Steinen Die vertauschte „Princess“-in

Markgräfler Tagblatt

Kurzgeschichte: Hans-Peter Günther hat einen Schreibmaschinen-Krimi verfasst

Der enorme Zuspruch, den Hans-Peter Günther auf seine Kurzgeschichten erhielt, war für ihn Anlass, erneut zur Schreibmaschine zu greifen. Nachfolgend lesen Sie die Geschichte von der vertauschten Princess-in.

Steinen-Höllstein. Es war Freitag, der 13., als auf dem Schreibtisch von Kommissar Wagner das Telefon klingelte. Genau um 17.17 Uhr. Sollte er jetzt noch abnehmen? Um 17.30 Uhr hatte er Dienstschluss, und er freute sich doch gerade heute so sehr auf den Feierabend. Beinahe war er versucht laut zu schimpfen, aber er hielt an sich, denn die Reinemachefrau war schon dabei, die Papierkörbe zu leeren.

Da er der Leiter des Einbruchdezernats I war, sollte er sich keine Blöße geben, nahm etwas widerwillig den Hörer ab und meldete sich. „Ja, hier Kommissar Wagner, was gibt es?“ Es klang schon ein wenig schroff, dabei wollte er gerade diesen Unterton vermeiden.

Polizeimeister Kruse

„Polizeimeister Kruse vom Polizeiposten Steinen. Uns wurde eben ein Einbruch gemeldet. Könnten Sie bitte dazu kommen? Die ganze Sache erscheint mit etwas seltsam.“

Jetzt war Kommissar Wagner richtig in der Zwickmühle. In 13 Minuten hätte er Dienstschluss und könnte nach Hause fahren, zumal er auch noch das Wochenende frei hat. Oder sollte er jetzt noch nach Steinen fahren, und sich um einen simplen Einbruch kümmern? Das könnte doch der Polizeiposten auch ohne ihn erledigen und ihm am Montag den Bericht zufaxen. Aber er war zu sehr Polizist, um sich für diese Lösung zu entscheiden, zumal die Uhrzeit des Anrufs von der Zentrale ja dokumentiert war.

Also, zuerst einmal daheim anrufen, dass es später und aus dem Kinobesuch heute auch nichts wird. Er tröstete sich, am Samstag klappt es aber dann sicher. Die Reaktion seiner Frau am Telefon war alles andere als verständnisvoll. Diese Anrufe war sie ja schon gewohnt. Wann kam ihr Mann denn schon mal pünktlich nach Hause? Irgend etwas kam doch fast immer dazwischen. Dabei hätte sie sich ja schon daran gewöhnen können. Waren sie doch schon über 20 Jahre verheiratet, und sie wusste ja, dass sie einen Polizeibeamten als Mann hatte.

Polizei im Stau

Nun, das wäre auch geschafft. Jetzt den Fahrdienst anrufen. „Ich brauche einen Wagen nach Steinen.“ „Gut, nimm den Opel. Schlüssel unten an der Pforte. Wenn du zurück bist, einfach in den Briefkasten werfen.“ Fahren Sie mal am Freitagabend kurz vor 18 Uhr von Lörrach nach Steinen. Sie brauchen für diese zehn Kilometer oftmals über eine Stunde, endlich um 18.30 Uhr beim Polizeiposten eingetroffen. Kollege Kruse wartete schon recht ungeduldig. Auch er freute sich nicht gerade über diesen Einsatz zu dieser Uhrzeit. Aber was will man machen? Der Polizeiberuf hat selten feste Arbeitszeiten.

„Wo ist es denn, und wann wurde denn eingebrochen?“ „Gemeldet wurde der Einbruch um 17 Uhr. Tatzeit war vermutlich zwischen 14 und 16.30 Uhr, da waren die Bewohner des Einfamilienhauses nämlich einkaufen. Tatort ist die Hermann-Burte-Straße. „Kannst mit mir mitfahren, ich kenne mich ja in Steinen aus. Aber wir nehmen das Zivilfahrzeug, muss ja nicht jeder gleich mitkriegen, dass wir von der Polizei sind.“

Fünf Minuten später trafen Polizeimeister Kruse und Kommissar Wagner in der Hermann-Burte-Straße ein und klingelten bei der geschädigten Familie Hofer. Ein junger Mann öffnete und stellte sich als Hofer junior vor.

„Kommen Sie rein“

„Kommissar Wagner, Einbruchsdezernat I, und mein Kollege Kruse vom Polizeiposten Steinen.“ „Kommen Sie bitte herein und sehen Sie sich die Bescherung an.“

„Na, Weihnachten haben wir ja nicht, aber wir sollen sehen, was wir tun können.“ Kommissar Wagner besah sich beim Eintreten den Schlossbereich der Eingangstür unauffällig. Aber Kruse bemerkte, wie sein Kollege ganz beiläufig mit der Hand an der Türkante hoch und runter fuhr. Sie blickten sich an, und Kruse wusste zu deuten: Da stimmt was nicht.

„Das fühlt sich an, als ob jemand mit einem Schraubenzieher zwischen Tür und Rahmen Gewalt angewendete hätte. Aber zum Öffnen der Tür hätte dies niemals zum Erfolg geführt.“

Jetzt kam auch der Hausbesitzer, Herr Hofer, ein älterer Herr, dazu. „Hat das Haus einen Hinter- oder Kellereingang?“ „Ja, hat es. Aber an dieser Tür haben wir keine Gewalteinwirkung gefunden. Wir haben auch die Fenster schon untersucht. Auch da keine Spuren.“

Nun schaltete sich Polizeimeister Kruse ein. „Wieso kommen Sie denn überhaupt darauf, dass bei Ihnen eingebrochen wurde? Fehlen denn Wertgegenstände, Bargeld, Schmuck oder sonst irgendwas?“

„Das nicht. Trotzdem war, als wir heimkamen, alles ein bisschen anders. Da muss jemand im Haus gewesen sein. In allen Kellerräumen brannte nämlich Licht, und auch die Tür zu dem Raum, in dem meine Sammlung steht, stand offen.“ „Da achte ich ganz besonders drauf, in diesen Raum gehe immer nur ich selber.“

Für alle Fälle

„Wer wohnt sonst noch in diesem Haus?“ „Nur meine Frau und ich. Ab und zu kommt auch unser Sohn zu Besuch. Der hat Ihnen ja die Tür aufgemacht. Aber der hat ja einen Schlüssel. Für alle Fälle.“

„Darf ich Sie fragen, was Sie eigentlich sammeln? Sie sagten doch vorhin, da steht meine Sammlung.“

„Ja sicher. Ich sammle Schreibmaschinen, ein bisschen verrückt, nicht wahr? Das war aber mal mein Beruf, und ich liebe diese alten Maschinen. Mittlerweile sind sie manchmal auch was wert.“

Jetzt hat er doch das Interesse von Kommissar Wagner geweckt, „liebte“ doch auch er alte und vor allem alte technische Dinge.

„Darf ich mir Ihre Sammlung einmal ansehen?“ „Klar doch, gehen wir mal hinunter.“ „Wie viele Schreibmaschinen haben Sie denn?“ „Es sind bis heute genau 108 Stück. Die stehen hier alle schön ausgerichtet und nummeriert auf dicken Glasscheiben. Eine Maschine schöner als die andere. Die meisten schwarz lackiert und alle in einem top restaurierten Zustand“, schwärmte Herr Hofer: „Die sind mein ganzer Stolz.“ Man merkte ihm seine Liebe zu seiner Sammlung an. „Hat Ihr Sohn denn auch Freude an Ihrer doch sehr speziellen Sammlung?“, erkundigte sich Kommissar Wagner. „Eigentlich nicht so sehr, ihn interessiert mehr, was die einzelnen Maschinen wert sind“.

Nummer 73

„Herr Hofer, haben Sie die Maschine mit der Nummer 73 in letzter Zeit ausgetauscht?“ „Nein, wie kommen Sie darauf, dass die Maschine ausgetauscht wurde? Aber jetzt wo Sie es sagen, sehe ich es auch. Da stand mal meine vergoldete Princess-Kofferschreibmaschine. Die ist jetzt weg. Dafür steht jetzt eine ganz andere, kleinere. Das muss der Einbrecher gewesen sein. Also war doch jemand hier unten. Aber sagen Sie mal, Herr Kommissar, wie konnten Sie denn sehen, dass die Nummer 73 ausgetauscht wurde? Sie kennen doch meine Sammlung und die einzelnen Maschinen gar nicht?“

„Nun, das war gar nicht so schwer.Sie haben die einzelnen Schreibmaschinen zwar mit Klarsichtfolie passend abgedeckt, aber es setzt sich ja immer etwas Staub ab. Bei der Nummer 73 beträgt die staubfreie Grundfläche zirka 40 mal 40 Zentimeter. Die Maschine, die jetzt dort steht, hat aber die Maße 32 mal 30 Zentimeter. Also sind auf jeder Seite vier bis fünf Zentimeter staubfrei. , wie man ja auf der Glasfläche de Regale gut sehen kann. Somit stand da mal eine andere Maschine.“

Wer kann’s getan haben?

„Herr Wagner, man merkt doch gleich, dass Sie bei der Polizei sind. Aber wer kann das getan haben?“

„Gehen wir doch mal nach oben, ich habe da so eine Idee.“

Als Herr Hofer und der Kommissar wieder im Wohnzimmer erscheinen, stand Polizeimeister Kruse neben Hofer junior. Frau Hofer saß im Sessel, vor sich eine Tasse Beruhigungstee, wie sie bemerkten.

Kommissar Wagner wandte sich sogleich an den Sohn mit der Frage: „Herr Hofer, können Sie mir sagen, wie viel so eine vergoldete Princess-Kofferschreibmaschine wert sein könnte?“ „Ja klar, 600 Euro, äh, schätze ich mal.“

Jetzt wandte sich der Vater an den Sohn: „Woher weißt du denn das so genau? Hast dich doch nie für meine Maschinen interessiert. Hast du etwa die Maschinen ausgetauscht und den Einbruch auch noch vorgetäuscht?“

Man merkte an der Reaktion des Sohnes ganz deutlich, dass er sich ertappt fühlte. Den Fragen des Kommissars hätte er sicher länger standgehalten. Doch beim Vater konnte er nicht anders.

„Ja, ich war es“

„Ja, ich war es. Ich brauche wieder mal Geld, und ich wollte nicht schon wieder fragen. Hättest sicher wieder Nein gesagt. Da kam ihm die Idee, die Gold-Princess zu verkaufen. Mein Freund hat mit 600 Euro dafür gegeben. Dachte, wenn die Anzahl der Maschinen stimmt, fällt es dir so schnell nicht auf.“

Jetzt schaltete sich Kommissar Wagner ein. „Das mit dem vorgetäuschten Einbruch war ja wohl die dümmste Idee. Damit haben Sie ja erst alles ins Rollen gebracht. Eine vorgetäuschte Straftat ist das allemal, da werden Sie noch Post vom Staatsanwalt bekommen. Alles weitere müssen Sie mit Ihren Eltern ausmachen.“

Der Kommissar war froh, dass der „Fall“ so schnell gelöst und abgeschlossen werden konnte. Als er auf die Uhr sah, war es fast 21 Uhr. Endlich Feierabend. Jetzt nach Lörrach, Dienstwagen zurückgeben und ab nach Hause. Fürs Kino ist es sowieso zu spät, und das alles nur, weil so ein Typ auf die Idee kam, seinem Vater eine Schreibmaschine zu stehlen.

Steinen-Höllstein (hp). Für Hans-Peter Günther war die „Fabel von der Schreibmaschine“ die erste Kurzgeschichte.

Der 72-Jährige hatte zuvor schon Gedichte und Fachartikel für das IFHB, das Internationale Forum Historische Bürowelt, geschrieben. Der 1981 gegründete Verein erforscht den sozialen und technischen Wandel im Büro und bei den Büromaschinen und gibt zwei Publikationen heraus: die „Historische Bürowelt“ und „HBw-Aktuell“. Die Vereinsmitglieder kommen sogar aus den USA. Die Liebe zu Büromaschinen kommt bei Hans-Peter Günther nicht von ungefähr. Günter ist gelernter Büromaschinenmechaniker, und als solcher haben ihn die Maschinen auch im Ruhestand nicht losgelassen.

Günther besitzt eine stattliche Schreibmaschinensammlung, alle funktionstüchtig, darunter natürlich auch die „Erika“, die in seiner Kurzgeschichte die Hauptrolle spielt. An dem ehemaligen DDR-Produkt fasziniert Günther vor allem die Technik.

Einen Computer besitzt Hans-Peter Günther zwar auch, aber seine Korrespondenz führt er nach wie vor auf einer mechanischen Schreibmaschine.

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