Schopfheim Ein Spiel voller Empfindsamkeit

Markgräfler Tagblatt
Individualist mit geschmeidiger Spielweise: Der preisgekrönte japanische Organist Kensuke Ohira faszinierte mit ungewöhnlichem Programm beim Schopfheimer Orgelsommer. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

Orgelsommer: Neue Hörerlebnisse beim Gastspiel von Kensuke Ohira / Konzert mit einem Instrument, das alles kann

An den vier Orgeln des Freiburger Münsters spielte er auf seiner Wettbewerbs-Tournee Sinfonisches. Da hatte es der japanische Orgelvirtuose Kensuke Ohira beim Schopfheimer Orgelsommer etwas leichter. Dort musste er „nur“ an den zwei Orgeln der Stadtkirche agieren.

Von Jürgen Scharf

Schopfheim . Der aus Tokio stammende Musiker, der nach dem Gewinn des Johann-Pachelbel-Preises beim Orgel-Interpretationswettbewerb der 65. Internationalen Orgelwoche Nürnberg zu den gefragtesten Konzertorganisten seiner Generation zählt, hatte für sein Gastspiel beim Orgelfestival ein ganz besonderes Programm erarbeitet. Natürlich weiß dieser junge, erfahrene und gebildete Musiker, dass an der romantischen Voit-Orgel Brahms, Schumann und Reger perfekt funktionieren.

Aber Ohira wollte doch total Anderes vorstellen: moderne Musik, eine der wenig beachteten Orgeltranskriptionen von Liszt und Zwölftonmusik von Arnold Schönberg sowie Komponisten aus seiner Heimat – also ein ganz exquisites Programm. Ein obligatorischer Reger war dabei.

Der ION-Preisträger hatte also vor, ein Programm zu machen, das nicht langweilig oder einseitig daherkommt. Und das begann sehr interessant mit einem akustischen Emporstieg zur Orgelempore aus der Unterwelt: mit der vom Komponisten selbst übertragenen sinfonischen Dichtung „Orpheus“.

Liszt geht es in dieser programmatischen Musik weniger um die Handlung der antiken Sage als um die Verkörperung von Harmonie, und so stand an der romantischen Emporen-Orgel klanglich das Besänftigende, Klagende im Vordergrund. Das machte sich auch durch das Fehlen vordergründiger Effekte bemerkbar.

Schon bei dieser Orgelversion von „Orpheus“, dem legendären Dichtermusiker, der die wilden Tiere mit seiner Lyra besänftigte, zeigten sich die besonderen Qualitäten des Organisten, was Motivik, Harmonik und Agogik betrifft. Ohira ist ein sehr sensibler Musiker mit einer flexiblen, ungemein geschmeidigen Spielweise, der mit Individualität besticht. Generell war sein Spiel klar aufgebaut, der Klang überlegt in Formen gefasst, und die modernen Stücke klangen betörend.

Nicht nur mit Liszt und Reger hat Ohira seine Möglichkeiten demonstriert, sondern auch mit Arnold Schönbergs erstem Satz „Molto moderato“ aus den zwei Orgelfragmenten. Der Interpret verstand es, die Farbmöglichkeit der Orgel vorzuführen, mal in Sopranlage des Orgelregisters, mal kontrastierend im Pedal. Das war ein Phänomen, einmal Schönberg auf der Orgel zu hören, und Ohira hat diese Gelegenheit perfekt ausgenutzt.

Meditative Qualitäten hatten die japanischen Stücke. In einem modernen romantischen Tongemälde wie „Die Schaukel“ von Asahi Matsuoka, eine Sarabande nach einem Gemälde von Fragonard, kam wieder das lyrische Grundkonzept Ohiras in filigranen Bewegungen zum Tragen.

Bildhaft war das musikalische Porträt „Lotus“ von Yui Kakinuma, eine Musik, die stark in der japanischen Tradition steht: Das Aufgehen und Vergehen einer Lotusblume wird als Sinnbild für den ewigen Kreislauf der Natur symbolisiert. Auch hier wieder ein Spiel voller Empfindsamkeit, nach innen. Feine, stille, meditative Klänge statt mächtiges Dröhnen.

Das waren neue Hörerlebnisse, an die man sich gerne erinnern wird: Nicht nur die 50 Takte der Fragment gebliebenen Orgelsonate Schönbergs, die sich durchaus zur Aufführung eignet, sondern auch die „Aria quinta“ aus „Hexachordum Apollinis“ von Johann Pachelbel, dem Namensgeber des Orgelpreises, den Ohira mit schönen Verzierungen interpretierte. Sein überragendes Können, Brillanz und Technik mussten zum wirkungsvollen Schluss noch in eine Bachsche Toccata münden.

Es gab viel herzlichen Beifall für dieses vielfältige und ausgefallene Programm mit Altem und Neuem. Die Handschrift des Organisten zeigte, dass die Orgel alles kann: von zart über mystisch bis intensiv „malen“.

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