Schopfheim „Die tapfersten Menschen der Welt“

Markgräfler Tagblatt

Hilfseinsatz: Charlotte Kübler-Schoening arbeitete als Notfallpädagogin in Flüchtlingslagern im Nordirak

Hoffnung, Lebensmut und Bildungshunger: All dies entdeckte Charlotte Kübler-Schoening ausgerechnet an einem Ort, wo das Grauen noch allgegenwärtig und das Elend unbeschreiblich ist – in drei riesigen Flüchtlingslagern im Nordirak.

Schopfheim. Zwei Wochen lang arbeitete die diplomierte Eurythmielehrerin im Rahmen eines notfallpädogischen Einsatzes dort mit traumatisierten Kindern und Erwachsenen und hat nach der Rückkehr ins wohlbehütete Zuhause keine Zweifel: „Das sind die tapfersten Menschen der Welt“.

In den Lagern nördlich von Mossul leben mehrere zehntausend Menschen, die meisten von ihnen Jesiden, eine kurdische Minderheit, die vor dem Terror des Islamischen Staates (IS) geflohen sind.

„Sie haben unvorstellbare Dinge erlitten“, berichtet Charlotte Kübler-Schoening. Vor allem die Kinder mussten „schreckliche Gräueltaten direkt vor ihren Augen mit ansehen“ . Viele von ihnen seien so traumatisiert, dass sie seit einem Jahr kein Wort mehr gesprochen, keinen Ton von sich gegeben hätten.

So wie das neunjährige Mädchen, das einen der Kurse von Charlotte Kübler-Schoening besuchte und plötzlich wieder – stockend zwar und ganz leise – zu singen begann.

Genau das ist es, was die Helfer, die auf Initiative der „Freunde der Erziehungskunst“ im Irak im Einsatz waren, mit ihren waldorfpädagogischen Mitteln bezwecken: durch Bewegung und Tanzen die innere Freude und die Selbstheilungskräfte der Seele zu wecken und die Psyche zu stabilisieren.

„Wir wollen die Menschen wieder ins Lot bringen“, so Charlotte Kübler-Schoening, die als Lehrerin an der Waldorfschule in Schopfheim arbeitet. Tanzen stelle einen ganzheitlichen Ansatz dar, da er zugleich körperliche und seelische Kräfte stärkt und obendrein auch das Denken anregt.

Durch die rhythmischen Bewegungen könnten die Helfer den Menschen Geborgenheit und Sicherheit bieten, für viele traumatisierte Waisenkinder seien die behüteten Kurse fast ein „Familienersatz“. Es gehe darum, ihnen allen „einen sicheren Ort in der ganzen Unsicherheit“ zu bieten, so Charlotte Kübler-Schoening.

Bei den Einsätzen im Nordirak, mittlerweile fanden schon deren fünf statt, bieten die Freunde der Erziehungskunst auch Fortbildungen für erwachsene Flüchtlinge an, die als „lokale Teamer“ die Arbeit der Notfallpädagogen fortsetzen, wenn diese wieder nach Hause zurückkehren. Derzeit arbeiten in den drei Camps schon 23 solcher Teamer, wie Charlotte Kübler-Schoening berichtet.

Sie selbst lernte bei einem solchen Fortbildungskurs einen Iraner kennen, der jahrelang in irakischen Gefängnissen gefoltert wurde und nach seiner Freilassung dem IS in die Hände fiel, ehe ihm die Flucht gelang. Trotz dieser unvorstellbaren Tortur habe dieser Mann seinen Lebenswillen und seine Zuversicht nicht verloren, wundert sich die Schopfheimer Waldorfpädagogin. Ganz im Gegenteil. Der Mann wolle Lehrer werden und kümmere sich als Teamer um Flüchtlinge, denen es noch schlechter geht als ihm.

Er ist kein Einzelfall. „Es gibt Tausende solcher Menschen in den Lagern“, berichtet Charlotte Kübler-Schoening. Allen schlimmen Bedingungen in den Camps zum Trotz – das kaum genießbare Trinkwasser riecht nach Chemikalien, über einem Lager hängt eine Giftgaswolke von einer brennenden Mülldeponie – blicken sie nach vorne. Und gehen, ungeachtet aller Unterschiede von Religion, Sprache und Nationalität, in den Camps „sehr respektvoll miteinander um“. „Wie stark sind diese Menschen“, zeigt sich Charlotte Kübler-Schoening tief beeindruckt und gesteht, dass sie mit Hochachtung erfüllte, was sie bei ihrer Arbeit im Nordirak erlebte. „Eigentlich können diese Menschen auch für uns Vorbilder sein“, glaubt sie.

Sie selbst hat sich während der 14 Tage in Kurdistan übrigens „zu keiner Zeit bedroht gefühlt“. Das gilt für die Arbeit in den Camps, wo man ihr sowohl als Frau als auch als Christin „äußerst respektvoll“ begegnete. Das gilt aber auch für die Fahrten zu den drei Einsatzorten. Zwar ging es jeden Morgen mit einem klapprigen Toyota über Rumpelstraßen zu den Camps, kugelsichere Weste, Funkgeräte und Helme immer in Griffweite, überall Kontrollen und Checkpoints. Doch da gab es auch die Peshmergas, die kurdischen Kämpfer, die allgegenwärtig waren und für die Sicherheit der Notfallhelfer sorgten. „Die waren echt taff“, so Charlotte Kübler-Schoening.

Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners

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