Schopfheim „Ein Stück Stadtgeschichte wandert aus“

Markgräfler Tagblatt

Rathaus: Ende des Grundbuchamtes: 16 000 Akten gehen auf Reisen / Nur noch „Einsichtsstelle“ vor Ort

Vier dürre Worte nur: „Das Grundbuchamt ist weg“. Doch sie markieren das viel zitierte Ende einer Epoche: Mit dem heutigen Samstag kommt der Stadt ein wertvolles Stück ihrer Geschichte abhanden - 16 000 Folianten und Akten mit allem, was seit dem 18. Jahrhundert auf ihrem Grund und Boden passiert ist.

Schopfheim . Der Grund für den Zeitenwechsel: Am 30. April endet in Baden-Württemberg die Ära der kommunalen Grundbücher - aus Kostengründen. Ab 2. Mai übernehmen im Ländle nur noch 13 zentrale Grundbuchämter diese Aufgabe. Das für Schopfheim zuständige firmiert dann in Villingen-Schwenningen.

„Das Grundbuchamt ist weg“: Für das fünfköpfige Rathausteam um Fachbereichsleiterin Annette Janzen und Ralf Schulz steckt in diesem Satz erst recht eine Zäsur. Waren sie es doch, die im ehemaligen Bezirksamt bis zuletzt die Grundbücher und die Akten „gehegt und gepflegt“ und in großen Rollregalen sicher verwahrt haben.

„Es hat schon was von Abschied“, geben sie zu. Es war ein ziemlich langer. Seit Februar liefen die Vorbereitungen. Die Mitarbeiter des Grundbuchamtes mussten die historischen Folianten – die ältesten stammen aus den 1780er Jahren – und abertausend Aktenordner nach strikten Vorgaben eines „Eingliederungsleitfadens“ und exakt geordnet nach Orten, Gemarkungen und Flurstücksnummern in Kartons verpacken und in den Bauhof auslagern.

Anfang nächster Woche holt sie ein Lastwagen von dort ab, um sie ins zentrale Landesarchiv in Kornwestheim, die ehemalige Salamander-Schuhfabrik, zu transportieren.

Beim Bündeln griff den Rathausmitarbeitern ein „Verpackungsmanager“ unter die Arme, der im Auftrag des Landes immer mal wieder vorbeischaute. Fast 1200 Kisten türmen sich jetzt auf 50 Paletten im Bauhof, in Folie eingeschweißt und prallvoll mit Schätzen aus fast 250 Jahren - von historischen Wälzern mit handschriftlichen Eintragungen bis hin zu modernen Aktenbündeln.

„Was wir gepackt und geschleppt haben“, stöhnt Annette Janzen im Rückblick. Auf immerhin 570 Laufmeter Akten summieren sich die gesammelten Werke des Grundbuchamtes, das seit 2005 auch die Dokumente aus Maulburg und aus Hausen mit betreute.

Erschwerend für die Rathausmitarbeiter kam hinzu, dass sie ihr Grundbuchamt bis zum letztmöglichen Zeitpunkt auf dem aktuellen Stand halten wollen. Das bedeutete nicht selten Schwerarbeit, mussten sie doch wieder Akten aus einem Karton kramen, der im Stapel ganz unten oder ganz hinten steckte.

Obwohl die Rathausmannschaft seit Anfang des Jahres wusste, dass Ende April mit dem Grundbuchamt Schluss ist, trifft sie jetzt, da alle Regale gähnend leer und auch die einschlägigen Programme aus den Computern gelöscht sind, der Verlust mit voller Wucht. „Das war der technische und rechtliche K.O. und ist schon historisch“, so Annette Janzen voller Wehmut. Und für Ralf Schulz ist klar, dass „ein Stück Stadtgeschichte auswandert“.

Das bekommen auch die Bürger zu spüren. Wer bisher auf kurzem Weg im Rathaus Einsicht nehmen konnte in Grundbuchunterlagen, falls er zum Beispiel ein Stück Land kaufen oder bebauen wollte, muss sich umstellen.

Im Rathaus ist künftig lediglich noch eine so genannte „Einsichtsstelle“ vorhanden. Über diese kann er die mittlerweile elektronisch geführten Grundbücher einsehen und sich auch Abschriften und Beglaubigungen besorgen. 60 Prozent der einschlägigen Grundstücke seien darin schon erfasst, so Annette Janzen, bis 1. Januar 2018 soll die Digitalisierung abgeschlossen sein.

Diese Einsichtsstelle ist kein Muss. Einschlägige Auskünfte könnten sich die Bürger auch im zentralen Grundbuchamt in Villingen-Schwenningen besorgen. Doch Stadt und Gemeinderat beschlossen, diesen freiwilligen Service anzubieten, um den Bürgern eine örtliche Anlaufstelle zu erhalten. Immerhin verzeichnete das Grundbuchamt nach Angaben von Ralf Schulz jährlich etwa 200 Beglaubigungen und 1200 Abschriften. Er betreut künftig die Einsichtsstelle. Sie ist montagm bis freitags jeweils von 8 bis 12 Uhr geöffnet.

Ganz abgeschlossen ist das Grundbuch-Kapitel für Annette Janzen und ihr Team unterdessen noch nicht. Sie unternehmen am 4. Mai vielmehr einen Ausflug, um von ihren Schätzen richtig Abschied zu nehmen. Zuerst schauen sie im zentralen Grundbuchamt in Villingen-Schwenningen vorbei und besuchen danach das Zentralarchiv in Kornwestheim, um sich zu vergewissern, „dass auch alle Akten da sind“. Spätestens dann aber wissen sie endgültig: „Unser Grundbuchamt ist weg“.

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