Schopfheim Abschied vom Schwarz-Weiß-Denken

Markgräfler Tagblatt

Podiumsdiskussion: Erfahrungsaustausch zum Thema Integration mit der alevitischen Gemeinde

Auf Initiative des CDU-Kreisverbands Lörrach fand am Samstag ein Erfahrungsaustausch zum Thema „Integration von Flüchtlingen“ mit der alevitischen Gemeinde in Schopfheim statt. Was sowohl beim gemeinsamen Essen als auch bei der Podiumsdiskussion mit dem Bundestagsabgeordneten Armin Schuster zelebriert wurde, sind Zutaten für eine gelungene Integration: Kommunikation, Offenheit, Toleranz und Neugier – von beiden Seiten.

Schopfheim. Neugier hatten sowohl CDU-Mitglieder als auch Mitglieder der alevitischen Gemeinde aus Schopfheim und Umgebung gezeigt. Das Gemeindehaus neben der „Alten Färberei“ war gut besucht und es fand ein reger Austausch bei alevitischen Köstlichkeiten statt. Aleviten leben schon seit Jahrzehnten in Deutschland, die ersten kamen als Gastarbeiter Anfang der 60er Jahre her. Die Alevitische Gemeinde Schopfheim und Umgebung umfasst 60 Familien.

Was ist das Alevitentum?

Das Alevitentum ist eine eigenständige islamische Religion. Für Aleviten haben die sogenannten fünf Säulen des Islams keinen hohen Stellenwert, sie verrichten nicht das Ritualgebet (Salat), und brauchen zum Beten keinen besonderen Raum und keine spezielle Zeit. Der Koran ist für Aleviten kein Gesetzbuch, sondern die Niederschrift von Offenbarungen, die kritisch gelesen werden dürfen. Die Frauen sind nicht verschleiert, sie haben dieselben Rechte und Pflichten wie die Männer. „Für uns ist Bildung, Dialogbereitschaft, Reformfreudigkeit und Toleranz essenziell“, sagte Dede Zeynel Arslan, geistlicher Vertreter der alevitischen Gemeinde.

Fremd im eigenen Land

Als Sinad Gottschalk, Islamwissenschaftlerin und Tochter eines Afghanen und einer Deutschen, einmal von einer Frau gefragt wurde, woher sie denn komme, hatte sie ganz selbstverständlich „Hüsingen“ geantwortet. „Nein nein, woher Sie wirklich kommen“, hatte die Frau dann entgegnet – eine typische Situation. Sinad Gottschalk ist in Deutschland geboren, kennt aber beide Seiten. Als ihre Familie 1979 nach dem Einmarsch der Russen in Afghanistan nach Deutschland kam, seien sie offen empfangen worden. Doch besonders die Geschehnisse um den 11. September 2001 hätten etwas verändert: Distanz und Ängste seien dem Fremden gegenüber worden. „Integration kann nur gelingen, wenn auch der Gegenüber bereit ist, sich zu öffnen“, sagte Sinad Gottschalk.

„Integrationstrendsetter“

Der Bundestagsabgeordnete Armin Schuster gestand, dass er bei einem möglichen Migrationshintergrund auch immer nachfrage, woher jemand komme. Dies solle aber keine Anfeindung sein, sondern vielmehr Interesse zeigen: „Das Fremde finde ich immer spannender, das Eigene kenne ich ja schon.“ Was die alevitische Gemeinde verkörpere, sei vorbildlich, vor allem das Interesse an der deutschen Kultur. Für ihn seien die Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft „Integrationstrendsetter“.

Umdenken in der Politik

Deutschland habe ein „hohes Maß an Neugier“ gezeigt und Flüchtlinge zu Beginn der Flüchtlingswelle mit „offenen Armen“ empfangen, sagte Schuster. „Wir wollen den Asylbewerbern alles ermöglichen, was es hier gibt, jedoch müssen wir uns auch von denen verabschieden, die keinen Asylanspruch haben“, so der Bundestagsabgeordnete. Negativ-Beispiele von Flüchtlingen, die keinen Asylanspruch haben und die Großzügigkeit ausnutzten, hätten zum Ausbau des „braunen Sumpfes“ beigetragen. Dies habe mittlerweile auch die Politik gemerkt, sodass genauer hingeschaut werde. Die 630 000 Flüchtlingshelfervereine seien das „Grundkapital für die Integrationspolitik“, sagte Schuster. Jedoch appellierte er auch an die muslimischen Verbände, die das Geschehen meist nur beobachten würde, mehr zur Integration der Asylbewerber beitragen.

Gelingende Integration

Zuerst einmal müsste das Schwarz-Weiß-Denken abgelegt werden, sagte Dede Zeynel Arslan. „Den einen Islam gibt es nicht – man muss genau hinschauen“, ergänzte Sinad Gottschalk. Die Aleviten würden nicht nach Unterschieden, sondern vielmehr nach Gleichheit suchen. Gottschalk sprach von einem „Ritualtransfer“, bei dem der christliche und islamische Glaube kompatibel seien. Der Schlüssel für Integration sei die Sprache – da waren sich alle Beteiligten einig. Auch sollte man vorhandene Möglichkeiten nutzen, statt neue Angebote für Flüchtlinge zu schaffen. Wichtig sei auch, Ängste abzubauen, denn beide Seiten hätten Angst, die eigene Kultur zu verlieren, erklärte Arslan.

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