Von Dorothee Philipp Schliengen-Obereggenen. Bernhard Winterhalter hat recht: Er kann, ohne zu übertreiben, behaupten, dass er den schönsten Arbeitsplatz im ganzen Markgräflerland hat. Der ehemalige Bürgermeister von Kandern engagiert sich als Archivar auf Schloss Bürgeln. Arbeit gibt es für ihn reichlich. Auf ihn wartet ein Tisch voll mit rund 70 Aktenordnern und zahlreichen losen Blättern verschiedener Formate, die Lebensgeschichte des Bürgelnbundes, der seit seiner Gründung 1920 Eigentümer des Schlösschens ist: Protokolle, Korrespondenzen, zum Beispiel die der Lioba-Schwestern, die von 1948 bis 1971 hier ein Domizil hatten, Einkaufslisten, Handwerkerrechnungen, Zeitungsberichte, Gästelisten, Vorbereitungen für Empfänge, Menükarten, Inventarverzeichnisse, Urkunden und tausend andere Sachen. 70 Aktenordner zur Lebensgeschichte des Bürgelnbundes Winterhalter reiht sich mit seinem Einsatz ein in die Riege der Ehrenamtlichen, die sich in unterschiedlichsten Funktionen für die Erhaltung und Bewirtschaftung Bürgelns einsetzen. Er hat den Job des Archivars gewählt. Sein Arbeitsziel, das er in ungefähr einem Jahr erreicht haben will: Jeder, nicht nur die Eingeweihten, sollte alles jederzeit mit wenigen Handgriffen finden. Deshalb bekommt jeder Ordner ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, das gleichzeitig in einer digitalen Datenbank mit entsprechender Verschlagwortung abgelegt wird. Ein „Findbuch“ sozusagen. Der erste Schritt für diese Mammutaufgabe war das Zusammenführen aller Unterlagen. Auch im Kanderner Stadtarchiv ruhte einiges und an diesem Morgen hat Winterhalter erst wieder eine grüne Plastikwanne mit sieben Ordnern aus dem Schliengener Rathaus abgeholt. Eine ganze Gruppe von Ordnern beherbergt ausschließlich das Thema Instandhaltung und Versorgung, da ist im Lauf von 94 Jahren einiges zusammengekommen. Jetzt liegt alles in einem stuckgeschmückten Zimmer im Obergeschoss des Südflügels ausgebreitet auf einem mächtigen Holztisch, über dem ein Kristall-Kronleuchter schwebt, an der Wand hängt eine von Bürgelns zahllosen Rokoko-Uhren. Winterhalter hat sich mit seinem Laptop an den kleinen Bürotisch ans Fenster gesetzt und blättert vorsichtig in den zum Teil schon recht vergilbten Papieren. Vier bis fünf Stunden pro Woche will er hier in aller Ruhe sein Projekt vorantreiben, ohne Stress mit viel Zeit für eventuelle Nach-Recherchen. Von der Korrespondenz bis zur Anweisung für den Blumenschmuck „Schauen Sie mal hier, das ist die Korrespondenz mit Adolf Strübe. Er sollte bestimmen, welche seiner Bilder im Schloss aufgehängt werden sollen“, zeigt Winterhalter auf ein Bündel loser Blätter. „Oder hier: Eine exakte Anweisung zum Blumenschmuck für einen Empfang aus den Zeiten, als KWR-Direktor Albrecht Vorsitzender des Bürgelnbundes war“. „Schale oval 50 mal 30 cm, bunte Rosen, Rauchglas, großer Tisch Esszimmer“, steht da unter anderem. Am 19. Mai 1962 tagte eine Gruppe Studenten und Professoren der Uni Grenoble auf Bürgeln. 1963 gab es im April eine Tagung von internationalen Vertretern der Energiewirtschaft mit Teilnehmern aus Italien, Belgien, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Spanien und Großbritannien. „Bürodienerin Baldisweiler in schmucker Uniform steht den Teilnehmern zu Diensten“, lautet hier die Anweisung des Protokolls.
Schliengen Archivar auf Schloss Bürgeln
Weiler Zeitung 20.08.2014 - 23:34 Uhr