Schopfheim „Den Flüchtlingen ist mit dem Rumgeeiere nicht geholfen“

Markgräfler Tagblatt

„Ja, aber...“: Lange Debatte im Gemeinderat über die Standortfrage einer Notunterkunft / Nitz: „Brauchen schnelle Lösung“

Schopfheim (ma). „Das sind überraschende Informationen“, sagte Thomas Gsell (SPD), der aber dennoch für die Zeltlösung stimmte.

„Überrumpelt“ fühlte sich auch Heidi Malnati (CDU). Sie sagte, wenn eine Unterkunft in der Kulturfabrik entstehe, müssten weniger Flüchtlinge nach Fahrnau kommen; Bürgermeister Christof Nitz erinnerte aber daran, dass man nicht zwei, sondern nur einen Standort wolle. Mark Leimgruber (CDU) hielt eine Zeltlösung weder für die Flüchtlinge noch für die Anwohner für wünschenswert. Die vom Bürgermeister geforderte Flexibilität könne er hier nicht zeigen. Er sei dafür, dass auch andere Möglichkeiten geprüft würden.

Karlheinz Markstahler (Freie Wähler) hielt an der Kulturfabrik als Standort fest, da man nicht wisse, wie lange es dauere, bis der Standort Fahrnau tatsächlich bezugsfertig sei. Der Landkreis sei bestrebt, so Gerhard Blattmann vom Landratsamt, Verzögerungen zu vermeiden und nur Firmen bei der Ausschreibung für die Container, die in Fahrnau aufgestellt werden, zuzulassen, die garantieren können, innerhalb von vier Monaten Container nach Fahrnau zu liefern, „der Bauzeitenplan ist Vertragsgrundlage“. Hier hatte Bürgermeister Nitz nachgefragt, weil Container derzeit bundesweit Mangelware sind. Hildegard Pfeifer-Zäh (Freie Wähler) regte an, parallel zur jetzt geplanten Notunterkunft Überlegungen für eine feste Unterkunft anzustellen.

Michael Straub (Grüne) kritisierte die Informationspolitik des Landkreises bezüglich der Flüchtlingszahlen. Die Kulturfabrik komme als Standort nicht in Frage, das Oberfeld aber ebenso wenig, so Straub, der für den Bolzplatz den Anfang einer Bebauung fürchtete. Es gebe noch andere Möglichkeiten für eine Notunterkunft, zum Beispiel den Parkplatz beim alten Musikhaus an der Wiese, wo eine Traglufthalle aufgestellt werden könnte. Der Kauf einer solchen kostet indes laut Gerhard Blattmann vom Landratsamt rund 1,5 Millionen Euro.

Michael Straub sagte in einer persönlichen Erklärung, von den Grünen werde kein Nein zur Notunterkunft kommen, aber es gebe andere Möglichkeiten; etwa dass 50 Flüchtlinge in der alten Färberei untergebracht werden. Straub schlug unter anderem das evangelische Pfarrhaus bei der Kirche als weiteren Standort vor, den Skater-Platzoder den ersten Stock im Krafft-Areal. Straub erklärte, seine Zustimmung wegen der Flüchtlinge geben zu wollen, aber nicht zuzustimmen wegen des Oberfeld-Platzes. Der Standort der alten Färberei könne geprüft werden.

Ernest Barnet (Grüne) sagte, die Idee, die alte Färberei für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, stamme von ihm. Barnet schlug auch vor, die alte Alemannenhalle in Maulburg miteinzubeziehen. Gerhard Blattmann vom Landratsamt versicherte indes, keine Gemeinde bei der Standortprüfung „zu vernachlässigen“.

Gustav Blessing (Unabhängige) schlug vor, eine Firma einzubeziehen, die Holzhütten baue. Angesichts einer Amortiserungszeit von vier Jahren - die Notunterkunft soll nur wenige Monate Bestand haben - schlug Nitz dies aus. Aus Brandschutzgründen wurde dies ebenfalls abgelehnt.

Kai Horschig (Unabhängige) erinnerte seine Ratskollegen, die lange Bedenken vorgetragen hatten, an ihre gesellschaftliche Verantwortung. Der Landkreis habe ein Problem, die Stadt habe die Verpflichtung mitzuhelfen. Die Unabhängigen seien wie die Verwaltung für die Kulturfabrik als Standort für die Notunterkunft gewesen, doch aufgrund der neuen Faktenlage befürworte er das Oberfeld. Denn: „Den Flüchtlingen ist mit dem Rumgeeiere nicht geholfen.“ Hans-Jörg Klein (SPD) rief dazu auf, schnell eine Lösung zu finden. Für die abschätzbare Zeit müsse die Zeltlösung für die Anwohner zumutbar sein, auch wenn sie keine Zierde darstelle. In Fahrnau und Wiechs würden die Flüchtlinge viel länger untergebracht sein.

Bürgermeister Nitz redete den Stadträten ebenfalls ins Gewissen, das Thema nicht zu vertagen, sondern schnell Hilfe zu ermöglichen. Wünschenswert sei eine Zeltlösung nicht. Aber es gebe immer gegen alles Gründe, besonders dann, wenn man selbst betroffen sei. „Wir sind gefordert, eine schnelle, flexible Lösung zu finden und dem Landkreis zu helfen, wo wir können.“ Er finde es verwerflich, so Nitz, wenn man die Flüchtlingsfrage mit dem Thema „Bebauung im Oberfeld“ mische.

Schopfheim (ma). Überraschende Wende bei der Ratssitzung am Montagabend: Aufgrund neuer Informationen beschloss das Gremium, dass die Stadt dem Landkreis auf dem Oberfeldplatz eine Fläche von zirka 1000 Quadratmeter zur Unterbringung von maximal 100 Flüchtlingen zur Verfügung stellt, bis die Gemeinschaftsunterkunft in Fahrnau bezugsfertig ist.

Die alternativ vom Gemeinderat vorgeschlagene „Alte Färberei“ kommt nach Prüfung durch das Landratsamt als Notunterkunft nicht weiter in Frage. Das Gebäude biete zu wenig Platz, und notwendige Umbaumaßnahmen würden den Bezug zu lange hinauszögern, teilte das Landratsamt gestern mit.

Die von der Stadtverwaltung und auch teilweise von Fraktionen bevorzugte Variante, die leerstehende Halle der Kulturfabrik zur Notunter-

Kulturfabrik zu teuer

kunft umzubauen (wir berichteten), scheidet aus Zeit- und Kostengründen aus.

Der Ratssaal war proppenvoll, Bürger und fast alle Stadträte meldeten sich zu Wort (siehe separaten Bericht). Michael Laßmann, Dezernent beim Landratsamt Lörrach und Koordinator für Flüchtlingsunterbringung, machte deutlich, dass der Landkreis unter großem Zeitdruck steht. Im August gebe es 200 neue Zuweisungen, im September 300, dann seien die Kapazitäten ausgeschöpft.

Gerhard Blattmann vom Fachbereich Planung und Bau beim Landratsamt, erläuterte, dass das Amt zwei der von der Stadt vorgeschlagenen Möglichkeiten geprüft habe: den Standort Kulturfabrik und den Standort Oberfeld.

Würde die Halle in der Kulturfabrik gewählt werden, wären umfangreiche bauliche Maßnahmen vonnöten, sagte Blattmann. So müssten ein zweiter Rettungsweg in Richtung Bahn sowie sanitäre Einrichtungen gebaut werden; auch müssten Arbeitsplätze für Heimleitung und Betreuer geschaffen werden. Es gebe kein Abwasser, auch die Heizung funktioniere in der Halle nicht. Handwerksfirmen seien indes derzeit ausgebucht. Noch dazu gehe man hier von einer Bauzeit von drei Monaten aus. Ob sich dies für eine Unterbringung für die Dauer von übriggebliebenen rund zwei Monaten (bis die Gemeinschaftsunterkunft in Fahrnau bezugsfertig ist) lohne, sei fraglich. Zudem würden die Umbaukosten für die Halle mindestens im sechsstelligen Bereich liegen.

Eine witterungsfeste Einrichtung im Oberfeld mit Zelten in Leichtbauweise, wie sie etwa auf der Regio-Messe in Lörrach verwendet würden und die beheizbar seien, wäre laut Blattmann möglich. Matsch werde es bei Regenfällen aufgrund verschiedener Maßnahmen nicht geben. Das Landratsamt teilte gestern mit, von einer Firma eine sogenannte Leichtbauhalle zu erhalten. Geplant ist nun laut Ratsbeschluss, dem Landkreis eine Fläche von 1000 Quadratmeter zur Verfügung zu stellen - von der Christlichen Schule in der Stettiner Straße aus gesehen - links. Der Platz umfasst insgesamt 7000 Quadratmeter. Die Freifläche, die die Schule benötigt, wäre nicht tangiert, ebenso könnte der Bolzplatz noch genutzt werden, auch von den Flüchtlingen, die ebenfalls eine Freifläche benötigen. Abwasser, Wasser und Strom seien vorhanden, sagte Gerhard Blattmann, die Erschließung würde relativ schnell vonstatten gehen können. Es könne mit einer schnellen Umsetzung innerhalb von eineinhalb Monaten gerechnet werden. In spätestens sechs Monaten, so der Landkreis, würden die Flüchtlinge in die neuen Container in Fahrnau umziehen, die nach jetzigem Planungsstand im Januar 2016 bezugsfertig seien.

Die Stadtverwaltung habe ihre Standortprüfungen ohne die Kostenfrage vorgenommen, sagte Bürgermeister Nitz. Auch städtische Parkplätze wie das ehemalige SBG-Gelände seien außen vor geblieben, da man sich nun mal für die Parkraumbewirtschaftung entschieden habe. Doch nun müsse man flexibel sein und die Standortfrage neu bewerten. Lediglich Jeannot Weißenberger (CDU) stimmte gegen den Beschluss, außerdem gab es drei Enthaltungen.

Landrätin Dammann zeigte sich dankbar gegenüber der Stadt. Durch die schnelle Reaktion des Gemeinderats könne der Landkreis rechtzeitig einen Teil der angekündigten Flüchtlinge unterbringen.

Schopfheim (ma). Das Interesse am Thema Notunterkunft für Flüchtlinge zog zahlreiche Bürger zur Sitzung in den Ratssaal. Dabei wurden verschiedene Themen angesprochen.

Ein Bürger erkundigte sich nach der Beheizbarkeit der Zelte, da es ja in den Winter hineingehe; die Zelte sind indes beheizbar.

Ein Anwohner der Schwarzwaldstraße befürchtete, dass die Tür zur Kulturfabrik zu klein sei für 100 Flüchtlinge und diese deshalb sein Grundstück betreten müssten. Ohne Zaun wäre eine Unterbringung aus seiner Sicht nicht möglich gewesen. Ein anderer Anwohner machte auf sein Bienenhaus aufmerksam.

Ein Anwohner des Bolzplatzes im Oberfeld sorgte sich um die Schulkinder, die bei einer Zeltlösung möglicherweise keinen Pausenplatz mehr hätten; da nur 1000 Quadratmeter von dem 7000 Quadratmeter großen Platz mit Zelten bebaut werden sollen, wurde dieser Einwand aber entkräftet.

Ein anderer Bürger sprach sich für die Hebelschule als Standort aus, dies scheidet aufgrund der Schulnutzung aber aus. Auch das Vogelbachareal kommt laut Bürgermeister Nitz nicht in Frage. Ein anderer Besucher kam ebenfalls auf leerstehende private Häuser zu sprechen. Diese Suche sei leider ergebnislos verlaufen, sagte Bürgermeister Nitz.

Roman Bockemühl bot an, die alte Färberei zur Verfügung zu stellen; er wolle gerne darüber sprechen. Doch dort hätten lediglich 50 Flüchtlinge Platz, wie es hieß. Nitz dankte Bockemühl für dieses Angebot für eine Interimslösung. Ob sich der Standort eigne, müsse jedoch vom Landratsamt geprüft werden.

Wer vor Ort helfen will, wendet sich mit Kontaktdaten und Hilfsangebot an Martina Hinrichs, persönliche Referentin der Landrätin. E-Mail: martina.hinrichs@loerrach-landkreis.de.

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