Schopfheim „Riesenpuzzle“ in Feld und Wald

Markgräfler Tagblatt

Flurneuordnung in Gersbach voll im Gange / Ralf Ühlin: „Vom Verfahren profitieren sehr viele“

Von Werner Müller

Schopfheim-Gersbach. Lastwagen und Bagger mitten im Tannenwald: Mit Postkartenidylle hat das, was sich seit gut zwei Jahren rund ums Golddorf mitunter abspielt, nicht unbedingt etwas zu tun.

Und doch: Die Baukolonnen sollen ihren Teil dazu beitragen, dass die Landschaft im preisgekrönten Bergdorf auch in den nächsten Generationen so schön und so offen bleibt, wie sie ist.

Denn die Walzen und Raupenschlepper setzen die baulichen Aspekte der Flurneuordnung in die Tat um. Seit 2011 ist in diesem Zusammenhang der Wegebau in Gang, der noch bis 2015 dauern soll - etwa die Hälfte der geplanten Maßnahmen ist bereits erledigt.

Und das ist eine ganze Menge: Etwa 6,5 Kilometer neue Asphaltwege, 34 Kilometer neue Schotterwege, sieben Kilometer neue Grünwege und die Sanierung von sieben Kilometer Asphalt- und Schotterwegen stehen auf dem Plan.

Diese Zahlen kommen nicht von ungefähr. Ist die Flurneuordnung in Gersbach doch eine der größten, die in Baden-Württemberg jemals über die Bühne ging. Sie umfasst nicht weniger als 2370 Hektar Wald- und Landwirtschaftsfläche, gegliedert in 2500 Flurstücke mit rund 400 Teilnehmern (Eigentümern).

Mehr als sechs Millionen Euro wird das Großprojekt auf den Höhen kosten, 85 Prozent davon steuert das Land als Zuschuss bei, die Stadt beteiligt sich mit über 700 000 Euro, und die Eigentümer müssen voraussichtlich mit einem Beitrag von rund 224 Euro pro Hektar rechnen.

Das Geld ist in den Augen von Ralf Ühlin indes gut angelegt. „Es profitieren sehr viele davon“, betont der Vorsitzende der Teilnehmergemeinschaft (das sind alle betroffenen Grundstückseigentümer) und verweist dabei auf die Ziele der Flurneuordnung. Gehe es doch darum, den „zersplitterten Grundbesitz“ in Feld und Wald zusammenzulegen und damit die Arbeit der Höhenlandwirte rentabler zu machen (einheitliche Bewirtschaftungsblöcke, kürzere Wege).

Dies kommt der Offenhaltung der Landschaft zugute, auf die wiederum der Tourismus angewiesen sei. „Die Erhaltung dieser für den Südschwarzwald typischen Kulturlandschaft mit ihren zahlreichen Biotopen ist eine Kernaussage der Flurneuordnung“, betont der zuständige Projektingenieur Mathias Klünder.

Überdies könne die Flurneuordnung dazu beitragen, die Interessenkonflikte zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz (FFH-Gebiete) zu vermeiden – durch Geländetausch oder, wie im Wald, durch die Übernahme der betroffenen Fläche durch den Staatsforst.

Die Flurneuordnung kommt der dörflichen Infrastruktur und dem Tourismus aber auch auf direktem Weg zugute. So sind Wanderparkplätze sowie Fuß- und Wanderwegewart, Sitzgruppen und Bänke, Grillstellen und Brunnen als „Erholungsmaßnahmen“ geplant.

„Ein attraktives Wegenetz“ für Einheimische wie für Touristen verspricht sich Ralf Ühlin davon, der sich besonders über eine weitere Maßnahme freut: Der Gersbach soll auf etwa einem Kilometer Länge bis zur Lochmühle „entwickelt“, das heißt von Verdolungen befreit und offen gelegt werden.

„Die Flurneuordnung ist ein riesengroßes Projekt und eine sehr gute Sache“, ist sich Ralf Ühlin sicher. Er erinnert daran, dass nach zwei vergeblichen Anläufen in früheren Jahren der Anstoß zum erfolgreichen dritten von den Landwirten selbst kam. So sei Gersbach 2004 im letzten Moment, als es noch Zuschüsse in dieser Größenordnung gab, auf den Zug aufgesprungen

Die Halbzeitbilanz – das Verfahren dauert voraussichtlich noch bis 2020 – des Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft und des Projektingenieurs Mathias Klünder fällt denn auch positiv aus. „Nach anfänglicher Skepsis“auf Seiten der Eigentümer habe sich mittlerweile doch ein vertrauensvolles Miteinander ergeben.

Der Vorstand der Teilnehmergmeinschaft treffe sich wöchentlich und biete allen betroffenen Eigentümern die Möglichkeit, sich jederzeit mit Fragen oder Wünschen zu melden. „Das funktioniert gut“, so Ralf Ühlin.

Es, wenn möglich, allen Eigentümern recht zu machen,stelle gleichwohl ein gigantisches „Puzzlespiel“ dar, wie Mathias Klünder einräumt. Mittlerweile habe man alle Grundstücke im Verfahren nach dem alten Stand bewertet. Wenn Wegebau und Ausgleichsmaßnahmen erledigt sind, erfolgt eine nochmalige Bewertung nach dem neuen Stand, in dem neben der Größe des Grundstücks auch dessen Lage und mögliche naturschutzrechtliche Auflagen mit einkalkuliert werden. Erst danach schließt sich die neue Zuteilung der Grundstücke an.

Bis es soweit ist, müssen die Grundstückseigentümer eine Art „Schwebezustand“ erdulden: Keiner weiß, was er künftig bekommt. Zwar kann jeder einzelne beim so genannten „Wunschtermin“ der Behörde vortragen, was er gerne hätte. Doch Zusagen gibt es keine. „Das dürfen wir auch gar nicht, bevor alle Maßnahmen abgeschlossen sind“, betont Mathias Klünder. Ein großer Grundsatz der Flurneuordnung jedoch laute, dass jeder Teilnehmer einen Anspruch auf „gleichwertigen Ausgleich“ habe. Der Projektingenieur ist wie Ralf Ühlin denn auch überzeugt, dass das klappt und Gersbach dank der Flurneuordnung in der Lage ist, in Zukunft erst recht mit seiner „reizvollen Landschaft“ zu punkten.

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