Viel Erfahrung und ausgeklügelte Technik waren nötig, um am Donnerstag das erste von insgesamt 15 Rotorblättern zum Windpark Rohrenkopf zu transportieren. In den engen Kurven zählte dabei jeder Zentimeter. Von Ingmar Lorenz Schopfheim / Zell. Randolf Peters wirkt entspannt. Er nimmt den letzten Zug von seiner Zigarette, trinkt den letzten Schluck Tee und schnallt sich die Fernbedienung um. Nervös sei er überhaupt nicht. „Ich habe ja bestimmt schon 200 Fahrten mit dem Selbstfahrer gemacht“, sagt Peters lächelnd. Hinter ihm steht das Gefährt. Acht Achsen, hydraulisch steuerbare Ladefläche und rund 500 PS. Noch beeindruckender aber ist seine Ladung. „The blade“ – die Klinge hatten sie die Arbeiter beim Verladen am Mittwoch genannt. Und tatsächlich wirkt das rund 45 Meter lange Rotorblatt wie ein riesiges Messer. Vor allem die Zacken am Ende verleihen ihm ein bedrohliches Aussehen. „Das ist eine Schutzmaßnahme, damit sich bei kalten Temperaturen keine Eisbrocken bilden können, die dann weggeschleudert werden“, erklärt Christian Klattig, der am Donnerstagmorgen neben Peters auf dem Parkplatz am Ortsausgang von Atzenbach steht. Als Mitgesellschafter und Leitender Ingenieur im Bereich Projektmanagement bei der Firma Setreo, die den Transport der Einzelteile der Windräder auf den Rohrenkopf organisiert, begleitet Klattig mit seinen Mitarbeitern das Rotorblatt zu seinem Bestimmungsort. Noch aber warten Peters und Klattig auf die Freigabe der Polizei, die dafür sorgt, dass der Selbstfahrer zunächst bis zur „Adler-Kreuzung“ in Atzenbach freie Fahrt hat. Von dort soll es weiter nach Riedichen und Gersbach gehen. Auch die Beamten begleiten den Schwertransport bis hinauf zum Windpark. Dann geht es los. Der Motor stößt einige graue Rauchwolken aus, und der Selbstfahrer setzt sich langsam in Bewegung. Peters läuft zunächst rückwärts über die Brücke am Ortsausgang, der Selbstfahrer und seine gigantische Last folgen ihm Heck voraus wie ein schwerfälliges Ungeheuer. Den ganzen Weg entlang der Bundesstraße muss der Schwertransport auf diese Weise zurücklegen, denn nur so kann er die Kreuzung passieren und anschließend im Vorwärtsgang in Richtung Riedichen weiterfahren. Zuschauer am Straßenrand Die Fahrt durch Atzenbach erinnert an einen Fasnachtsumzug: Links und rechts der Straße stehen Zuschauer, die mit Smartphone und Tablet fleißig fotografieren und filmen. Aus den Fenstern der oberen Stockwerke der Häuser beobachten die Anwohner, wie der Koloss langsam vorbeizieht. An der Kreuzung Richtung Riedichen wird es dann zum ersten Mal spannend. Peters stoppt den Selbstfahrer, und der Flügel beginnt sich aufzurichten. In einem Winkel von 60 Grad streckt sich das Rotorblatt nun dem Himmel entgegen. Damit verkürzt sich die Gesamtlänge des Schwertransports auf 18 Meter, und Zentimeter für Zentimeter schiebt sich das Rotorblatt zwischen den Häusern an der Kreuzung hindurch. Dann hat der Selbstfahrer erst einmal freie Bahn, und Peters gibt Gas. Immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 15 Stundenkilometern schafft das riesige Gefährt. Zuschauer, Polizisten und Reporter, die den Transport zu Fuß begleiten, kommen ordentlich ins Schwitzen. Gelegenheit durchzuatmen haben sie, wenn eine Stromleitung den Weg versperrt. Peters verringert dann die Geschwindigkeit und bringt das Rotorblatt in die Horizontale, das so unter den Drähten hindurch schlüpft. Unmittelbar vor Riedichen wird es dann eng. In der Kurve muss das Blatt wieder aufgestellt werden, droht aber in den Baumwipfeln hängenzubleiben. Durch seine Erfahrung weiß Peters jedoch, dass er an dieser Stelle auf den Grünstreifen ausweichen kann, und der Transport setzt seinen Weg nach Riedichen schließlich fort. Im Dorf hat Peters dann alle Hände voll zu tun. In den Kurven muss der Neigungswinkel ganz genau stimmen, sonst droht die Spitze des Flügels die Stromleitungen zu berühren oder die Dächer der Häuser zu streifen. Zugleich muss die Mauer am Straßenrand im Auge behalten werden. Als die Zuschauer diese tonnenschwere Feinarbeit beobachten, raunen sie immer wieder ein Wort: „Wahnsinn!“ Schließlich ist es geschafft, und unter Volldampf geht es weiter nach Gersbach. Hier bietet sich das gleiche Bild wie zuvor: Am kurzen Stück entlang der Hauptstraße beobachten die Zuschauer die Rotorblatt-Prozession, bevor auch sie darüber ins Staunen geraten, wie Peters beim Abbiegen in die Straße Richtung Rohrenkopf jeden Zentimeter nutzt, während das Rotorblatt langsam über die Häuserdächer schwenkt. Nach mehr als fünf Stunden und elf Kilometern hat die Fracht schließlich den Windpark erreicht. „Es fällt einem doch immer ein Stein vom Herzen, wenn alles gut gegangen ist“, sagt Christian Klattig. Und wie war der Transport für Peters" „Wie immer“, sagt er, bevor er sich eine Zigarette anzündet und auf den Weg nach Hause macht. Morgen wartet schon das nächst Projekt irgendwo in Deutschland.