Sein Mittel ist die Kommunikation – wirkungsvoll in Szene gesetzt: Wenn Brunone Morandi sein erwartungsvolles Publikum einbezieht in die Performance, bei der Text und Ton einander tragen – wie sein fulminant kreierter Doppelsitz das Gespräch. Von Gundula Weissenrieder Weil am Rhein-Friedlingen. Wenn den, auf Seil gespannten oder in Spiralform am Boden ausgelegten Gedichtblättern nachspürt wird – oder der raffinierten Beschaffenheit seiner Figurinen. Sogar, wenn unvermutet zu nachtschwerer Stunde seine kräftige Singstimme durch das Kesselhaus schallt: Dann ist der vielseitige Künstler aus Atelier Nr. 9 in seinem Element, bestellt ein breit angelegtes künstlerisches Feld, das Neugierde weckt. Sie sind die Attraktion, stehen für vieles: ästhetisches Design, kontemporären Stil, ausgefeilte Dualität. Doch in aller Zeitgeistigkeit verleiten die einander zugewandten, freischwingenden und geschützten Stühle von Brunone Morandi den Betrachter vor allem zu einem: „talk to me!“ betitelt der Künstler denn auch sein nutzbares Kunst-Objekt. „Es entstand im Hinblick auf ,social culture’ und das Zustandekommen eines Gesprächs!“ Ein Zusammenspiel, das aufgeht: Etliche Interessierte, darunter viel Prominenz, haben darauf Platz genommen. „OB Dietz sogar ziemlich lange“, verweist er lächelnd auf das erste ausgeführte Modell. Den originalen Prototyp entwickelte der Findige aus einer Kartonrolle, die ihm Zufall oder Intuition in die Hände gespielt hatte – vielleicht als Initialzündung, „den Gedanken des Grenzüberschreitens“, einst als Student und Organisator für Studien-Auslandsaustausch gehegt, designgerecht umzusetzen. Und weiterzuführen, mit dem Einzug ins Nationalitäten-Konglomerat Kesselhaus, wohin ihn eben diese Affinität vor 13 Jahren geführt hatte: „Denn Weil am Rhein mit ihrem Slogan ,Stadt der Stühle’ schien prädestiniert für mich!“ Das erstgefertigte Schaustück im Atelier besticht heute noch, als prominent angepinnte Balkenskizze mit filigran gezeichneter Viel-Figürlichkeit, die trotz aller Handarbeit in ausgefeilter Computerkunst Umsetzung fand: „Im heißen Sommer ’03 mit zwei Stiften auf Transparentpapier begonnen, hochtechnisch aufbereitet, in 80 000 Pixel gescannt: War das eine Arbeit!“, leitet der Emsige zum entstandenen Großrelief über der Eingangstür hin – ein Willkommen in faszinierend sprechenden Bildern, „die Dramatik eines gestrandeten Paares, das sich, neben Hinzukommenden, in archetypischen Situationen findet und entwickelt.“ Der Ansatz, solch Wesentlichem nachzuspüren, „ist für mich die gelungene Fragestellung: Die Lösung folgt dann rasch!“, nimmt Morandi dabei sein Publikum mit: Etwa am Kunstsymposium 2009 im Dreiländergarten, durch den gemeinsam gesetzten Bogengang samt mittigem, viel diskutierten Objekt. Phantasien anregen, Wirkung erzeugen, Material „erlösen“ „Oder zur Idee der Gegensatzpaare – der Dicken und Schlanken, der Schüchternen und Kecken, der Introvertierten und Euphorischen –, wo über das Material gerätselt und nicht nur verbal ertastet wird. Denn: Was als „just brics“ betitelt wird, erweist sich hierbei raffiniert als Irrweg: „Ich versuche vorweg zu eruieren, was anklingt, Phantasien anzuregen, Wirkung zu erzeugen. Wobei für Künstler wichtig ist, das Material zu ,erlösen’: Das Neue soll für sich sprechen“, führt er seine Besucher ebenso mit philosophischen Betrachtungen in Versuchung. Und ohne den feinen Spürsinn für Ursprüngliches und Tradition außen vor zu lassen: „Ich wähle sorgfältig: Etwa eine schottische, 850-jährige Eibe, oder Bestände aus Ungarn und Frankreich für die mehrschichtigen, veredelten Stuhlfurniere. Und hierfür“, führt er zurück zum Relief, „jahrzehntealte, gelagerte Holzstäbe der einstigen Pfeifenfabrik meines damaligen Schweizer Wohnorts“, bekennt er sich zugleich zu Berzona, „dem steingedeckten Tessiner Dorf meiner Ahnen.“ Denn obschon es ihn bisweilen hinzieht, so, ohne dort je sesshaft gewesen zu sein, wuchs er doch in Zürich auf, von wo er viele Lebens-Wege nahm: Nach Abwendung vom Medizinstudium den des alleinerziehenden Vaters, über Architektur und Design zur Kunst. Stets innovativ wie Autodidakt, selbst im poetischen wie musikalischen Ausdruck: „Wir haben uns schon beim Geschirrabwasch frei gesungen“, belebt er lächelnd eine vokalfreudige Familiengepflogenheit, die ihn bis zur ersten vorgetragenen Komposition als 16-Jährigen führte. Das findet zeitweise im öffentlichen Raum Fortsetzung – beschert manch Kesselhauskollegen unvermutet Gehörproben –, und soll künftig noch weiter ausgebaut werden. „Ich bin ein Schnellschaffender, kann intensiv, vertiefend bei der Sache sein. In allem versuche ich, Sinn und nicht nur Neuheit einzubinden. Das bewirkt auch bei mir etwas, macht unglaubliche Freude!“