Nelkenrevolution in Portugal Blumen im Gewehr

Regine Warth
Der Militärputsch wurde zum Fest: Das Volk feierte die Soldaten, Frauen steckten ihnen zur Begrüßung rote Nelken in die Gewehrläufe Foto: Antifa

Am 25. April jährt sich in Portugal zum 40. Mal die Nelkenrevolution. Zwei Widerstandskämpfer erinnern sich

Vor 40 Jahren stürzte die Armee in Portugal die letzte Diktatur in Westeuropa. Auch die beiden Kommunisten Faustina und Zé Carlos hatten im Untergrund gegen den Faschismus gekämpft.

Lissabon - Der 24. April 1974 ist einer dieser Tage, an denen sich Faustina auf die alte Bank in dem Park nahe Porto setzte und mit den Fingern die alten Holzlatten abtastete. In dem Moment, in dem sie den kleinen glatten Knubbel in dem rauen Holz spürte, war es, als würde ihr Herz einen Schlag aussetzen. „Ich wusste, ich muss hier weg. Sofort.“

Die Reißzwecke, die in der Parkbank steckte, war ein geheimes Zeichen. Anders konnten Faustina und ihr Mann nicht gefahrlos miteinander kommunizieren. „War Carlos auf dem Heimweg von einem der geheimen Treffen, steckte ich sie in die Parkbank, als Zeichen, dass er sicher ins Haus kommen konnte“, sagt Faustina.

Das war nicht immer möglich: Zé Carlos und seine Frau Faustina sind Kommunisten, unerwünscht im faschistischen Portugal. Sie arbeiteten im Untergrund daran, die Leute über die Ungerechtigkeiten in dem Land aufzuklären und das Regime wegzuputschen. „Wir führten damals ein Doppelleben“, sagt Faustina. Nach außen hin erfüllten sie die Rolle der regimetreuen Kleinfamilie, legten sich falsche Namen zu und bläuten den drei Töchtern ein, ja nichts über sich und ihre Eltern zu erzählen.

Im Schutz der Dunkelheit wurden heimliche Treffen mit Gleichgesinnten abgehalten. Entweder bei ihnen im Haus in der Nähe der portugiesischen Stadt Porto oder außerhalb. „Immer konnte es passieren, dass die Geheimpolizei vor unserer Tür stand.“ Meist ist es Faustina, die zurückblieb, während Zé Carlos mit dem Zug irgendwo in Nordportugal unterwegs war. „Manchmal bin ich bei meiner Rückkehr nicht gleich nach Hause gegangen“, sagt er. Er zog zwar die Reißzwecke aus der Bank, um Faustina zu zeigen, dass er in der Nähe war. „Doch ich wollte erst sichergehen, dass mir niemand gefolgt war.“

An jenem Abend im April sollte Carlos längst zurück sein – doch er war nicht gekommen. Der Reißnagel steckt fest.

Die Töchter von Faustina waren Kinder der Illegalität

Rund 300 Kilometer entfernt in Lissabon saß Zé Carlos den Geheimpolizisten der Polícia Internacional e de Defesa do Estado (PIDE) gegenüber. Er war auf offener Straße in Porto festgenommen worden. Wenige Tage vor der großen Revolution. Er war der letzte kommunistische Parteifunktionär, der in Haft gekommen ist. „Doch das wussten wir damals alles nicht“, sagt Faustina.

40 Jahre später sitzt die 69-Jährige in der Cafeteria in einer Grundschule in Lissabon. Der Mann an ihrer Seite hat sich zurückgelehnt, die Schiebermütze hat der 82-Jährige tief über die Hornbrille gezogen. Hin und wieder besuchen sie Schulen, um Kindern zu erklären, was ein Leben im Faschismus bedeutet. „Bald ist der Jahrestag der Revolution“, sagt Zé Carlos. „Da sollten sie wissen, warum es an diesem Tag Nelken regnet.“

Es ist nicht leicht, Kindern zu erklären, wie es ist, in einer Welt zu leben, in der Spielen und selbst das Bücherlesen verpönt waren. „Bildung war unerwünscht“, sagt Faustina. Oft reichte das, was man hatte, zum Leben nicht aus. Und wer es wagte, dem Regime zu widersprechen, wurde verhaftet. „Für uns, die im Untergrund aktiv waren, bedeutete dies, ständig umzuziehen, sich eine Scheinidentität zuzulegen.“ Ihre drei Töchter gebar sie im Geheimen. „Es gab keine Geburtsurkunde“, sagt Faustina. Sie waren Kinder der Illegalität.

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