Von Claudia Bötsch Müllheim. Er ist der vielleicht größte Abenteurer unserer Zeit – und ein begnadeter Redner: Der bekannte Extrembergsteiger Reinhold Messner sprach am Dienstagabend im Bürgerhaus über das „ÜberLeben“, gleichzeitig Titel seines aktuellen Buchs. Seine Rückschau auf sieben Jahrzehnte Lebensgeschichte, die kein Drehbuchautor spannender hätte fabulieren können, zog die Zuhörer schon nach wenigen Sätzen in ihren Bann. Vor dem Publikum entspann sich ein Lebensbogen zwischen Geburt und Tod. Bildgewaltige Filmsequenzen mit atemberaubenden Bergkulissen ließen Messners Schilderungen dabei noch eindrücklicher wirken. Der 70-Jährige berichtete von seinem Leben, das schon früh von extremen Naturerlebnissen und Begegnungen mit dem Tod geprägt war. Er skizzierte in Etappen seinen Weg vom Südtiroler Bergbub zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten Bergsteiger der Welt; zum kampflustigen Politiker, engagierten Bauern, zum Gründer einer einzigartigen Museumslandschaft, zum Ehemann, vierfachen Vater und Familienmenschen. „Unmögliches möglich machen“ „Beim Bergsteigen geht es darum, Unmögliches möglich zu machen“, bilanzierte Messner, dessen zahlreiche Erfolge weithin bekannt sind. Besonders machten den Vortrag des 70-Jährigen die Geschichten am Rande und die Erkenntnisse, die er aus seiner bisherigen Lebenserfahrung zog. Für Lacher sorgte indes die Beichte des Extremsportlers, dass er nicht schwimmen kann – während auf der Leinwand ein reißender Strom zu sehen war, mittendrin Reinhold Messner bei einem seiner Abenteuer. Der Rekordmann, der mit acht Geschwistern aufwuchs, ist immer an seine Grenzen gegangen. Darum habe er bis 40 auch keine finanzielle Altersvorsorge betrieben – „Ich dachte eh, dass ich vorher sterbe“. Als junger Mann sei er ein fanatischer Bergsteiger gewesen, der nur den Gipfel und das Ziel im Blick gehabt habe, meinte Messner durchaus selbstkritisch. Im Lauf der Jahre habe sich der Blick allerdings immer mehr auf die Menschen und die vielfältigen Kulturen gerichtet. Dabei habe er gelernt, dass es nicht zwingend eine gemeinsame Sprache braucht: „Zur Verständigung reichen Hände und Füße.“ Am wichtigsten ist für ihn, dass sich Mensch und Mensch auf Augenhöhe begegnen. Es sei zudem ein Klischee, das Bergsteiger keine Angst haben. Die sei ebenso überlebenswichtig wie der Instinkt, den er selbst schon von Klein auf für die Berge und ihre Gefahren entwickelt habe. Darüber hinaus habe er schon früh gewusst, dass das Überleben maßgeblich von den eigenen Fähigkeiten und Stärken abhängt. Und als Bergsteiger davon, den Punkt nicht zu verpassen, an dem man hätte umkehren sollen, auch wenn dies den Verzicht auf den Gipfel bedeute. Messners Lebensbericht beschönigt nicht, wenn er sich mit Begriffen wie Mut, Leidenschaft und Verantwortung auseinandersetzt. Er spricht über Ehrgeiz und Scham, Albträume und das Altern, über Neuanfänge und über die Fähigkeit, am Ende loszulassen. „Den Kopf in den Wolken, die Füße fest auf dem Boden“ Zentral war für ihn indes die Erkenntnis im Leben, dass die gescheiterten Expeditionen letztlich prägender für sein Leben waren als die zahlreichen erfolgreichen Gipfelbesteigungen. An anderer Stelle hat er einmal gesagt: „Mein Scheitern hat mich groß gemacht.“ Dem Publikum, speziell den Paaren, legte er nahe, bewusst immer wieder die Einsamkeit zu suchen. Denn für ein erfüllendes Leben in der Gemeinschaft und in Zweisamkeit sei es Grundvoraussetzung, sich auch mit sich selbst auseinandersetzen zu können. Messner selbst beschreibt sich als jemanden, der schon sein Leben lang seinen Kopf in den Wolken trug, aber mit den Füßen immer fest auf der Erde stand. Die Zuhörer erlebten einen Menschen, der nach wie vor für die Berge und die Natur brennt, und dessen Neugier und Zuversicht auch im Alter ungebrochen sind. Angst vor dem Sterben hat Messner nicht. Mit den Worten „Das Beste liegt noch vor mir“, beendete er seinen Vortrag. Das Publikum belohnte den packenden Bericht über ein außergewöhnliches Leben mit viel Applaus. In seinem Vortrag klammerte er auch nicht das dunkelste Kapitel seines Leben aus, den Tod von Bruder Günther, der bei einer gemeinsamen Expedition ums Leben kam. 1970 gelang Messner die Überschreitung des Nanga Parbat. Doch im Erfolg erlebte er auch seine größte Niederlage: Sein Bruder Günther wurde unter einer Eislawine begraben. Messner erlebte damals „die schlimmste Nacht meines Lebens bei 40 Grad Minus“. Seine Füße zeugen auch 45 Jahre danach von dem Unglück: Wegen zu geringer Durchblutungen waren sieben Zehen und drei Fingerkuppen an der rechten Hand abgestorben und mussten nach der traumatischen Himalaya-Expedition amputiert werden. In den folgenden Jahren ist Messner immer wieder an den Ort der Geschehnisse zurückgekehrt. 1978 gelang ihm dann der Alleingang auf den Gipfel. Nirgendwo liegen für ihn Triumph und Tragödie so eng beieinander wie am Nanga Parbat. 2004 konnte mithilfe einer DNA-Analyse schließlich nachgewiesen werden, dass Günther Messner tatsächlich erst nach der gemeinsamen Überschreitung am Fuß des Berges verunglückt ist.