Schweine sind keine bräsig-dumpfen Fressmaschinen, sondern einfühlsame, liebevolle, neugierige und soziale Tiere. Forscher haben nachgewiesen, dass sie sich selbst im Spiegel erkennen und eine Form von Bewusstsein haben. Schweine sind nicht nur zu Gefühlsregungen wie Angst, Freude oder Trauer fähig, sondern kommunizieren auch untereinander. Ihr Grunzen und Quieken beinhaltet mehr als 20 verschiedene „Oink“-Laute.
Sauen und Ferkel leben in streng hierarchischen Rudeln zusammen
Der natürliche Lebensraum der frei lebenden Verwandten des Hausschweins sind Wälder mit Büschen und feuchten Plätzen. Dort leben die Wildschweine in streng hierarchischen Rudeln von bis zu 30 Muttersauen und Ferkeln zusammen. Eber sind Einzelgänger. Die meiste Zeit des Tages durchwühlen Schweine mit ihrem Rüssel das Erdreich auf der Suche nach Pilzen, Knollen, Wurzeln, Larven und Insekten. Als Allesfresser – was sie mit dem Menschen gemeinsam haben – sind sie nicht gerade wählerisch und machen sich auch über Aas her.
Nach der Mahlzeit halten sie einen ausgiebigen Verdauungsschlaf und suhlen sich genüsslich im Schlamm, um sich bei Hitze abzukühlen und die felllose Haut vor lästigen Parasiten zu schützen. Von Natur aus sind sie sehr reinliche Tiere. Der Mensch zwingt sie, den Platz, wo sie fressen, stehen, liegen und schlafen auch als Toilette zu benutzen. Wer Schweine artgerecht halten will, benötigt einen Stall mit Tageslicht und einen mit Stroh eingestreuten Auslauf, wo sie nach Herzenslust herumtollen und wühlen können.
Schweine können hervorragend hören und riechen – weit besser als Hunde, weshalb sie auch als „Spürschweine“ in der Drogenfahndung und bei der Trüffelsuche eingesetzt werden. Wenn’s ums Futter, gibt es für sie kein Halten mehr: Schweine können bis zu 50 Kilometer pro Stunde rennen und vertilgen innerhalb kürzester Zeit Unmengen. Sie sind extrem lernfähig, bedienen Joysticks und hören sogar auf ihren Namen. Glücklich das Schwein, dass auf einer Weide lebt, wo es bis zu zwölf Jahre alt werden kann. Das normale Schweineleben ist trostlos: Zu Tausenden in riesigen Mastanlagen zusammengepfercht werden sie zu lebenden Fleischkonserven gemästet.
Aus dem quicklebendigen Tieren sind gestörte, träge Fettwänste geworden, in deren kurzem Leben es nur noch ums Fressen und Wachsen geht. Innerhalb von sechs Monaten erreichen sie das ideale Schlachtgewicht von 110 bis 125 Kilogramm und nehmen bis zu ein Kilogramm Körpergewicht pro Tag zu. Die Fütterung mit energiereichem Kraftfutter aus Soja, Weizen, Mais und Roggen sowie eine gezielte Zucht machen’s möglich.
Eintöniges Leben auf nackten Betonboden
Ihr eintöniges Leben verbringen die von Natur aus verspielten und geselligen Tiere oft bei künstlichem Licht auf nacktem Betonboden, durch dessen Spalten Kot und Urin ablaufen. Den durch Bewegungsmangel, Isolation und Stress geschwächten Tieren werden Antibiotika verabreicht, um Infektionen und Krankheiten zu verhindern. Zuchtsauen werden, kaum dass sie Ferkel bekommen haben, schon wieder künstlich geschwängert und wochenlang in Kästen aus Metallstangen gehalten, die kaum größer als sie selbst sind.
Folge dieser Intensivtierhaltung sind körperliche Leiden wie Herz- und Kreislaufversagen, Haut- und Klauenverletzungen, Bewegungsstörungen und Muskeldegeneration sowie Verhaltensstörungen wie das Beißen in Schwanz, Ohren, Genitalien oder Gelenke von Artgenossen.
Immer wieder schrecken Verstöße gegen das Tierschutzgesetz die Öffentlichkeit auf – wie im Fall von Adrianus Straathof. Mitte Dezember hatte das Verwaltungsgericht Magdeburg das Haltungsverbot gegen den niederländischen „Schweinebaron“ bestätigt, der in Ostdeutschland Mega-Mastanlagen betreibt. Laut Gericht erzeugt die Haltung bei den Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden, die nicht durch kommerzielle Interessen zu rechtfertigen seien.
„Die meisten interessiert die Tierhaltung ganz und gar nicht“
Nun ist es beileibe nicht so, dass es keine Alternativen zur industriellen Massentierhaltung gäbe. Doch die Mehrheit der Verbraucher ist offenbar nicht bereit, für das Tierwohl und eine artgerechte Haltung an der Ladentheke deutlich mehr auszugeben. „Die meisten interessiert die Tierhaltung ganz und gar nicht“, ist der Landwirtschaftsexperte Thomas Jungbluth von der Universität Hohenheim überzeugt. Angesichts des ruinösen Preiswettbewerbs haben bäuerliche Kleinbetriebe kaum eine Chance, sich gegenüber den großen Fleischunternehmen zu behaupten.
Für den globalen Hunger auf Fleisch werden Unmengen an Wasser verbraucht und riesige Waldflächen gerodet, um Weide- und Ackerland für die Produktion von Viehfutter zu schaffen. „Weltweit wandern über 40 Prozent beziehungsweise rund 800 Millionen Tonnen der Ernte von Weizen, Roggen, Hafer und Mais direkt in die Futtertröge“, heißt es in dem von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bund für Umwelt und Naturschutz herausgegebenen Report „Fleischatlas 2014“.
„Tiere sind meine Freunde, und meine Freunde esse ich nicht!“
Was kann der Verbraucher gegen diesen Irrsinn tun? Man muss nicht wie der irische Dramatiker George Bernard Shaw (1856–1950) auf Fleisch verzichten („Tiere sind meine Freunde, und meine Freunde esse ich nicht!“). Es ist schon viel gewonnen, wenn man es in Maßen konsumiert und sich bewusst macht, dass jedes Kilo zu Discounterpreisen mit dem elenden Dasein eines armes Schweinderls erkauft ist.
Ethik und Ehrfurcht vor dem Leben enden nicht an der Artengrenze zwischen Mensch und Tieren. „Die Welt ist kein Machwerk und die Tiere sind kein Fabrikat zu unserem Gebrauch“, schreibt der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788–1860). „Nicht Erbarmen, sondern Gerechtigkeit ist man den Tieren schuldig.“