Neuenburg Bäche, die zu Sturzfluten werden

Weiler Zeitung
Das weggerissene Münster von Neuenburg beschäftigte die Menschen im 16. Jahrhundert sehr: Ausschnitt aus einem alten Stich Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

Geschichts- und Kulturkreis: Thomas Adam berichtet in Neuenburg über Naturkatastrophen

Thomas Adam, Leiter des Städtischen Museums im Bruchsaler Schloss und Leiter der Abteilung Kultur im Hauptamt der Bruchsaler Stadtverwaltung, ist Heimatforscher aus Leidenschaft. 123 Publikationen zählt die Landesbibliografie Baden-Württemberg auf, darunter das 2015 erschienene Buch „Feuer, Fluten, Hagelwetter. Naturkatastrophen in Baden-Württemberg“.

Neuenburg am Rhein. Adam kann nicht nur schreiben, sondern auch mitreißend erzählen, wie sich bei seinem Vortrag im Neuenburger Stadthaus zeigte. Eingeladen hatte der Geschichts- und Kulturkreis Neuenburg, der jährlich in Zusammenarbeit mit der Stadt Neuenburg und der Regio-VHS einen Vortrag zu historischen Themen mit aktuellem Bezug anbietet. Und aktuell sind diese Ereignisse, die die Versicherungen unter „höherer Gewalt“ einstufen, auch wenn sich im Vergleich zu früher vieles allein schon durch die technischen Möglichkeiten geändert hat.

Auffallend ist, dass sich in der mündlichen Überlieferung die Berichte gerade über Naturkatastrophen im Lokalen über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte halten. Auch heute noch erzählen nach Adam die Menschen von einem Hochwasser 1931 in Nordbaden, das zwei Todesopfer gefordert hatte. „Die Wahrnehmung solcher Ereignisse ist prägend für ganze Generationen“, folgert er. Sein Blick gilt nicht der naturwissenschaftlichen Erklärung der Katastrophen, sondern den betroffenen Menschen und der Langzeitwirkung solcher Ereignisse in der Überlieferung. Adam erzählt mit Temperament, Laune und einem charmanten nordbadischen Zungenschlag, er nimmt das Publikum mitten hinein in die Szenerien von Erdbeben, Feuersbrünsten, Hagel und Hochwasser, die das Land am Oberrhein immer wieder heimgesucht haben und illustriert sie mit eindrucksvollen Bildern. Die vielfach dazu benutzt wurden, um nach einer Katastrophe Spenden zu sammeln, wie nach dem Stadtbrand von Reutlingen 1726.

Adam hat auch die Amination von Hans-Jürgen van Akkeren dabei, die zeigt, wie 1525 das Rheinhochwasser die Stadt Neuenburg eingeschlossen und die ganze Weststadt weggespült hat.

Und was denken Sie, was für uns heute immer noch die gefährlichste Naturgewalt ist?, fragt Adam in die Runde. Es sind die „harmlosen kleinen Bäche“, die in Minutenschnelle zu reißenden Sturzfluten anschwellen können. Und hier greift er auch zur wissenschaftlichen Erklärung: Die Rinnsale müssen das gesamte Wasser eines Starkregens ableiten, der über einem Talkessel niedergeht. Das sei auch für ihn überraschend gewesen, aber beim Recherchieren habe er viele solcher Berichte gefunden, die es oft nur in die regionale Berichterstattung geschafft, die Menschen vor Ort aber trotzdem hart getroffen haben. Und wie zur Bestätigung seiner Theorie kam 2016 das Hochwasser, das den Ort Braunsbach verwüstete, so heftig, dass auch die Welt daran Anteil nahm.

Ein Exkurs führt in die so genannte kleine Eiszeit, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts begann. In den Jahren der schlimmsten Kälte, als die Ernten auf den Feldern erfroren, von 1570 bis 1630, hat es nach Adam auch die meisten Hexenverbrennungen gegeben: Die Frauen und auch etliche als Hexer verfolgte Männer wurden für die unergründlichen Wetterphänomene und ihre katastrophalen Folgen verantwortlich gemacht.

Adam widmet sich auch den stummen Zeugen der Katastrophen, den Hochwassermarken, Gedenksteinen und Erinnerungstafeln an Opfer. Sein Fazit: Wir leben hier in einer Region, in der Naturgewalten nicht so große Dimensionen entwickeln wie anderswo auf der Welt, aber sie haben das Denken der Menschen immer beeinflusst. Und auch heute stelle man sich angesichts des Klimawandels die Frage, wie schlimm es werden wird. Das könne man wohl erst in 100 oder 200 Jahren sagen.

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