Neuenburg Böse und lustig – gutes Kabarett eben

Weiler Zeitung
Rosemie: „E bissele Show-Bisenissle“ muss sein. Foto: D. Philipp Foto: Weiler Zeitung

Gutedelgesellschaft: Rosemie Warth und Stefan Reusch bringen Neuenburger Stadthaus zum Kochen

Die Markgräfler Gutedelgesellschaft kennt sich kollektiv aus mit Kabarett. Seit bald 20 Jahren geben sich bei ihr die Besten der Besten sozusagen die Klinke in die Hand. 500 anspruchsvolle Kabarettfans sind es im Schnitt, die im Neuenburger Stadthaus das goutieren, was die guten Kontakte von Hermann Dörflinger und Co. an Qualitäts-Kleinkunst ins Markgräflerland hereinspülen.

Neuenburg am Rhein. Nach einer „Kabarett-Cuvée“ mit mehreren Auftritten im April durfte das Publikum zwei herauspicken, die es nochmals und dann in voller Länge sehen wollte. Der Griff war goldrichtig: Die Clownfrau Rosemie in ihrem unvermeidlichen Plisseekleidchen und der Weltenretter Stefan Reusch im Super-Reusch-Trikot (das zufällig ein bisschen an Superman erinnert), brachten bei einem genussvoll langen Abend wieder einmal das Stadthaus zum Kochen.

So unterschiedlich die beiden Figuren auf der Bühne agierten, so vollkommen war doch der Gesamteindruck. Rosemie zieht die Karte der verklemmten Schwäbin, die erst im Lauf des Abends entdeckt, was für ein Luder in ihr steckt. Bevor sie von einer europaweiten Kehrwoche oder noch besser von der Kehrwoche in einem New Yorker Wolkenkratzer zu träumen beginnt, erst einmal eine zünftige Stepp-Einlage. Das Rasseln der Absätze besorgen in ihrem Fall zwei „Bombole“, die sie dicht am Mikro gegen ihre Zähne prasseln lässt. Und – Überraschung – nach der Vorstellung wieder einpackt und einem der netten Herren in der ersten Reihe schenkt. Die haben es gut an diesem Abend, immer wieder kommt Rosemie von der Bühne herunter, um sie zu herzen und zu knuddeln, der Detlev und die ganzen anderen wissen kaum noch, wie ihnen geschieht.

Auf der Suche nach ihrer wahren Identität („Wer bin I?“) fördert die Schwäbin mit der Gummi-Mimik Philosophisches und durchaus Nachdenkenswertes über das Leben als Geschenk an sich zutage, ihre Dankbarkeit gipfelt im mit Blockflöte vorgetragenen Danke-Lied. Da ist das Publikum schon so aufgekratzt, dass es ungehemmt mitsingt. Und es freut sich ein Loch in die Mütze, als zum Finale des Häkel-Exkurses wieder das Alphorn zum Einsatz kommt, das immer noch nicht ganz fertig umhäkelt ist.

Rosemie ist eine versierte Tänzerin mit Ballett-Erfahrung, zusammen mit der trampelhaften Ungelenkigkeit der Schwaben-Mama gibt das eine explosive und zu Lachtränen rührende Mischung wie etwa das Besen-Ballett im Walzertakt.

Und dann kommt auf die Bühne der Meister der halben Sätze, in denen ganze Wahrheiten stecken: Stefan Reusch, im senfgelben Jackett mit dem roten Super-R auf dem Rücken. Er will die Welt retten und weiß erst gar nicht, wo anfangen. Bei den Panama-Papers, die irgend so ein Whistle-Fuzzi... oder bei den ganz bösen Buben Erdogan, Trump und Florian Silbereisen. Oder bei der SPD? Nein, das sei schon zu spät. Bereits nach einer Minute hat er ein gewaltiges Panorama der Themen entrollt. Doch dann stellt er sich erst mal ans Rednerpult und hält seinen Vortrag über Autos und Kinder, die beide mit Knowhow und viel Liebe zum Detail gefertigt werden und dann doch so unterschiedliche Plätze in der Familie besetzen. Damit hat er im April schon kräftig gepunktet.

Seine geschliffenen Bosheiten nutzen sich so schnell nicht ab. Ein zwerchfell-erschütterndes Glanzlicht sein halb-pantomimischer Bericht über die Verkaufsverhandlungen mit den Chinesen, die den Flughafen Hahn kaufen wollen, weil da kein „R“ im Namen ist.

Böse und lustig, die Kombination, die gutes Kabarett ausmacht – in Reusch hat sie den Meister gefunden. Seine Definition von Schach – ein Offline-Ego-Shooter-Spiel für kontaktgestörte Studienräte, bei dem die Bauern geschlagen werden und die Hälfte der Opfer Schwarze sind –, seine Fußnoten zum Brexit (kommen jetzt Boat-People über den Ärmelkanal?), wie er den europäischen Nationen den separatistischen Puls fühlt, das alles hat Würze und Klasse. Und erst recht sein „Schlusswort“, in dem er unter bewölktem Himmel auf die Sternschnuppe wartet, um sich was wünschen zu können. Also, warum nicht auch mal wunschlos glücklich sein?

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