Von Sarah Golombeck An der Freien Waldorfschule in Müllheim fanden kürzlich drei Theaterabende statt. Die Zwölftklässler zeigten das Stück „König Ubu“ Erste Szene: Mutter Ubu sitzt auf Vater Ubus Rücken. „Sehr schön, Vater Ubu“ sagt Mutter Ubu trocken. Ihre zerzausten Haare stehen dreist von ihrem Kopf ab. Die zwei mit Gold bemalten Figuren liefern sich auf der Bühne wortreiche Textduelle und legen so den Grundstein für Alfred Jarrys Lebenswerk „König Ubu“. Vater Ubu ist ein verfressener, fauler Kerl, der seine hässliche und intrigante Frau nicht wirklich ausstehen kann. Naiv wie er ist, lässt er sich von seiner Frau einreden, er müsse jetzt König Wentzel von Polen stürzen und die Krone für sich beschlagnahmen. Hauptmann Bordure, der Erzfeind von König Wentzel, stimmt sofort zu, dass er sich mit seinen Männern an der Verschwörung beteiligt. Absurde Darstellung und surreale Situationen brachten das Publikum zum Lachen. Und nicht nur das Publikum musste lauthals lachen, selbst die Darsteller auf der Bühne konnten sich vor lauter überzogener Witze kaum mehr ein Lachen verkneifen. Manchmal kam auch das ein oder andere Kichern von hinter der Bühne bei den Zuschauern an. Das Theaterstück der zwölften Klasse stellt einen wichtigen Punkt in der Waldorfbiografie dar. Vier Wochen intensiver Proben steckten in dem dadaistischen Stück, das 1896 uraufgeführt und sofort von der Kritik vernichtet wurde. Erst später wurde das Meisterwerk von Surrealisten und Dadaisten gefeiert. Die zwölfte Klasse ging mit Witz und Authentizität an ihr Klassenstück heran und brachte ihre eigenen Ideen und Umsetzungsvorschläge mit. Besonders das jüngere Publikum fand Zugang zu der Absurdität und der sehr direkten und manchmal unter die Gürtellinie gehenden Sprache. Es wurde geflucht und sich gegenseitig beschimpft. Und manch einer der älteren Generation saß etwas ratlos auf seinem Stuhl und fand nicht immer Zugang zu dieser Art von Humor. Das Lachen wurde von Szene zu Szene befreiter. Man tauchte nach einer Weile ganz in die Welt des König Ubu ein und machte sich mit seinen Gedankengängen vertraut. Das Stück steigerte sich immer mehr. Auch die Darsteller konnten sich nach einer Weile entspannen und spontane Improvisationen mit einflechten. So wurde es weder für Zuschauer noch Schauspieler langweilig. Als Hauptmann Bordure die Seiten wechselt und die russische Zarin um Hilfe bittet, mischen die Russen noch kräftig mit und liefern sich eine Schlacht mit den Polen. König Ubu versteckt sich erst einmal in seinem Hüttchen und schießt bei Gelegenheit aus dem Fenster hinaus. Als die Situation zu brenzlig wird, ziehen sich die Polen zurück, und König Ubu flüchtet mit zwei seiner Männer in die Berge. Dort treffen sie auf einen Bären. Feige, wie er ist, flüchtet Ubu auf das Dach der Höhle und betet, während seine beiden Männer den Bären besiegen. Die beiden haben genug von Ubu und lassen ihn alleine zurück. Nachts findet Frau Ubu, die von den Polen verjagt wurde, zufälligerweise diese Höhle und darin ihren schlafenden Mann. Die beiden fangen sich sofort wieder an zu zanken und zu beschimpfen. Als das letzte Kind des ehemaligen Königs – Bougrelas – auftaucht, flüchten die beiden Ubus mit den zwei zurückgekehrten Männern über das Meer nach Frankreich. Alle Insassen freuen sich auf daheim. Mitten auf der See endet das Stück mit dem andachtsvoll gesprochenen und verwirrendem Satz von Vater Ubu: „Denn wenn es kein Polen gäbe, gäbe es kein Polen!“