„Big Brother“, den George Orwell anno 1949 als allgegenwärtigen Überwacher jeglicher Privatsphäre literarisch vorführte, war wohl nur der sprichwörtliche Waisenknabe im Vergleich zu „Big Data“, der für den gesellschaftlichen Umbruch unserer Zeit steht. Dieses Gefühl jedenfalls vermittelte das Finale des Kunst- und Kulturprojekts „Freiheit 2.0“, das sich während der letzten vier Wochen im Weiler Stapflehus mit den allgegenwärtigen digitalen Technologien kritisch auseinandersetzte. Von Walter Bronner Weil am Rhein. Das Resümee, das Initiator und Organisator Florian Mehnert abschließend zog, war zwar keine überragende Erfolgsbilanz, aber auch nicht unbefriedigend. Denn mit den diversen Fachvorträgen, Kolloquien und Diskussionsrunden wurde doch eine, so Mehnert, „kleine Revolte“ in Gang gesetzt. Es ging schließlich um nicht weniger als um die „Willensbildung und Entwicklung eines eigenen neuen Denkmodells über den Wert der Privatheit in der digitalen Parallelrealität“. Den Ausführungen der Fachreferenten folgen zu können, setzte mitunter aber auch umfassende Kenntnis und versierte Praxis im Umgang mit der Informationstechnologie voraus. So auch beim Abschlussvortrag von Britta Schinzel, die ihrem Auditorium die vielfältigen Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch die „Einregulierung über Big Data-Geschäftsmodelle“ darzustellen suchte. Dabei zeigte die für verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) tätige Professorin der Rechtsinformatik und Science-Technology auf die Zwänge und Manipulationen, mit denen das Big Data-Arsenal vom Handy bis zum Großcomputer alle Lebensbereiche der heutigen Gesellschaft durchdringt, steuert und den Begierden mächtiger Player ausliefert. Diese wiederum hätten eine neue Form des globalen Kapitalismus erfunden, den Daten- und Überwachungskapitalismus, für den es fast keine gesetzliche Regelungen gebe und die kaum jemand zu beeinflussen vermöge. Die Referentin beleuchtete auch die deutsche und europäische Rolle innerhalb dieses nahezu unregulierten Feldes der globalen Digitalisierung und befand diese kaum konkurrenzfähig gegenüber den billiger produzierenden Asiaten und den Programme-Entwicklern der USA (Stichwort: Silicon Valley). Die einzige Chance europäischer Partizipation sah sie im Bereich der Sicherheitstechnologien, die hier entwickelt und optimiert werden können. Mit „Freiheit 2.0“ wollte Florian Mehnert neben Information und vertiefende Nachbearbeitung gewonnener Erkenntnisse und Einsichten auch einen Umdenkungsprozess anstoßen und vor allem die Geschäftswelt dafür gewinnen. Ansatzweise gelang ihm das auch, denn etwa 20 Kleinbetriebe und Fachgeschäfte ließen sich während der Projektzeit „umfimieren“ und trugen das „Freiheit 2.0“-Emblem in ihrem Unternehmenslogo. In der Podiumsrunde schilderten Rosa Giampapa Raps (des italienischen Spezialitätengeschäfts „da Rosa“) und Helmut Steffen (Geschäftsführer des Altweiler Businesshotels Go2Bed) ihre Anfangserfahrungen mit der Umfirmierung, die keineswegs eine Abkehr von der Nutzung neuer Medien bedeutet, aber doch einen wachsameren Umgang damit. Mehnerts besonderer Dank galt zudem Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, der sich engagiert für das Projekt einsetzte und dessen Finanzierung zu 80 Prozent sicherstellte und überdies als spontane Geste der Unterstützung am Rathaus die „Freiheit 2.0“-Flagge hissen ließ. Musikalisch abgerundet wurde die Finissage von den weithin bekannten Gipsy-Gitarristen Gigolo Reinhardt und Danietto Mettbach, die den Ausklang mit populären Stücken von Django Reinhardt veredelten.