Da hat sich der umtriebige Theaterschaffende, Clown, Schauspielertrainer und Stückeschreiber, Johannes Galli, wohl etwas vergaloppiert, als er das Märchen von Hänsel und Gretel auf seine Sexualsymbolik hin abklopfte. Die daraus entstandene szenische Collage „Hänsel wird gegretelt“ hatte am Samstag ihre Weiler Erstaufführung im Theater am Mühlenrain, und das Publikum zeigte sich nicht allzu begeistert davon. Von Walter Bronner Weil am Rhein. Sicher, an Sexualsymbolik mangelt es den Märchen der Gebrüder Grimm wahrlich nicht. So lässt sich etwa die Käfighaltung Hänsels leicht als Gefangenschaft im erotischen Bann einer mannstollen Hexe interpretieren. Und was es mit dem dünnen Hühnerknochen auf sich hat, den ihr der Jüngling immer wieder entgegenstreckt, bedarf wohl auch keiner näheren Erklärung. In den Fängeneiner Nymphomanin Das märchenhafte Geschwisterpaar bei Grimms wird in diesem Stück zum flippigen Teenager-Duo unterschiedlicher Abstammung namens John und Greta, das sich nach der Austreibung aus dem jeweiligen „Hotel Mama“ zufällig trifft. Auf gemeinsamer Motorradtour geraten die beiden im Wald vom Weg ab und in die Fänge einer ebenso auf- wie abgetakelten Nymphomanin , die den tumbem John mithilfe von Pornoheften bezirzt und Greta als Putze ausbeutet. Die stellt sich aber beim Feuermachen so dappig an, dass die Hexe selbst den Ofen anheizt und mit einem heftigen Tritt des vermeintlichen Dummerchens ausgeschaltet wird. Den Rückweg aus dem Wald findet das Duo dann ganz problemlos nach einem Platztausch auf dem Motorrad mit Greta am Lenker und John als Sozius, der sie nach erst zögerlichem Abtasten genau dort umfasst, wo sie doppelten Halt zu geben verspricht. Diese Transformation des Grimm‘schen Märchens hätte soliden Stoff für eine pfiffige erotische Komödie à la Curt Goetz („Die Tote von Beverly Hills“) abgeben können, geriet bei Galli aber zu einem Bühnenkonstrukt, das in allen Scharnieren knarzte. Statt wortwitziger Dialoge war häufig derber Stammtisch-Slang von eher plumper Anmache angesagt, die womöglich lehrhaft oder gesellschaftsentlarvend gedachten Intensionen des Stücks mündeten in eher fragwürdige Binsenweisheiten wie „Alles Böse ist ungeduldig“ . Und dass man sich nur dumm genug stellen muss, um eine Rivalin oder einen Nebenbuhler aus dem Feld zu schlagen, ist wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss. KomödiantischesAusdrucksvermögen Trotz alledem: das Darstellertrio im Weiler TAM Emine Akman (boshafte Mutter, üppig proportionierte Sexi-Hexe und Regie), Mirjam Schingnitz (Greta) und Anil Yavuz (Hänsel-John) zogen bemerkenswert viele Register komödiantischen Ausdrucksvermögens bis hin zu effektvollen Slapstick-Gags, überzeichneten mitunter aber auch. Die Inszenierung war recht kompakt, die Musik dazu von Barock bis Rock effizient getimt und die sparsame Bühnenausstattung optisch effektstark. Etliche Szenen waren auch höchst bühnenwirksam, etwa die als Leinwand-Schattenspiel aufgezäumte laszive Hexen-Performance, die imitierten Motorradtrips auf einem banalen Küchenhocker und die an den Kultfilm „Rocky Horror Picture Show“ angelehnte Szenerie, in der die Hexe ihre beiden Opfer kujoniert. Offenbar unfreiwillige Komik entfalteten die Momente, bei denen die Hexe das zu verglimmen drohende Streichholz doch noch zum Aufflackern bringt und Greta immer wieder vergeblich versucht, den allzu hoch rutschenden Saum ihres hautengen Minikleids in die angemessene Position zu rücken. Der Applaus der Premierenpublikums war am Schluss eher zurückhaltend freundlich und - um mit Friedrich Torberg zu sprechen – rasch endenwollend.