Schopfheim Leben zwischen Krieg und Flucht

Markgräfler Tagblatt
Besondere Gäste: Beigeordneter Ruthard Hirschner konnte bei der Präsentation des neuen Jahrbuchs Veronika Kreuer-Richon und Kurt Kreuer, begrüßen die Enkel von Katharina Waldi, die sich durch Freitod vor der Deportation durch die Nazis bewahrte. Franziska Hirschner (links) zeichnet im Jahrbuch das Leben ihrer Tochter Gisela Kreuer-Waldi nach. Foto: Anja Bertsch Foto: Markgräfler Tagblatt

Jahrbuch: Franziska Hirschner schildert das Leben von Gisela Kreuer-Waldi / 340 Seiten Stadtgeschichte

Von Anja Bertsch

Geschlagene 340 Seiten stark, ein Register mit 910 Namen und 250 Sachbegriffen: Das 32. Jahrbuch der Stadt Schopfheim liegt druckfrisch zum Schmökern bereit.

Schopfheim. Unter der Regie von Klaus Strütt ist einmal mehr ein Buch entstanden, das einerseits historische Tiefenbohrungen unternimmt und zugleich einen breiten Überblick über aktuelle Geschehnisse und markante Persönlichkeiten der Stadt gibt.

Zur Präsentation am Mittwoch konnten Beigeordneter Ruthard Hirschner und Fachbereichsleiter Jürgen Sänger in der Roggenbachstube des Museums zahlreiche Gäste begrüßen, die mit der aktuellen Ausgabe verbunden sind: Autoren, Gönner und Menschen, die in besonderer Beziehung stehen zu den präsentierten Geschichten.

Unter diesen wiederum hieß der Beigeordnete besonders Veronika Kreuer-Richon und Kurt Kreuer als Enkel der in Schopfheim zu trauriger Bekanntheit gekommenen Katharina Waldi willkommen.

Als letzte jüdische Einwohnerin Schopfheims wurde Katharina Waldi 1944 von der Gestapo verhaftet. „Ihrer Deportation kam sie durch die Einnahme eines starken Schlafmittels zuvor - sie starb in der Arrestzelle des Schopfheimer Rathauses“, schreibt Franziska Hirschner in ihrem Beitrag zum Jahrbuch.

Ins Zentrum freilich stellt die Autorin das Leben von Katharinas Tochter Gisela Kreuer-Waldi, deren Kindheit und Jugend als „Halbjüdin“ von den Schikanen und der Bedrohung der NS-Diktatur, von Krieg und Flucht geprägt war.

Franziska Hirschner hatte die 93-jährige Gisela Kreuer-Waldi in ihrem Zuhause in Allschwil als imponierende Frau kennengelernt. Von dieser persönlichen Begegnung tief beeindruckt, habe sie beschlossen, das Leben von Gisela Kreuer-Waldi für das Jahrbuch aufzuarbeiten, erklärte Franziska Hirschner im Rahmen der Präsentation.

Ein zweites persönliches Gespräch kam nicht mehr zustande, bedauerte Hirschner; Gisela Kreuer-Waldi verstarb im September letzten Jahres. Dank der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Tochter Veronika Kreuer-Richon jedoch konnte Franziska Hirschner auf Fotoalben und handschriftliche Notizen zurückgreifen, die den Beitrag nun zu einem eindrücklichen Lebensbericht machen. „Wenn es ein Leben gibt, in dem Licht und Schatten so nahe beieinander liegen, dann ist es das Leben von Gisela Kreuer-Waldi“, schloss Hirschner und wünschte, dass ihr Beitrag auch als Mahnung für die Nachwelt dient.

Jahrbuchmacher Klaus Strütt hat diese Ermunterung bereits angenommen. Das nächste Jahrbuch will den Schwerpunkt auf die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte Schopfheimes legen, erklärte er.

Klaus Strütt übernahm es, den Zuhörern in einem lebendigem Überblick über die

einzelnen Beiträge Appetit auf die vertiefte Lektüre zu machen. Strütt selbst tritt in diesem Jahr in größerem Umfang als üblich in Erscheinung und hat neben der Tageschronik gleich vier Aufsätze selbst verfasst – nicht ganz freiwillig, wie er bekannte: Die Suche nach Autoren sei sehr mühsam gewesen.

In zwei Beiträgen widmet sich Strütt der „Mühlen-Geschichte“ im Städtli und fördert dabei spannende neue Aspekte zutage. Mit Blick auf die Kaucher-Ölmühle weiß er beispielsweise zu berichten, dass es dort entgegen der bisherigen Annahme gleich zwei Mühlen gab. Da das Innenleben der Kaucher-Mühle weitgehend unberührt sei, wäre es in seinen Augen „doch toll, wenn dies der Öffentlichkeit etwa in Form eines Mühlenmuseums erhalten bliebe“.

In einem weiteren Beitrag beschreibt Strütt die Geschichte des Krankenhauses, das am jetzigen Standort im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag feierte.

Unterm Titel „Wenn’s poltert und kracht“ widmet sich Ulla K. Schmidt der historischen Kegelbahn im Fahrnauer „Hirschen“. Anja Bertsch hat einen Beitrag über den Wochenmarkt verfasst, Gerd Sutter erinnert an das 850-Jahr-Fest in Gersbach, Franziska Hirschner skizziert die Entstehung der Gersbacher Windparks, und Martin Mybes hält anlässlich des 50-jährigen Bestehens Rückschau und Ausblick auf die Geschichte des Georg-Reinhard-Hauses. Zwei Porträts widmen sich Jeannot Weißenberger (von Klaus Strütt) und dem ehemaligen Fahrnauer Pfarrer Andreas Ströble (von Thomas Spohn). Markus Manfred Jung und Volker Habermaier schließlich blicken auf die Mund-Art-Literatur-Werkstatt zurück.

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