Rüdiger Safranski hat kluge, sehr lesbare und deshalb auch erfolgreiche Bücher über Goethe und Schiller, Schopenhauer, Nietzsche, Heidegger und die Romantik geschrieben. Im Januar feierte der Literaturwissenschaftler, der einst gemeinsam mit Peter Sloterdijk Gastgeber des philosophischen Quartetts im ZDF war, seinen 70. Geburtstag. Nun also schreibt er über jenes Thema, das immer das erste und zugleich letzte sein wird, das Fragen aufwirft, auf die es keine Antwort geben kann, über den Urgrund allen Denkens und aller Philosophie. Im Juni kam er als Gast des SWR ins Literaturhaus, las erste Auszüge aus seinem neuen Buch, und hier schon wurden der Tonfall leiser Dringlichkeit sowie die sanfte Polemik deutlich, mit der Safranski sein Thema angeht.
Geld ist wichtiger als Gott
„Zeit – Was sie mit uns macht und was wir mit ihr machen“ will vor allem auch ein zeitgemäßes Buch sein. Die Skepsis, mit der Safranski eine Welt betrachtet, in der – globalisiert, vernetzt und von Strömen imaginären Kapitals durchzogen – jede Differenz verschwindet, drängt sich nicht in den Vordergrund, hat aber ihre konsequenten und erschreckenden Momente. „Vieles“, heißt es im Kapitel über die bewirtschaftete Zeit, „deutet darauf hin, dass von den beiden Grundfiktionen gesellschaftlichen Lebens nicht Gott, sondern das Geld schlechter zu entbehren ist“. Mit gewohnt leichter Hand führt Safranski durch schwieriges Gebiet, stellt knapp und deutlich dar, was Kant und Hegel, Nietzsche und Heidegger über die Zeit dachten, verweilt bei Bergson, Husserl und Sartre, erinnert, am Rande und mit Sympathie, an Jacques Derrida, ruft viele literarische Zeugen auf. Die steten Begleiter auf seiner Reise durch die Zeit sind Augustinus und – natürlich – Marcel Proust.