Von Dorthee Philipp Müllheim. Es ist schwer und ermüdend, immer und immer wieder an schlummernde Gefahren zu erinnern. Bis jetzt hat es ja gehalten, das älteste Atomkraftwerk Frankreichs, dessen Abschaltung das Aktionsbündnis „Stopp Fessenheim“ seit Jahren fordert. Trotzdem lässt sich die Aktivistengruppe aus elsässischen und badischen Bürgerinitiativen nicht beirren, jeden Montag um 18.30 Uhr auf dem Vorplatz der Sparkasse an der Werderstraße mit ihren „Montagsdemos“ auf die Bedrohung hinzuweisen. Auch am vergangenen Montag kamen trotz Ferien rund 20 Demonstrierende jeden Alters zusammen – zum 183. Mal seit Beginn der Aktionen im März 2011 nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Gastredner berichtet von Tschernobyl-Besuch Wie immer hatten die Organisatoren um die Müllheimer Grünen-Stadt- und Kreisrätin Dora Pfeifer-Suger ein Programm zusammengestellt. Gast war diesmal Claude Schertzer aus Chalampé, der seit vielen Jahren für den Verein „Accueil des enfants de Tschernobyl“ Hilfsaktionen für strahlengeschädigte Kinder aus Tschernobyl organisiert. Dazu gehören auch Einladungen ukrainischer Folklore-Gruppen und die Organisation von Ferienaufenthalten für die Kinder aus den verstrahlten Gebieten. „Die sind nicht richtig krank, aber alle sind bleich und schlapp“, sagte Schertzer. „Sie sollten mal sehen, wie die sich in den 14 Tagen, wenn sie hier sind, verändert haben“. Der Aufenthalt im Elsass gibt ihnen für kurze Zeit Vitalität und Fröhlichkeit. Schertzer war selbst erst vor wenigen Wochen in Tschernobyl und der benachbarten Geisterstadt Pripjat, in der einmal fast 50 000 Menschen gewohnt hatten. Nach dem Reaktorunglück 1986 musste sie geräumt werden. „Die Bäume wachsen durch die Häuser durch, alles ist grün, die Vögel singen und kein Mensch ist da“, beschreibt Schertzer seine Eindrücke. Er beschwor die Horrorvision, auf dem Grand Ballon zu stehen und soweit man blicken kann, nur verstrahltes, menschenleeres Land zu sehen: „Mulhouse, Guebwiller, die Dörfer – alle kommen dran“. Seit über 25 Jahren würden die Ukrainer bedauert, aber hier werde nur „palavert“, kritisierte Schertzer. Störfall aufgedeckt: „Mir macht das Angst“ Der erst jetzt in der Öffentlichkeit aufgedeckte, ernstharte Störfall vom 9. April, als durch marode Technik und menschliches Versagen elektronische Regelsysteme im AKW Fessenheim ausgefallen sind, zeige, dass es höchste Zeit sei, den Meiler abzuschalten. „Mir macht das Angst“, sagte Schertzer. Den Widerstand gegen den Weiterbetrieb bezeichnete er auch als „humanitäres Hilfswerk“: man wolle Schlimmes verhindern, bevor es passiert. Schertzer ging auch auf die aktuelle politische Lage in der Ukraine ein, die das Los der Umgesiedelten verschlimmert. „Die Leute ziehen wieder zurück in ihre Heimatorte, auch wenn es dort immer noch eine hohe Belastung der Böden gibt“, sagte Schertzer und berichtete von einem Dorf, in dem jetzt wieder um die 800 Menschen leben. Denn in Kiew gebe es für sie nichts mehr zu essen. „So oder so: wir verrecken doch“, hätten sie zu ihm gesagt. Zum Schluss der Veranstaltung wurde noch der Widerstand der Bevölkerung rund um Fessenheim gegen die Schließungspläne thematisiert. Von deutscher Seite aus gebe es Vorschläge wie die Schaffung eines grenzüberschreitenden Gewerbeparks oder die Ansiedlung von innovativen Technologien, berichtete Pfeifer-Suger. Da seien schon sehr konkrete Szenarien erstellt worden, sagte sie. Solidarität mit den Müllheimer Montagsaktionen bekundete der Maler Friedemann Hergarten in einem Brief, den die SPD-Stadträtin Myriam Egel vorlas. Hergarten sei einer der Ersten gewesen, die mit dem Anti-AKW- Aufkleber auf dem Auto herumgefahren seien, erinnerte sie.