Weil am Rhein Eines der 100 schönsten Dörfer

Weiler Zeitung

Ötlingen feiert am Sonntag den 950. Geburtstag / Schmucker Ort mit gutem Zusammengehörigkeitsgefühl

Von Renata Buck

Weil am Rhein-Ötlingen. Ötlingen feiert Geburtstag. Vor 950 Jahren, im Jahr 1064, bestätigte Kaiser Heinrich IV. – derselbe, der später den Gang nach Canossa antreten musste –, dem Benediktinerinnen-kloster Ottmarsheim die Schenkung von Stiftungsgütern in Ottlinchoven. Die Urkunde wird heute im Kloster St.Gallen aufbewahrt. Zum Gedenken an diese erste erhaltene urkundliche Erwähnung feiern die Ötlinger am kommenden Sonntag nur für das Dorf mit wenigen geladenen Gästen ein Fest.

Obwohl die Dorfbevölkerung sich 1971 „aus freien Stücken“ für die Eingemeindung nach Weil am Rhein entschieden hatte und sich als Weiler Stadtteil wahrnimmt, blieb doch ein eigenes Zusammengehörigkeitsgefühl im Dorf erhalten; das bedeutet aber keineswegs engen „Dörfligeist“.

Der alten Geschichte des Dorfes ist man sich durchaus bewusst, steht doch das mittelalterliche Satteldorf in seiner gesamten Länge unter Ensembleschutz und wird zu den 100 schönsten Dörfern in Deutschland gezählt. Seit der Renovierung der Sankt-Gallus–Kirche 1982/83, bei der die Fundamente einer alemannischen Saalkirche um 800 n.Chr. freigelegt wurden, steht fest, dass zu dieser Zeit bereits eine Siedlung bestanden hat.

Die Verbundenheit der Einwohner mit dem Dorf ist groß, die jungen Leute bleiben gern am Ort. Die Neubürger aus den behutsam erweiterten Neubaugebieten sind überwiegend gut integriert, vor allem über die örtlichen Vereine, in denen sich die Ötlinger stark engagieren. Unter ihnen hat die Freiwillige Feuerwehr den höchsten Stellenwert für das Dorf. Das städtische Museum Dorfstube Ötlingen wird ehrenamtlich von einem Förderverein betrieben; um soziale Belange, vor allem der Älteren, kümmert sich der DRK-Frauenverein; die Turn- und Sportgemeinschaft Ötlingen zählt mehr Mitglieder als das Dorf Einwohner hat. Der Gesangverein Eintracht Ötlingen von 1843 und der über 50 Jahre alte Frauensingkreis bieten Männern wie Frauen Zusammenhalt und bereichern mit ihren Beiträgen die Feste im Dorf sowie viele Gottesdienste.

781 Einwohner

Die evangelische Kirchengemeinde mit Pfarrerin Bertina Müller spielt im Dorf eine wichtige und beständige Rolle; der Gottesdienstbesuch liegt über dem Durchschnitt. Ökumene ist selbstverständlich, die Kirche steht auch für katholische Gottesdienste zur Verfügung. Vereine und Institutionen sprechen ihre Termine miteinander ab und nehmen Rücksicht aufeinander.

Das Winzerdorf hat zur Zeit 781 Einwohner. 444 von ihnen sind evangelisch, 126 katholisch und 211 sind anderen Religionen zuzurechnen oder religionslos. Die Interessen des Ortes gegenüber der Stadt vertreten acht Ortschaftsräte, darunter Ortsvorsteherin Helene Brombacher.

Infrastruktur ausgedünnt

Die Infrastruktur in Ötlingen ist in den vergangenen 15 Jahren ausgedünnt worden. Nachdem die beiden Edeka-Läden, die Poststelle und die beiden Bankvertretungen geschlossen worden waren, wie in vielen anderen Dörfern auch, war die Schließung der Hermann-Daur-Grundschule ein weiterer schmerzlicher Einschnitt, ist doch in Ötlingen eine Schule seit dem Jahr 1556 belegt. Jetzt werden alle vier Grundschulklassen in Märkt unterrichtet. Im kommunalen Kindergarten finden zur Zeit alle Ötlinger Kinder einen Platz. Die erste „Kinderschule“ wurde übrigens bereits sehr früh, im Jahr 1852, durch bürgerschaftliches Engagement eingerichtet. Auch heute gibt es im Dorf Fördervereine für den Kindergarten und die Grundschule.

Ende des Jahres wird es eine Linienbusverbindung bis in die Kernstadt geben und damit das Einkaufen dort erleichtern.

Die Landwirtschaft spielt wie in den vergangenen Jahrhunderten die dominierende Rolle im Dorf, wenn es auch nur noch drei Vollerwerbsbetriebe gibt. Der Weinbau steht immer noch an erster Stelle. Jahrhundertelang baute jeder Winzer seinen Wein im eigenen Weinkeller selbst aus. Der auf Löß-Lehmboden in Südlage bestens gedeihende Ötlinger Wein galt zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert wie eine zweite Währung, mit der man Steuern, Abgaben und Löhne begleichen konnte. Heute werden fast alle Trauben an die Bezirkskellerei Markgräflerland in Efringen-Kirchen geliefert, nachdem es kurze Zeit eine kleine Ötlinger Genossenschaft gegeben hatte.

Begehrt, seit Jahrhunderten auch in Basel, ist das Ötlinger Beerenobst, das überwiegend die Domäne der Frauen ist  und das sie zunehmend an Ständen entlang der Dorfstraße selbst vermarkten. Obstanlagen und Spargelanbau sind weitere Standbeine. Der Ackerbau nimmt einen kleineren Raum ein als in früheren Zeiten; ein Schweinezuchtbetrieb ist der einzige Hof mit gewerbsmäßiger Tierhaltung.

Zahlreich und breit gefächert im Verhältnis zur Größe des dörflichen Stadtteils sind die selbstständigen Gewerbebetriebe: Es gibt drei Bauunternehmen, eine Zimmerei, zwei Malerbetriebe, zwei Elektrofirmen, ein Geschäft für Holzartikel, ein Blumengeschäft, ein Modeatelier, ein selbstständiges Weingut, eine Werbeagentur, zwei Kunstgalerien und eine Praxis für Physiotherapie. Im Weiler Gastgeberverzeichnis finden sich auch Ferienwohnungen in Ötlingen.

Beliebtes Ausflugsziel

Was wäre aber ein so einladendes und beliebtes Ausflugsziel ohne die Möglichkeit zur Einkehr? Diese hat man in vier Gaststätten. Im unteren Teil der Dorfstraße lädt das Gasthaus „Dreiländerblick“ mit einer schönen Aussichtsterrasse ein. Im oberen Teil  liegen dicht beieinander der traditionsreiche Ötlinger „Ochsen“ mit seiner Außenterrasse und dem Hotel Garni, die Weinstube „Rebstübli“ und gegenüber das Tagescafé „Inka“ mit seiner europaweit einzigartigen französischen Panoramatapete von 1819, welche das Leben der Inka darstellt.

Und eins gibt es kostenlos dazu: die ganze Dorfstraße in dem von Gerhard Hanemann initiierten „Art-Dorf“ empfiehlt sich als eindrucksvolle Freiluftgalerie.

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