Schliengen Schaurige Anekdoten im Weinkeller

Weiler Zeitung
Feine Tischkultur im Rokokoschlösschen: Bei der Führung mit Wolfgang Hartig (Mitte) Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

Schloss: Kurzweilige und spannende Führung mit Wolfram Hartig / „Bürgeln zwischen Propst und Prost“

Wie schreibt man denn nun, Propst oder Probst? Das ist keineswegs eine triviale Frage, selbst in der Ankündigung der jüngsten Sonderführung auf Schloss Bürgeln steht etwas von „Probst“. Also fängt Schlossführer Wolfram Hartig damit an, was es mit diesem Begriff auf sich hat.

Schliengen-Obereggenen. Aus dem lateinischen „praepositus“ hergeleitet, ergibt sich ganz klar: zweimal „p“. Und Bürgeln war eine vom Propst verwaltete Art Finanzamt für Naturalien, an Speis und Trank herrschte hier niemals Mangel.

Schloss Bürgeln birgt noch viele Geschichten

30 Interessierte sind zur Sonderführung gekommen, viele von ihnen kennen das Schloss schon ganz gut, einige sind zum ersten Mal hier, aber alle werden am Ende sagen, dass es immer wieder Neues zu entdecken gibt in dem weitläufigen Gemäuer, das noch viele Geschichten beherbergt.

Zunächst gibt es ein Gläschen Wein, denn das Thema der Führung heißt genauer „Bürgeln zwischen Propst und Prost“, und es wird auch gerne nachgeschenkt.

Später im Bildersaal werden die Schlossbesucher unter anderem Propst Aloys Mader treffen, den Mann, der auf Geheiß des Fürstabts von St. Blasien, Meinrad Troger, ab 1762 die ersten Bauarbeiten am heutigen barock-klassizistischen Bagnato-Bau in die Wege geleitet hat.

Noch im Foyer erfahren die Besucher, wie es die großen Weltreligionen mit dem Weingenuss hielten, und dass Noah seinen Vollrausch unbeschadet überstanden hat. Immerhin 950 Jahre soll er alt geworden sein. Und was es alles für Hintertürchen gibt, die strengen Fastengesetze der katholischen Kirche zu unterlaufen! Zum Freitagsfisch konnte beispielsweise alles erklärt werden, was in der Nähe von Wasser lebte. Ein kleiner thematischer Exkurs führt dann zur Wasserversorgung des Schlosses, die auch einen Karpfenteich gespeist haben soll, aber nicht unbedingt für übertriebene Körperhygiene gebraucht wurde. Kirchenvater Augustin fand ein- bis zweimal baden pro Jahr völlig ausreichend.

Schenkungsfreudiger Adel stand Schlange

Dann geht es hinunter in die Tiefen des Kellers, wo vor noch nicht allzu langer Zeit ein Stützpfeiler und das Gewölbe der ehemaligen Unterkirche gefunden wurden. Der Ritter von Kaltenbach erkaufte sich mit seiner Schenkung an die Kirche ein besonders behagliches Plätzchen im Himmel, nicht ungewöhnlich in jener Zeit. Der schenkungsfreudige Adel stand vor den Pforten von St. Blasien geradezu Schlange: über 50 Urkunden und zahlreiche Stifterbilder berichten vom rasant wachsenden Reichtum des Benediktinerklosters.

Hartig erinnert daran, dass es Benediktinermönche waren, die die Rezepturen für den Bénédictine, eine der begehrtesten Likörspezialitäten Frankreichs, entwickelt haben. Wie damals wohl der Wein geschmeckt hat? Nicht zu vergleichen mit heute, darin sind sich alle einig. Oft auch benutzt, um eventuell verkeimtes Wasser genießbar zu machen.

Auch der richtige Weinkeller, in dem vermutlich auch Aloys Mader seine Fässchen lagerte, wird besichtigt: Hier hört man Schauriges aus den Bauernkriegen, von einer zur Drohung an St. Blasiens Türpfosten genagelten Hand eines Rebellenführers und von der Goldenen Sau zu Kandern, aus der man beim Begrüßungstrunk tiefe Züge nehmen konnte.

Oppenheimer fünf Meter in die Tiefe gestürzt

Hatte der große Soziologe Franz Oppenheimer vielleicht auch einen Zug zu viel aus dem Becher genommen, als er auf Bürgeln bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Beobachten der Gestirne, über eine Gartenmauer fünf Meter in die Tiefe stürzte?

Dann geht es wieder treppauf und weiter durch die eleganten Zimmerfluchten des Südflügels, in den Salon, wo sich früher die bescheidene Gastwirtschaft der Brenners befand, die vor der Ära Gleichenstein und Sichler hier müde Wanderer und Spaziergänger verköstigte. Und wann sitzt man schon einmal mit dem vollen Weinglas in der Hand in einer Kirchenbank? Andächtig gehen in der Kapelle die Blicke nach oben zum ovalen Deckengemälde mit der Taufe Jesu. Jetzt ist die rechte Zeit, das Thema Messwein zur Sprache zu bringen. Und bald ist man auf dem Weg zur letzten Station, dem Bildersaal, wo Hartig einige der wichtigsten „Promis“ von dermaleinst vorstellt, unter ihnen auch der edle Großherzog „Karlfrieder“.

Bürgeln zu voller Blüte gebracht

Der kunstsinnige Fürstabt Martin Gerbert war es, der Bürgeln zu voller Blüte brachte, die Sparkasse Bonndorf gründete, um den Juden nicht völlig das Finanzgeschäft zu überlassen und der Familie Roth am Schluchsee das Gasthaus abkaufte und daraus eine Brauerei machte.

Ausklang im Foyer: Mit Hebels „Abendlied“ beschließt Hartig die kurzweilige und spannende Runde durch das Schloss.

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