Steinen Abwasser als

Markgräfler Tagblatt
Das Neubaugebiet „Alte Weberei“ in Steinen. Foto: Anja Bertsch Foto: Markgräfler Tagblatt

In Steinen wird ein innovatives Konzept vorgestellt

Das geklärte Abwasser aus der Steinener Kläranlage als Wärmequelle für Heizung und Warmwasser im benachbarten Neubaugebiet „Alte Weberei“?

Steinen (jab). Wie das gehen könnte, hat die Lörracher „ratio neue Energie GmbH“ (Lörrach) in einer vom Innovationsfond der Badenova und vom Abwasserverband mitfinanzierten Machbarkeitsstudie untersucht. In der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am Dienstag stellte Geschäftsführer Michael Pilgermayer den innovativen Ansatz vor.

Physik und Technik

Bislang fließt das geklärte Abwasser in die Wiese. Wo Abwassertemperaturen von 6 bis 16 Grad Celsius dem Laien nicht unbedingt als Wärmequelle ins Auge springen, sind sie dem geschulten Blick des Ingenieurs genug. „Wärmeenergie ist nicht an heiß gebunden“, so Pilgermayer: „Damit sie fließt, braucht es einfach einen Temperaturunterschied – egal auf welchem Niveau.“

Die 32 geplanten Wohngebäude mit ihrem hohen energetischen Standard und die zusätzlichen Gewerbegebäude brauchen nach Berechnungen der Ingenieure 800 Kilowatt Heizleistung. Dieser Bedarf könne durch die Abwärme der Kläranlage auf jeden Fall gedeckt werden, sind sich die Ingenieure sicher.

Am Tag bräuchte es dafür 3300 Kubikmeter Wasser – eine Menge, welche die Kläranlage locker liefern kann. Per Leitungsnetz würde das nochmals aufbereitete und geklärte Abwasser in die „Alte Weberei“ fließen, dort mittels Wärmepumpe energetisch genutzt, und dann entweder in die Regenwasserkanalisation oder zurück die Wiese geleitet.

Ökologie und Klimaschutz

Aus ökologischer Sicht könnte die kalte Fernwärme sogar positive Folgen für die Wiese haben: Für das Gewässersystem ist es nicht gut, wenn das aus der Kläranlage eingeleitete Wasser zu warm ist. Wird zuvor noch ein wenig Wärme entzogen, ist das nur von Vorteil. In Sachen Klimaschutz weist die Technik eine exzellente Bilanz vor: „Die Abwärme des Abwassers ist ja quasi eine erneuerbare Energie“, so Pilgermayer. Wasser in den Wein gießt allerdings vorläufig die Wärmepumpe, die mit Strom betrieben wird. Trotzdem ließen sich insgesamt 50 bis 60 Prozent fossiler Primärenergie einsparen; und in dem Maße, in dem der Strom künftig „erneuerbarer“ wird, steigt der Energiesparfaktor der Technik nochmals an. In seiner Ausrichtung wäre die „kalte Fernwärme“ eine „ökologische Alternative zum klassischen Gasnetz“ und ein „Energieträger mit großer Zukunft“, so der Referent.

Kosten

Die Investitionskosten nach Abzug der Förderung schätzt Pilgermayer auf 1,6 bis 2 Millionen Euro. Wer das Fernwärmenetz bauen und betreiben würde, ist im Vorhinein nicht ausgemacht. Wie teuer diese Wärmetechnik für die Verbraucher würde, wurde noch nicht errechnet, „aber wir gehen davon aus, dass man marktgerecht anbieten könnte“.

Zeitprobleme

Die Technologie ist zwingend an Neubauten gebunden, eine Nachrüstung ist kaum möglich, machte der Ingenieur deutlich. Ein komplett neu entstehendes Baugebiet wie die „Alte Weberei“, noch dazu in unmittelbarer Nähe zu einer Kläranlage, böte geradezu ideale Voraussetzungen. Die Idee stieß im Gremium auf großes Interesse. Knackpunkt könnte allerdings der Zeitaufwand sein: Die Idee klinge gut, brauche aber offenkundig noch Zeit bis zur Umsetzungsreife. „Wir wollen in der „Alten Weberei“ aber endlich in die Pötte kommen“, machte Norbert Götz deutlich. Für das Baugebiet sei es möglicherweise „wirklich zu spät, räumte Pilgermayer ein – „das wäre schon sehr sportlich.“ Ob man sich an diese Sportlichkeit wagen will, wurde in der Sitzung nicht weiter ausdiskutiert.

Wichtig sei auf jeden Fall die Erkenntnis, dass es hier ein Potenzial gibt, das womöglich an anderer Stelle und auf jeden Fall an anderen Kläranlagen genutzt werden könnte, resümierte Bürgermeister Gunther Braun.

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