Schopfheim „Der Tod ist Teil des Lebens“

Markgräfler Tagblatt
„Regelwut muss nicht sein“: Oberkirchenrat Urs Keller hielt den Impulsvortrag. Foto: Heiner Fabry Foto: Markgräfler Tagblatt

Drittes Schopfheimer Fachgespräch wendet sich gegen Tabuisierungen und Idealisierungen

Schopfheim (hf). Das 3. Schopfheimer Fachgespräch im Rahmen des Projekts „Palliative Kultur als Lebenshilfe“ hatte die Thematik des Sterbens und des „lebenswerten Sterbeortes“ in den Vordergrund gestellt.

Mit einem Impulsvortrag von Oberkirchenrat Urs Keller und einer Podiumsdiskussion mit Vertretern verschiedener Hospizgruppen (wir berichten noch) wurden verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet. Zur Einleitung in das Thema stellte Stefan Schmidt, Projektverantwortlicher am Georg-Reinhard-Haus, das Projekt der palliativen Kultur und seine Entwicklung in den vergangenen drei Jahren vor.

Diese Beschreibung stellte Bernhard B. Späth, Vorsitzender des Kreisseniorenrats Lörrach, in einen größeren Zusammenhang. „840 000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr, davon aber nur ein Viertel im Kreis der Familie“, berichtete er und zog das Fazit:„Wenn das Ende naht, erstarren wir fast, schieben auf und verdrängen.“ In dieser Lebensphase stellen die verschiedenen Hospizbewegungen eine wichtige Hilfe für Menschen auf dem letzten Lebensabschnitt dar.

In seinem Impulsvortrag unternahm es Oberkirchenrat Urs Keller, einige „soziologische Schlaglichter“ auf die Themen Tod und Sterben zu werfen. In der Diskussion sei das Thema der „palliative Care“ inzwischen schon von der „advanced Care“ abgelöst worden. „Alles soll geregelt werden, inzwischen sogar permanent geregelt und ständig neu angepasst werden“, erklärte Urs Keller und bedauerte in der Debatte die oft vorherrschende „weitschweifige Geschwätzigkeit“, die sich den Fragen nicht wirklich nähere.

Urs Keller erinnerte daran, dass es eine „Soziologie des Lebenslaufs“ erst seit den 60er bis 70er Jahren gebe. „Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist es möglich geworden, dass die Mehrheit der Menschen ihr natürliches Lebensende erreicht“, betonte er, „früher starben die Menschen oft weit vor ihrem natürlichen Ende.“

Und erst seit Menschen ihr Lebensende erreichen, wurden Normen und Erwartungen für jede Lebensphase formuliert. Erst da verschiebt sich der Tod in die Lebensphase, in der er zu erwarten ist. Die Normen und Regulierungen formulieren aber eine doppeldeutige Botschaft. „Die Forderung der Gesellschaft lautet: Regle und plane dein Sterben, und entlaste damit die anderen.“ Die Gesellschaft differenziere sich weiter aus. Was früher pauschal „das Alter“ hieß, gliedert sich heute in die Generation 50 plus, die „Silver Ager“ und die Hochbetagten, für die jeweils eigene Normen und Erwartungen gelten.

„Früher gab es kein ‘idyllisches’ Sterben“

„Die oft gehörte Kritik an der ‚Institutionalisierung des Sterbens‘ in Krankenhäusern oder Heimen ist billige Polemik“, kritisierte der Oberkirchenrat. Wie auch die Angst vor der „seelenlosen Apparatemedizin“ im Alter unbegründet sei. „Wir sollten nicht übersehen, dass es gerade diese moderne Medizin ist, die es uns ermöglicht, überhaupt so alt zu werden“, betonte Keller und hielt fest: „Noch nie konnte man bei uns so gut sterben wie heute.“ Konkret wandte er sich gegen jede Form von Idealisierung. „Das Bild, dass in der Vergangenheit die Menschen friedlich im Kreis ihrer Angehörigen im häuslichen Umfeld entschlafen sind, stimmt einfach nicht.“ Ob das Sterben früher im ländlichen Raum oder in den Arbeitersiedlungen der Früh-Industrialisierung so idyllisch verlaufen sei, dürfe mit Recht bezweifelt werden.

Tabuisierung des Todes sei so wenig hilfreich wie eine Idealisierung des Sterbens in früherer Zeit. „Was wir brauchen ist Sachlichkeit, Gelassenheit und eine fundierte Einordnung unserer Möglichkeiten angesichts des eigenen Sterbens.“ Und mit einer Anspielung auf den Untertitel des Fachgesprächs vom „lebenswerten Sterbensort“ konstatierte der Oberkirchenrat kategorisch: „Ob der gewählte Sterbensort der richtige ist, weiß man erst hinterher.“

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading