Schopfheim Salz und Wasser auf der Haut

Markgräfler Tagblatt

Seebären von „Santiano“ bringen das Gefühl des Nordens zum „Sommersound“ - Schmuddelwetter inklusive

Von Michael Maldacker

Schopfheim. „Ausverkauft“ meldete der Konzertveranstalter am Mittwochabend für „Santiano“. Die Seebären von der Waterkant sind hierzulande die Musiksensation der vergangenen Jahre und enterten die Bühne auf dem Marktplatz mit ihrer Volksmusik für echte Kerle.

Aber nicht nur für Kerle. Auf dem Marktplatz war die Laune vor dem Auftritt noch nicht hitverdächtig. Die Regenschauer ließen unter den 1600 Besuchern keine echte Festivalatmosphäre aufkommen. Hitverdächtig sollte aber der Melodienreigen werden, den „Santiano“ in die Markgrafenstadt mitbrachten. Hitverdächtig? Ach was: Hitgarantiert!

Mit einer Stafette der erfolgreichsten Stücke schlugen „Santiano“ ein, der erste Song war der Rocker „Gott muss ein Seemann sein“ aus dem aktuellen Album. Shanty, Schlager und Irish Folk sind die Zutaten, mit denen die Flensburger Männer den Zaubertrank für ihren Siegeszug würzen. Die Band aus dem hohen Norden ist derzeit auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Zwei Alben haben sie herausgebracht, zwei Mal war’s ein ganz großer Wurf. Das Debütalbum der Nordlichter von 2012, „Bis ans Ende der Welt“, wurde bei 800  000 verkauften Scheiben mit viermal Platin ausgezeichnet, ihr zweites Album von 2013, „Mit den Gezeiten“, erreichte immer noch zweimal Platin, es wurde bis heute mehr als 500  000 Mal verkauft.

Zwischen den Alben und auch jetzt sind „Santiano“ beinahe nonstop auf Tour. In Schopfheim brachten die Nordmänner gleich zu Anfang einen Überblick über ihren Stilmix: „Salz auf unserer Haut“, „Santiano“, „Frei wie der Wind“, dann mit „Blow Boys Blow“ den ersten Folk-Klassiker. Anschließend mit „Garten Eden“, der „Santiano“-Fassung von „Scarborough Fair“, gleich den zweiten und dritten („500 Meilen“) irisch anmutenden Titel.

Die Band Santiano besteht erst seit etwa vier Jahren und wurde ursprünglich gebildet von fünf Männern um die Fünfzig oder älter. Von den fünf Gründungsmitgliedern sind seit geraumer Zeit aber nur noch vier bei Live-Auftritten dabei. Andreas Fahnert musste nach vier Hörstürzen auf ärztlichen Rat von Bord gehen. Zu viert sind „Santiano“ Björn Both, Hans-Timm Hinrichsen, Peter David Sage und Axel Stosberg. Björn Both war war für die Ansprachen ans Publikum zuständig. Außerdem hat der Bassist und Gitarrist Both einfach die beste Stimme von allen gleichberechtigten Sängern.

Denn singen können sie alle. Ehe sich die Flensburger Musiker zur Band zusammengefunden haben, hatten die meisten von ihnen schon eine Solo-Karriere hinter sich. Dass das erfolgreiche Kollektiv „Santiano“ dabei nicht von lyrischen Tenören gebildet wird, liegt nahe. Schließlich verkörpern sie furchtlose Seebären, und da sind tiefe und rauhe Stimmen authentischer. Eine solche hat auch Hans-Timm Hinrichsen, der außerdem Gitarre und Bass spielt.

Axel Stosberg, gelernter Schauspieler und mit 46 Jahren das Küken der Gruppe, fungiert an Mikrofon und Tambourine, Peter David Sage ist der Geiger. Der 64-Jährige singt ebenfalls und spielt obendrein Mandoline und Akkordeon. Er hat auch schon bei Mike Oldfield und Marius Müller-Westernhagen Geigenparts übernommen. „Ergänzungsmatrosen“ sind auch in Schopfheim wieder die Bewährten: Gitarrist Dirk Schlag, Arne Wiegand an Keyboard und Akkordeon sowie Schlagzeuger Marco Müller. Außerdem die einzige Frau an Bord, Oonagh, die mit Björn Both im Duett das Liebeslied „Vergiss Mein Nicht“ sang.

In den Texten ihrer Seemannslieder geht es stets um das Leben vor dem Wasser, auf dem Wasser, zurück vom Wasser und wieder Warten auf das Wasser und so weiter. „Santiano“ beschreiben eine Welt, die sie teilweise aus eigener Erfahrung auf See kennen. Dass sie in ihren Texten kein Klischee über das entbehrungsreiche Leben auslassen, lieben ihre Fans. Außer auf dem Schiff fühlen sich „Santiano“ musikalisch zwischen vielfältigen Gattungen zu Hause. Mal sind sie Vorband von Schlagerkönigin Helene Fischer, heute Abend spielen sie auf Europas wichtigstem Heavy Metal-Festival im schleswig-holsteinischen Wacken.

Dann die temporeiche Schlussrunde in Schopfheim: Musiker und Publikum waren nach zwei Stunden und zwei Regengüssen in Bombenstimmung. Die Zuhörer, die Stehplätze hatten, tanzten zu „Whiskey in the Jar“ und „Diggi Liggy Lo“. Passend zum Wetter riss „Es gibt nur Wasser“ auch die Sitzenden mit; zur Zugabe „Irish Rover“ bewegte sich der ganze Marktplatz.

u  Am 27. September sind die Barden von der Waterkant erneut tief im Süden auf der Bühne, auf dem Flugplatz Schupfart im schweizerischen Kanton Aargau. Nur eine halbe Autostunde von Schopfheim entfernt. Aber mit dem Schiff nicht zu erreichen.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading