Schopfheim Das Unmögliche geht - nur anders

Markgräfler Tagblatt

Ausstellung über den Alltag von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Kulturfabrik eröffnet.

Schopfheim (jab). Gelb-schwarz gestreifte Barrieren stehen kreuz und quer im Weg herum, von der Decke hängen Stoffbahnen herab und verwehren den freien Blick.

So ganz unbehindert kommt man nicht hinein in aktuelle Ausstellung in der Kulturfabrik - und das ist so gewollt: Unter dem Titel „Geht schon - geht anders“ gibt die Ausstellung einen Eindruck von den zahllosen Barrieren und Herausforderungen, mit denen es behinderte Menschen zu tun haben – ebenso aber von den Hilfsmitteln und Strategien, mit denen sie ihren ganz normalen Alltag bewältigen.

Der optimistische Unterton, der im Titel der Ausstellung anklingt, ist Programm: „Die Ausstellung soll nicht düster sein“, erklärte Reiner Faller, Behindertenbeauftragter des Landkreises, im Rahmen der Vernissage am Sonntag.

Vielmehr soll sie anregen und inspirieren, Beispiele für die praktische Lebensbewältigung geben, und schon auch mal zum Schmunzeln anregen: „Scheinbar Unmögliches geht durchaus - anders eben“, so eine zentrale Botschaft. Illustriert wird das durch Objekte, Schautafeln und Videoinstallationen entlang zentraler Alltagsthemen wie Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Bildung: Das unterfahrbare Waschbecken, dank dem Rollstuhlfahrer überhaupt mit den Händen an den Wasserhahn reichen, die Sprachausgabe, die Blinden das Arbeiten am PC ermöglicht oder der Füllstandanzeiger, der ihnen signalisiert, wenn die Tasse voll ist - „bei Heißgetränken erfühlt man das ungern mit dem Finger.“ (Faller)

Nicht allein um Infos geht es - die Ausstellung will dem Besucher Barrieren erfahrbar machen und Handicaps erspüren lassen: Eine spezielle Brille gaukelt eine starke Sehbehinderung vor, ein Blindenstock lädt ein, sich ein paar Schritte mit geschlossenen Augen zu orientieren, und ein Rollstuhl zum Manövrierversuch. An der hinteren Wand wartet eine Botschaft in Gehörlosensprache darauf, entschlüsselt zu werden.

Besonders eindrücklich und persönlich gibt ein eigens für die Ausstellung gedrehter Film mit Irena Rietz und Dirk Furtwängler aus Lörrach einen Einblick den Alltag einer Rollstuhlfahrerin und eines Blinden.

Die zentrale Botschaft: Behinderte Menschen wollen ein möglichst eigenständiges Leben führen und alltägliche gesellschaftliche Teilhabe - Feiern, Ausgehen, Arbeiten, Musizieren, den Ausflügler geben und Sporteln inklusive. Gewitzt umgesetzt wird dies durch eigens entworfene Piktogrammen, die sich als gelb-schwarzer Faden durch die Ausstellung ziehen. „Der Mensch darf nicht über die Behinderung definiert werden“, stellt der zugehörige Infoblock klar.

Gleichwohl blickt die Ausstellung keineswegs durch die rosa Brille. Deutlich werden die zahllosen Stellen benannt, an denen es noch hapert in Sachen „Barrierefreiheit“: Die „behindertengerechte Toilette“, die denn doch eher eine Abstellkammer ist, fehlende Orientierungshilfen im öffentlichen Raum, Wohnungen, die schlicht zu eng sind für einen Rollstuhl, öffentliche Gebäude, die für Gehbehinderte nicht zugänglich ist, Vorbehalte von Arbeitgebern und Mitmenschen allgemein,.... „Nicht-Behinderte sehen Hindernisse nicht“, stellte Wolfgang Bartsch, als Vorsitzender des Schopfheimer Behindertenbeirates im Rahmen der Vernissage fest. Weit davon entfernt, daraus einen Vorwurf zu machen, bekannte er in Erinnerung an die Zeit vor seiner Gehbehinderung: „Früher sind auch mir keine Barrieren aufgefallen.“ Um so wichtiger sei es, das entsprechende Bewusstsein in der Gesellschaft zu wecken, denn: „Veränderung setzt einen Wechsel des Blickwinkels voraus.“ In einer sehr persönlich gehaltenen Ansprache dankte Bartsch seinen Helfern im privaten Umfeld wie auch den zahlreichen Personen, die bei der Vorbereitung der Ausstellung geholfen haben und die Arbeit des Behindertenbeirates unterstützen.

„Das Thema ist wahnsinnig wichtig“, erklärte Bürgermeister Christof Nitz und sprach dem vor drei Jahren ins Leben gerufenen Behindertenbeirat um seinen Vorsitzenden Wolfgang Bartsch namens Stadt, Gemeinderat und Verwaltung große Anerkennung für seine Arbeit aus: Mit Bartsch stehe ein sehr aktiver Mensch an der Spitze des Behindertenbeirats, „der nicht nur redet, sondern die Menschen mitnimmt und erspüren lässt, was es bedeutet, gehandicapt zu sein.“ „Ich finde es toll, was sie machen. Wir nehmen ihre Anregungen immer gerne auf“, betonte Nitz. Wichtig sei vor allem auch, dass junge Menschen sich mit dem Thema auseinandersetzten, betonte Nitz und appellierte an die Schulen, die Ausstellung in der Kulturfabrik zu besuchen.

Die Wanderausstellung wurde im vergangenen Jahr vom „Arbeitskreis barrierefreier Landkreis“ konzipiert und ist auf Initiative des hiesigen Behindertenbeirates seit Sonntag in Schopfheim zu sehen. Flankiert wird die Informationsausstellung des Behindertenbeirats von einer Kunstausstellung mit Werken aus der Tagesgruppe der Lebenshilfe Lörrach, die im Rahmen der Vernissage von Doris Faller vorgestellt wurden.

Die Ausstellung ist bis 12.Oktober zu sehen, jeweils montags, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr; Gruppen, Schulklassen und ähnliche Gruppen jederzeit nach Vereinbarung, Tel. 07622 / 4465.

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