Schopfheim „Denken ist immer eine Machtfrage“

Markgräfler Tagblatt
Lebenslügen entlarven will Professor Gerber mit seinen Denkanstößen.           Foto: Petra Martin Foto: Markgräfler Tagblatt

Am 21. Oktober startet eine Vortragsreihe von Professor Gerber zu Themen, die die Gesellschaft bewegen

Schopfheim (ma). Ist der Weg des rasant beschleunigten Arbeitsalltags der richtige? Ist absolute Freiheit um jeden Preis wünschenswert, auch wenn dabei ethische Prinzipien über Bord gehen? Gibt es eigentlich die absolute Wahrheit? Was passiert, wenn der Kurs nicht geändert wird?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich fast jeder - und alle machen trotzdem weiter. Vielleicht lohnt sich ein Innehalten, wenn wichtige Gesellschaftsthemen einmal jenseits des „Mainstream“ reflektiert werden. Dazu jedenfalls lädt Uwe Gerber ein. Der Theologieprofessor im (Un-)Ruhestand will an fünf, jeweils einstündigen Themenabenden in der Regio-Buchhandlung Denkanstöße geben.

Dazu hat er unterschiedliche Fragestellungen aufgeworfen; so fragt er - ganz aktuell -, wie politisch Religion sein darf und wie religiös der Staat, oder ob die Menschen angesichts des ungebremsten Konsum- und Wachstumskurses vor einem Kollaps stehen. Uwe Gerber, Emeritus für systematische Theologie, nimmt Stellung zum Streit über Vernunft- und Glaubenswahrheit und bezieht Position zur Überzeugung vor allem junger Menschen, Gott sei in der Natur zu finden. Den Auftakt aber machen Gerbers Ausführungen zum Neoliberalismus - und diese sind nicht auf den sozialen Gesichtspunkt beschränkt. Wer glaube, das Internet führe zu einer Demokratisierung der Gesellschaft, irrt sich laut Gerber, der hier die Frage nach Verbindlichkeit aufgreift: „Unsere Gesellschaft bricht immer mehr auseinander in einzelne Interessengruppen und vereinsamende Individuen. Wirklich frei lebt man in Beziehungen, die auf gegenseitige Achtung und Verpflichtung gegründet sind.“

Die Individuen der digitalen Gesellschaft vereinsamen

Die fünf Themenabende enthalten verbindende Elemente, denn Uwe Gerber hat sich dabei an folgenden Fragen orientiert: Wer hat in Europa die Deutungshoheit? - „Denken ist immer auch eine Machtfrage.“ Was ist ein gutes Menschsein? Die Antwort Gerbers umfasst auch das große Thema Sterbehilfe. Wie soll eine Gesellschaft aussehen, welche Hierarchien von Werten, Tugenden und Normen will die Gesellschaft haben? Und welche Rolle spielen Religionen heute? Haben diese in der heutigen Zeit lediglich eine Wohlfühlfunktion zur Erleichterung des Daseins?

Uwe Gerber gibt zu, provozieren zu wollen. „Ich sehe das als Chance.“ Denn die Gesellschaft werde bei ihren Gratwanderungen alleingelassen, die Gefahr des Absturzes bestehe. Überforderte Individuen, die für alles im Leben selbst verantwortlich sein sollen: Schon kleinen Kindern werde in bestimmten Dingen zu viel abverlangt, sagt Gerber, der dazu aufruft, das eigene Leben und die Versprechen der westlich-neoliberalen Welt zu überdenken.

Uwe Gerber hat nach zahlreichen - mit 30 bis 40 Zuhörern stets gut besuchten - Vorträgen in Schopfheim, darunter im „west-östlichen Diwan“, und in Weil am Rhein erneut das Angebot erhalten, eine Vortragsreihe mit Leben zu erfüllen. Immer wieder sei er gefragt worden, Stellung zu nehmen zu bestimmten Entwicklungen, die in der Gesellschaft auftreten, und diese theologisch und philosophisch auseinanderzunehmen. In der Markgrafenstadt bestehe ein gehobenes intellektuelles Bedürfnis nach solchen Reflexionen.

Sein Publikum, so Gerber, sei indes bunt gemischt; gesteigertes Interesse zeigten freilich besonders Pädagogen, ehemalige Lehrer, Studien- und Oberstudienräte, aber auch sozial Schaffende, Pfarrer und Theologen. „Das Niveau liegt zwischen einer Uni-Vorlesung und einem durchschnittlichen VHS-Vortrag“, erläutert Uwe Gerber, der der Stadt mit den Vorträgen und Denkanstößen „ein Stück Kultur“schenken will.

Übersicht über die Themenabende mit Professor Uwe Gerber: Mittwoch, 21. Oktober: „Das Projekt ‘neoliberaler Mensch’“, Mittwoch, 25. November: „Wie politisch darf Religion sein - wie religiös kann der Staat sein?“, Mittwoch, 20. Januar 2016: „Ist der Streit um absolute Vernunftswahrheit oder Glaubenswahrheit überholt?“, Mittwoch, 24. Februar: „’Ich finde Gott in der Natur.’ Oder: Was ist Pantheismus?“, Mittwoch, 20. April: „Wachstum: Stehen wir vor dem Kollaps?“

Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr in der Regio-Buchhandlung. Um Anmeldung wird gebeten unter Tel. 07622/668 000 oder per E-Mail an: regiobuch@t-online.de.

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