Von Dorothee Philipp Weil am Rhein. Was für ein Finale! Das Jahreskonzert der Weiler Stadtmusik zum Ausklang des Jubiläumsjahres und zur Verabschiedung von Dirigent Dieter Steininger wird ein Meilenstein in der Geschichte des Orchesters, das als „musikalisches Aushängeschild“ des alemannischen Musikverbandes mit seinen 66 Orchestern gilt. Großartige Musik, große Gefühle, viel Beifall und auch einige Wehmut füllten die dreieinhalb Stunden in der Weiler Jahnhalle. Und als Steininger zum Abschluss jedem Mitglied im Orchester die Hand gab, während das Publikum im Saal stehend applaudierte, sah man doch den einen oder die andere verstohlen mit den Tränen kämpfen. Was die Musikerinnen und Musiker können, hatten sie an diesem Abend wieder einmal gezeigt mit einem Aufgebot an anspruchsvollster Literatur, die bis in Opern-Sphären hineinreichte. Schon der Nachwuchs der Stadtmusik zeigt, wohin die Reise gehen soll: Unter der Leitung von Michael Glünkin offerierten die jungen Musikerinnen und Musiker ein farbenprächtiges Vorprogramm mit witzigen Arrangements von Filmmusik (Pippi Langstrumpf, Fluch der Karibik) und einem fetzigen Stück aus der Feder des eigenen Dirigenten: „Sao Bento“. Luis Reinbold brillierte als Solist mit Sinatras „New York, New York“ auf dem Tenorsax. Das Hauptorchester stimmte zunächst mit einem Potpourri aus weihnachtlichen Weisen auf den Abend ein. Ein runder, gut austarierter Wohlklang strömt durch den Saal, die Takt- und Tempowechsel kommen mühelos und präzis, und das alles in einem lockeren, swingenden Tonfall. Steininger dirigiert ohne Taktstock mit knappen, energischen und ausdrucksvollen Gesten. Dass nicht allzu viel Sentimentalität aufkommt, dafür sorgt er selbst mit einer witzigen und charmanten Moderation. Er freut sich, dass „die Hütte voll ist“, dann schleust er seine Musiker durch den opulenten Klang-Parcours einer Frescobaldi-Toccata, mit prunkenden Glanzlichtern und einem tollen Schlagzeugpart. Doch das ist erst der Anfang: Als „eingefleischter Wagner-Fan“ gönnt sich Steininger in seinem Abschiedskonzert das Vorspiel zum dritten Akt des Lohengrin – und die Episode „Elsas Gang zur Kathedrale“. Und das Orchester zieht mit, bewältigt die Wagner’schen Klanggebirge mit Bravour, lässt die diffizile Harmonik des romantischen Großmeisters flimmern und leuchten, da flirren die feinen Register der Holzbläser, kontrastiert vom schweren Blech. Ein Klangereignis, das jedem Opernhaus Ehre gemacht hätte! Höchst anspruchsvoll Weiter geht es mit einer „Zugfahrt durch Oregon“, bei der aparte Flötenpassagen die vorbeihuschende Landschaft skizzieren, das Schlagzeug den Rhythmus der Räder auf den Schienen stampfen lässt und aus dem Nichts eine hufeklappernde Reitertruppe auftaucht. Auch dieses Stück ist von beachtlicher Länge, in seiner Vielgestaltigkeit höchst anspruchsvoll. Die Register lässt Steiniger im brandenden Beifall einzeln aufstehen – er hat das Orchester zu einem fantastischen Klangkörper zusammengeschweißt. Es kann auch Marsch, das klassischste aller Blasmusik-Genres: Blitzblank, schwungvoll federnd und mit zackigem Drive kommt der Schweizer Militärmarsch „Le Commandant“ daher. Mit einem James-Bond-Arrangement aus verschiedenen Filmmusiken, in das kunstvoll ein gefühlvolles „For your eyes only“ eingewoben ist, geht es weiter. Die Stadtmusik zeigt sich einmal mehr in allen Sätteln gerecht. Steininger stellt dem staunenden Publikum eine „Cuíca“ vor, eine Trommel, die von innen mit einem nassen Lappen traktiert wird und in etwa so klingt „wie ein Esel rückwärts“. Damit wird eine Soul Bossa Nova von Quincy Jones aufgepeppt, unversehens sitzt man in einem Jazzkeller, das Orchester swingt und jazzt, verschiedene brillante Soli ernten Szenenbeifall. Für emotionale Momente sorgt der Auftritt des Akkordeonisten Raymond Kuehnle aus Hüningen, der jahrelang in der Weiler Stadtmusik Mitglied war. Er spielt den fingerflinken Solopart in einem fetzigen Arrangement, das von Dieter Fahrner stammt - eine Hommage an den Mentor, der Steininger seinerzeit als Quereinsteiger zur Blasmusik gebracht hatte. „Dieter Steininger, der dritte Große, der geht nach Wowereit und Lanz“, witzelte der Dirigent bei der Ankündigung seines letzten Stücks mit „seiner“ Weiler Stadtmusik. Nur keine falsche Sentimentalität, dafür noch einmal ein guter Schuss feinstes Jazz-Feeling mit Benny Goodmans unsterblichen „In the Mood“, vom Orchester, mit Leidenschaft und Disziplin musiziert. Natürlich müssen drei Zugaben her, die das Orchester auch nach dem zweieinhalbstündigen Kraftakt bewältigt, als wäre nichts gewesen. Nach Herbie Hancocks „Watermelon Man“ schließt sich dann endgültig der grüne Vorhang. Der nächste Dirigent der Weiler Stadtmusik übernimmt ein Top-Orchester.