Schopfheim Hohes „Tötungsrisiko“ für Rotmilan

Markgräfler Tagblatt

Windpark Hasel: Raumnutzungsanalyse liegt vor / Biologe: Genehmigung muss sofort auf den Prüfstand

Von Werner Müller

Die Windkraftgegner schlagen Alarm: Für den Rotmilan besteht im Bereich des geplanten Windparks Hasel tatsächlich ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“.

Schopfheim. Zu diesem Ergebnis kommt eine Raumnutzungsanalyse, die die Windkraftgegner unter fachlicher Beratung durch den Biologen Andreas Lang von Mitte Mai bis Ende Juli in einem aufwendigen Verfahren anfertigten (wir berichten).

Untersuchungen hatten zuvor schon ergeben, dass der besagte Windpark in einem so genannten Dichtezentrum liegt. In solchen sind Ausnahmen vom Tötungsverbot der geschützten Raubvögel nicht zugelassen. Um das tatsächlich Kollisions- und Tötungsrisiko abschätzen zu können, ist indes eine so genannte Raumnutzungsanalyse notwendig, die Flugbewegungen exakt dokumentiert.

Sie liegt jetzt vor – und sie kommt zu ganz anderen Ergebnissen als das IUS-Fachgutachten, das den Behörden als Grundlage für die Genehmigung des Windparks gedient hat. Damals hieß es, aufgrund der festgestellten Flugbewegungen bestehe kein erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan beispielsweise durch Kollisionen mit den Windrädern.

Obwohl die Windkraftgegner und der Biologe Andreas Lang bei ihren Zählungen einen „konservativen Ansatz“ verfolgten und alle „zweifelhaften Aufzeichnungen“ nicht werteten, um Doppelzählungen sowie eine „Überschätzung der Überflugfrequenzen zu vermeiden“, führen ihre Zahlen jene von IUS ad absurdum.

Mit insgesamt 279 Flugbewegungen notierten die ehrenamtlichen Zähler um Wolfgang Ühlin fast sechs Mal so viele als das IUS-Gutachten von 2015, das sich auf Zählungen von 2013 stützte. Dies sei eine „eklatante Differenz“, so Biologe Andreas Lang. Vor allem, wenn man bedenke, dass die damaligen Gutachter an 23 Terminen Rotmilanflüge zählten, die Windkraftgegner hingegen nur an deren acht.

Diese gravierenden Unterschiede lassen sich laut Biologen möglicherweise dadurch erklären, dass 2017 günstiges Wetter (sonnig mit guter Thermik) für Rotmilane herrschte, bei der Felderfassung 2013 indes eher nicht (kalte und regnerische Witterung). Zudem sei 2017 im Gegensatz zu 2013 ein ausgesprochen gutes Mäusejahr.

Hinzu kommt laut dem

Biologen auch unterschiedliche „Erfassungsgenauigkeit“. Die Gutachter von 2013 wählten seiner Meinung nach eher ungeeignete Beobachtungspunkte für das topografisch schwierige Gebiet.

Der Biologe wundert sich zudem, dass die IUS-Gutachter selbst mit Blick auf den Windpark Hasel zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. In einer Windkraft-Expertise für die Stadt Bad Säckingen im Rahmen eines Flächennutzungsplanverfahrens bescheinigten sie 2014 dem Standort noch eine „hohe Konfliktintensität“, im Gutachten für EnBW ein Jahr später war indessen nur noch von „geringer bis mittlerer Konfliktintensität“ die Rede.

Die neuen Zahlen der Windkraftgegner hingegen sind laut Analyse von Andreas Lang um so bemerkenswerter, als während der Beobachtungszeit im Umkreis um die Windkraftstandorte am Glaserkopf entweder gar keine oder nur wenige Bewirtschaftungsmaßnahmen auf den landwirtschaftlichen Flächen stattfanden. Dabei dienen frisch bearbeitete oder gemähte Wiesen als gute Nahrungsgrundlage für Rotmilane und lösen deshalb Flugbewegungen aus.

Vor allem im Umfeld der WEA 1 sind laut Raumnutzungsanalyse „populationsrelevante Verluste“ zu erwarten, die durch Vermeidungsmaßnahmen nicht mit Sicherheit zu verhindern seien. Insofern verstoße ein Bau dieser Anlage gegen das Tötungsverbot. Bei den WEA-Standorten 2,3, 4 und 5 seien solche Vermeidungsmaßnahmen zwar möglich und zu prüfen, heißt es weiter. Aber die vorgeschriebenen Abschaltzeiten für nur zwei dieser WEA seien „völlig unzureichend“.

Das Fazit des Biologen fällt denn auch eindeutig aus: Aufgrund der festgestellten Ergebnisse der Raumnutzungsanalyse ergibt sich für ihn eine „grundlegend neue Situation“ für die artenschutzrechtliche Beurteilung des Windparks Hasel. In dessen Bereich existiere „ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan innerhalb eines nachgewiesenen Dichtezentrums“. Dieses Risiko, so Andreas Lang, lasse sich auch durch Vermeidungsmaßnahmen (Abschaltzeiten der Windräder) mit „ausreichender Sicherheit nicht vermeiden“.

Es sei offenkundig, so heißt es im Abschlussbericht weiter, dass der Genehmigungsbescheid des Landratsamtes auf der Grundlage „unzureichender Kenntnisse“ zu den Rotmilan-Vorkommen erfolgte und aus artenschutzrechtlichen Gründen dafür „keine ausreichende“ Grundlage bestand. Daher sei die Planung für den Windpark „unmittelbar und zwingend“ erneut auf den Prüfstand zu stellen, um „populationsrelevante Verluste des Rotmilans“ auszuschließen.

Ob das Landratsamt seine Genehmigung tatsächlich nachbessert oder sogar widerruft, steht noch in den Sternen. Der zuständige Fachbereichsleiter Georg

Lutz erklärte gestern, erst nach Abschluss der internen Prüfung der Raumnutzungsanalyse lasse sich über diesbezügliche mögliche Konsequenzen etwas sagen. Dass am Glaserkopf ein Dichtezentrum für Rotmilane vorliegt, ist für das Landratsamt im Gegensatz zu früheren Aussagen indes wohl keine Frage mehr. Lutz: „Das scheint klar zu sein“.

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