möglich in Indien zu produzieren und es dann in Europa online zu verkaufen. Bis jetzt glänzen die meisten fairen Modelabels entweder mit Hippie-Mode, die junge Leute kaum kaufen oder viel zu teuer sind.

Was ist das Ziel der „Road to fair fashion“?

Es hat drei Monate und mehr als 500 E-Mails und Telefonate gebraucht, bis für den Trip zehn unterschiedliche potentielle Partner-Unternehmen in Indien identifiziert waren. Auf unserem vierwöchigen Trip haben wir jedes davon persönlich besucht, um selbst in Erfahrung zu bringen, ob man dort fair produzieren kann. Dabei geht es neben fairen Arbeitsbedingungen der Näherinnen auch um die Transparenz der kompletten Herstellungskette: vom Baumwollfeld, über Webereien und Nähereien in Indien bis zum Transport nach Europa. Rico will dabei nicht einfach einem Gütesiegel vertrauen, sondern sich selbst davon überzeugen, wohin das Geld fließt. Mit Blogbeiträgen, Fotos und Videos geben wir dabei allen Followern der Badalna-Homepage und auf Social-Media-Kanälen regelmäßige Updates, um weiter auf dieses inspirierende Projekt aufmerksam zu machen.

Achtest du selbst beim Einkaufen auf fairen Handel und die sozialen und ökologischen Bedingungen in den Herkunftsländern?

Seit ich mich in meinem Studium mit den Auswirkungen unserer „viel, dafür billig“-Mentalität auseinandergesetzt habe, habe ich zumindest ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein Fünf-Euro-Shirt kaufe. Die Reise mit Rico führt mir aber einmal mehr vor Augen, wie wichtig es ist, das alles wirklich zu hinterfragen. Sich schlau zu machen, wer unter diesen Billigpreisen wirklich leidet. Und ich spreche von wahrhaftigem körperlichen und seelischen Leid, das niemand von uns jemandem freiwillig antun würde.

Wohin geht die Reise als nächstes?

Nach einer kurzen Chill-Out-Zeit in Thailand werde ich Ende Mai zurück nach Kambodscha trampen, um dort mit meinem Ideen beim Aufbau eines (noch) kleinen, sozialen Musik-Labels namens „Yab Moung“ zu helfen, das jungen Talenten neue Perspektiven ermöglichen soll. Diesmal für mehrere Monate.

INFO: Badalna

Badalna ist eine Crowdfunding-Kampagne für ein neues Modelabel, das sich nachhaltige und  fair gehandelte Textilien auf die Fahnen geschrieben hat.
Weitere Infos online unter www.badalna.de,  www.facebook.com/badalnafashion oder Youtube: bit.ly/badalnayoutube
 
ZUR PERSON: Stefan Blust
 
ist  33 Jahre alt, und stammt aus Neuenburg am Rhein. Er hat nach seiner Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann Medien Design in Ravensburg studiert und gründete gemeinsam mit drei Freunden unter anderem  eine Filmproduktion und ein Online-Vergleichsportal. Am 10. Februar ist er zu einer Weltreise aufgebrochen.

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