Schopfheim „Der Austausch ist das Wichtigste“

Markgräfler Tagblatt
Feiern mit ihrer Selbsthilfgeruppe den 30. Geburstag (von links): Helga Fratamico, Ursula Döring und Gisela Reinert. Foto: Werner Müller Foto: Markgräfler Tagblatt

Selbsthilfegruppe: Angehörige psychisch Kranker treffen sich seit 30 Jahren  / Ambulante Hilfen fehlen

Von Werner Müller

Ein Jubiläum (nicht ganz) im Stillen: Die Selbsthilfegruppe (SHG) für Angehörige von psychisch Kranken feiert dieser Tage ihr 30-jähriges Bestehen – und nimmt dies zum Anlass, erneut auf ihr nach wie vor aktuelles Anliegen aufmerksam zu machen.

Schopfheim. „Es war ein Wagnis, damals an die Öffentlichkeit zu gehen“, blickt Ursula Döring, die Gründerin der SHG, auf die Anfänge im Jahr 1987 zurück.

In der Tat: Über psychische Erkrankungen in der Familie redete man damals nicht, es war ein Tabu. Außerdem gab es seinerzeit im Kreis Lörrach weder für die Kranken selbst noch für deren Angehörige – außer den einschlägigen Kliniken in Emmendingen oder

auf der Reichenau – sowie den Fachärzten irgendwelche Anlaufstellen.

„Hier war ein weißer Fleck“, so Ursula Döring. Erst als sich 1988 der Sozialpsychiatrische Dienst im Landkreis etablierte, hatten die Betroffenen einen Ansprechpartner.

Der Wunsch, mehr Informationen über psychische Erkrankungen zu sammeln und Hilfsmöglichkeiten auszukundschaften, stand denn auch Pate bei der Gründung der SHG. „Zentrales Anliegen“ vor allem zu Beginn war zudem das Bedürfnis, sich mit anderen Angehörigen psychisch Kranker auszutauschen und „mal offen über Probleme zu reden mit jemanden, der ganz genau weiß, um was es geht.“

Denn gerade am Anfang, wenn die Angehörigen zum ersten Mal mit der Erkrankung eines Familienangehörigen konfrontiert sind, sei die „Hilflosigkeit“ doch groß, räumen Ursula Döring und ihre Nachfolgerin als Gruppenleiterin, Helga Fratamico, ein. Da sei es gut zu erfahren, dass man mit all den Problemen nicht alleine sei.

Die SHG, in den ersten Jahren in Steinen angesiedelt, hatte denn auch von Anfang großen Zulauf. „Zuerst waren wir vier oder fünf in der Runde“,erinnert sich Ursula Döring. In den Folgejahren kamen mitunter über 20 Teilnehmer zu den monatlichen Treffen. Auch heute noch sind es zehn und mehr.

Um die Jahrtausendwende siedelte die SHG nach Schopfheim um. Sie traf sich zunächst im „Offenen Treff“ in der Entegaststraße, seit ein paar Jahren finden die Zusammenkünfte unter dem Dach des Diakonischen Werks in der Hauptstraße 94 statt.

Die Selbsthilfegruppe sieht ihre Aufgabe durchaus zweigeteilt. Zum einen geht es – nach innen gerichtet – darum, sich mit Gleichbetroffenen auszutauschen und sich gegenseitig zu stützen. Dazu organisiert die SHG unter anderem auch Vorträge von Ärzten, Polizei, Betreuern oder Psychologen.

Zum anderen will sie – nach außen gerichtet – öffentlich um Verständnis werben für die Situation von psychisch Kranken und deren Angehörigen. „Dafür besteht nach wie vor großer Bedarf“, betont Helga Fratamico. In der Öffentlichkeit seien bestimmte psychische Erkrankungen wie Burn-out kurzfristig zwar ein Thema, doch ansonsten herrsche weiter großes Schweigen.

„Viel mehr Information ist nötig und die direkte Begegnung mit Kranken und deren Angehörigen“, findet Gisela Reinert, die seit einiger Zeit die SHG-Treffen besucht. Sie schätzt daran vor allem, dass Angehörige „viele gute Tipps“ für ihren nicht immer ganz leichten Alltag mitnehmen und auch mal auf kurzem (telefonischen) Weg andere Teilnehmer um Rat fragen können. „Der Austausch ist das Wichtigste“, meint sie.

Als großen Fortschritt werten die drei Frauen, dass sich im Kreiskrankenhaus Schopfheim eine wohnortnahe Psychiatrieabteilung angesiedelt hat – „mitten in der Stadt und nicht auf der grünen Wiese“. Das sei nicht nur für die Kranken und ihre Angehörigen von Vorteil, sondern trage auch dazu bei, das öffentliche Schweigen über psychische Erkrankungen zu durchbrechen.

Dennoch sehen die SHG-Vertreterinnen noch großen Nachholbedarf, was die Betreuung der Kranken anbetrifft. Nach wie vor fehlen ihrer Meinung nach zum Beispiel ambulante Hilfsangebote und Dienste, die in akuten Krisensituationen die Familie entlasten und/oder eine Einweisung in die Klinik vermeiden könnten. Zumal es vor allem an Wochenenden für psychisch Kranke keinen Notfalldienst gebe – und bei den Fachkliniken zum Teil mehrwöchige Wartezeiten bestehen. „Solche Angebote könnten manchen Klinikaufenthalt überflüssig machen“, glaubt Helga Fratamico.

Die Treffen der SHG für Angehörige psychisch Kranker finden jeden letzten Freitag im Montag um 17 Uhr im „Offenen Treff“ des Diakonischen Werks in der Hauptstraße 94 in Schopfheim statt.

Kontakt: Helga Fratamico, Tel. 07762/809516

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