Weil am Rhein Eingemeindung sorgt für Aufruhr

Weiler Zeitung

Serie (Teil 3): 1250 Jahre Haltingen / Über Hungerjahre und Weltkriege bis zum Anschluss an Weil

Während der Badischen Revolution 1848/49 stellte auch Haltingen eine Bürgerwehr, 50 Ledige machen sich beim Struve-Putsch auf den Marsch nach Staufen. Insgesamt aber blieb Haltingen von den Aufständen weitgehend verschont. Beim großen „Reinemachen“ danach wurde 1849 neben Gemeinderat Hagist auch Bürgermeister Johann Fingerlin des Amtes enthoben.

Von Jasmin Soltani

Weil am Rhein-Haltingen. Doch schon 1852, ein Jahr nach der Eröffnung der Eisenbahnstrecke bis Haltingen, wurde Fingerlin wiedergewählt und blieb bis 1861 im Amt.

Auswanderungswelle

Die Hungerjahre, aber auch die Zerstückelung von Besitz und Ackerland infolge des Erbrechts zwangen im 19. Jahrhundert viele Haltinger, ihr Glück in Übersee zu suchen. Von 1832 bis 1882 dauerte die Auswanderungswelle in die USA. In der Heimat sollten die Zeiten unruhig bleiben, obschon es auch Fortschritte gab: die Freiwillige Feuerwehr wurde 1858 gegründet, das Schul- und Rathausgebäude 1867 eingeweiht.

Erster Weltkrieg

Der deutsch-französische Krieg 1870/71 verschonte zwar das Dorf, doch fielen ihm 25 Haltinger auf den Schlachtfeldern zum Opfer. Die Jahre bis zum Ersten Weltkrieg brachten erneuten Bevölkerungszuwachs durch den Bau des Verschiebebahnhofs und des Bahnbetriebswerks sowie manche technische Neuerung: In dem Dorf, das zur Jahrhundertwende gut 1000 Menschen zählte, erhielt 1902 jedes Haus eine Wasserleitung. 1907 folgte elektrisches Licht. Auch ein neues Schulhaus wurde errichtet: die heutige Alte Schule, die 1910 eingeweiht wurde. Erneutes Elend und sinnloses Sterben brachte der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918). Viele Männer wurden eingezogen, 50 Haltinger starben auf den Schlachtfeldern, vier blieben vermisst. Im Haltinger Lager fielen 1917 zudem 55 rumänische Kriegsgefangene einer Ruhrepidemie zum Opfer, so wie auch zahlreiche Einwohner aus der Gegend.

Die Friedenszeit währte nicht lang. Sechs Jahre nach der Machtergreifung der Nazis – in Haltingen hatten 1933 rund 46,7 Prozent der Bürger für die NSDAP gestimmt – zettelte Hitler-Deutschland den Zweiten Weltkrieg an, der auch für Haltingen verheerende Folgen haben sollte. Auch bei den Gemeinderatswahlen 1933 verhalfen die Wähler den Nazis zur Mehrheit: die NSDAP erhielt vier Sitze, SPD und Zentrum je einen. Vehement sperrten sich die Haltinger gleichwohl 1935 gegen den Versuch, ihren Ort mit der Nachbargemeinde Weil zusammenzulegen. Der beliebte Bürgermeister Kaufmann war sogar bereit, dafür sein Amt zur Verfügung zu stellen. Die Eingliederung unterblieb schließlich.

Zweiter Weltkrieg

Zweimal wurde Haltingen im Zweiten Weltkrieg evakuiert. Ein erstes Mal gleich zu Beginn, im September 1939. Bei der Rückführung im Dezember starben sieben Haltinger beim Zugunglück in Markdorf. Zu Beginn des Frankreichfeldzugs 1940 erneut evakuiert, finden sich 500 Haltinger nach der Rückkehr ohne Dach über dem Kopf wieder. Französischer Artilleriebeschuss hatte am 10. und 11. Juni und in der darauffolgenden Nacht den ältesten Teil des Dorfs in Schutt und Asche gelegt. 100 Wohn- und Ökonomiegebäude wurden Opfer der Flammen. Eine Anwohnerin starb.

In Notunterkünften, der „Constantin-Hierl-Siedlung“ westlich der Bahngleise, wurden viele der Obdachlosen untergebracht, während 1941 im alten Ortskern der Wiederaufbau als „NS-Musterdorf“ begann. 20 Erbhöfe sollten entstehen. 1943 standen davon 15. Im Dezember 1944 sorgten Fliegerangriffe für neue Zerstörungen und Schäden, ein letztes Mal wurden die Einwohner evakuiert. 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, waren 108 Haltinger gefallen, 57 wurden vermisst.

Wiederaufbau

Der weitere Wiederaufbau im zerstörten Ort begann erst 1950/51 unter Bürgermeister Arend Braye und mit Hilfe des Marshall-Plans. Im Sommer 1951 konnten 15 Gebäude bezogen werden, 60 Familien, darunter auch Flüchtlinge, lebten noch in den Baracken.

Schritt für Schritt wurde in den Folgejahren die Infrastruktur des Ortes ausgebaut, dessen Bevölkerungszahl stetig wuchs. Wichtige Etappen sind die Erweiterung des Schulhauses, der Bau der Turn- und Festhalle im Jahr 1957 und der Hans-Thoma-Schule 1970.

Gleichzeitig ging der Strukturwandel vom Bauerndorf zum Standort für Industrie-, Handwerk, Handel und Dienstleistung, die schon 1960 rund 40 Prozent der Bevölkerung beschäftigten, weiter.

Gebietsreform

Zu heftigen Auseinandersetzungen im Ort führte in den 70er Jahren die geplante Gebietsrefom, die schon 1967 vom Land beschlossen worden war, als Haltingen seine 1200-Jahrfeier hatte. Am Ende mussten die Haltinger unter dem damals amtierenden Bürgermeister Walter Fribolin zustimmen, wollten sie nicht zwangsweise eingemeindet werden. Am 1. Januar 1975 wurde Haltingen ein Ortsteil der Stadt Weil am Rhein.

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