Weil am Rhein Puzzelartige Papier-Kreationen

Weiler Zeitung
Die Künstlerin Natascia Scarpa in ihrem Kesselhaus-Atelier bei der Arbeit Foto: Gundula Weissenrieder Foto: Weiler Zeitung

Serie: Kesselhaus-Künstler: Heute Natascia Scarpa / Vielseitige Künstlerin wagte Neuanfang in Weil

Von Gundula Weissenrieder

Papier: Klein geschnipselt, ausgeschnitten, koloriert, sortiert, geklebt, gepinnt, lose. Alles, nur nicht banal normal. Das Atelier Nr. 2 der Basler Künstlerin Natascia Scarpa ist eine Welt, die anmutig leicht und mitunter verspielt-sinnlich wirkt. Doch das mit jener hintergründigen Substanz, die den Blick anzieht und bisweilen verwirrt, ständig auf Neues schweifen lässt - und doch in die eigene Fantasie entführt.

Weil am Rhein. Levità, dieses Synonym beschwingter Leichtigkeit: Es kommt beim Eintritt in den Werkraum in den Sinn, beim Betrachten des so ausufernd-schwungvoll Beredten der hier allerorts gestalteten Kollagenbilder. Diese faszinierenden Kunst-Labyrinthe bahnen sich wie elegant-eigenwillige Mannequins graziös ihren Weg über Tisch, Schrank und die geweißten Wände hinweg. Papierene Reigen ohne Einhalt vor Ecken und Kanten.

„Dieses Wuchern, das Viele, das interessiert mich. Aber auch, wenn in dieser Fülle die Einzelteile herausgesucht werden müssen, das Fokussiertsein auf ein puzzleartiges Ensemble“, nickt Natascia Scarpa, die Schöpferin dieser geschmeidig sich dehnenden Papier-Kreationen. Und konkretisiert lächelnd anhand ihres neuesten Projekts: „Ich habe nie wirklich klassische Malerei auf Leinwand gemacht, sondern konzentriere mich auf ausschneiden, kleben, neu zusammenführen. Hier versuche ich alles, was ich in meinem Fundus habe, zu verwenden, in ein Ganzes einzufügen“, weist sie auf Schubladen voller Bildersammlungen, Teilstücke oder Kopien, der Grundlage aller Wandgebilde.

Dabei stößt sie auf Themen wie auf einen roten Faden, dem sie nicht gezielt folgt, doch stets in ihren Werken eingestrickt wiederfindet: Kunstgeschichtliche Elemente, Ornamente, Figürliches, Pflanzen wie Blumen, Girlanden, Ranken.

„Was ich einfach gar nicht kann: Einen Rahmen zu geben. Oder zu glatt und akkurat zu arbeiten. Bei mir muss alles frei sein, hinaus und aus sich heraus strebend. Auch wechselhaft als lose Elemente, die ich wieder wegnehmen, anders gruppieren kann und die nicht fix angeordnet bleiben müssen.“ Dass bisweilen über ihre bewusst eingesetzten Elemente, etwa die angepinnten Stecknadelköpfe, moniert wird, hinterfragt sie zwar ernsthaft: „Doch ich komme zu demselben Ergebnis: Für mich muss es nicht geschliffen und designt sein. Der Arbeitsprozess, das Rohmaterial darf ruhig dahinter erkennbar sein. So ist es einfach stimmig.“

Solch freigeistiges künstlerisches Agieren findet sich wie ein gelungenes Motto auch im recht umtriebigen Lebensweg: Im süditalienischen Salerno aufgewachsen, kam die Achtjährige mit Schwester und Eltern in die Schweiz: „In jenem Winter 1982, ja, da habe ich das Meer vermisst: Kannte ich doch diese graue Kälte nicht!“, reflektiert die Künstlerin die Zeit ihres ersten Umzugs. Der setzte sich nach Deutschland fort und führte „dann immer so ein bisschen hin und her“. So absolvierte sie in Mailand ihr vierjähriges Studium an der Accademia di Belle Arti di Brera, um diesem nach Abschluss 1999 eine Dozententätigkeit, dann Druckgrafikarbeiten sowie die Kunstwissenschaft an der Universität Basel folgen zu lassen. „Da merkte ich schnell, dass ich mit den Händen arbeiten muss.“

Aufgeschlossen für vieles, führte sie zur Jahrtausendwende eine freie Stelle nach Konstanz, zum Restaurator für Baufassung: „Schnurstracks wurde ich auf eine Baustelle bestellt – wie ich anschließend überhaupt viel pendelte“, taucht sie begeistert ein in eine Zeit der Zusammenarbeit und Unterweisung in ein Handwerk, „das sehr vielfältig war und mir ausnehmend gut gefiel: Haben wir doch Stuckarbeiten bis Malerei in alten Bauwerken, aber auch Bilder, retuschiert und gesichert.“ So ambitioniert folgten drei Lehrjahre und Gedanken an ein Studium, um das dafür notwendige Diplom zu erwerben. Doch wegen eines Betriebsunfalls schloss die Firma.

Natascia Scarpa kehrte 2004 nach Basel zurück. Sie steckte ihre Möglichkeiten neu ab: „Doch dann wurde ich schwanger, bekam meine Tochter. Und so hat sich eben alles anders entwickelt.“

Das war vor elf Jahren, zeitgleich mit der Anmietung im Kesselhaus: „Es war wirklich ein Neuanfang,“ reflektiert sie ein „Freischwimmen“ aus dem Hobbyraum zuhause, zu dem auch die Führung des elterlichen Eiscafés in Grenzach-Wyhlen gehöre. Vor die Wahl zur Übernahme gestellt, musste sie feststellen, dass ihr das Kunstschaffen doch fehlte.

Wieder kam ihr der Zufall entgegen, das Atelier Nr. 2 beziehen zu können. Seitdem stürzt sie sich ins Kreative, malt, zeichnet, erarbeitet Scherenschnitte in neuer Fasson. Dieser Passion folgt sie bis heute: „Eine stete Weiterentwicklung, weit gefächert und weder auf Technik, noch auf Format oder Farbe festgelegt“. Das führt sie wieder zurück zu ihrem plastisch-filigranen Wand-Tattoo und zur Idee des Temporären. „Das immense Material, das wir von überall ansammeln – es belastet auch. Ich bin geneigt, für den Moment und immer wieder neu zu gestalten. Es muss ja nicht im Substanziellen bestehen bleiben, ist es doch in Erinnerung und Erfahrung vorhanden.“

Erfahrung, die die inzwischen zweifache Mutter – der bald zwölfjährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes – ebenso mit ihrem Master in Design und Kunstvermittlung im Lehramt einzusetzen weiß. „Ich probierte ja schon als Kind vieles gleichzeitig aus – das habe ich wohl beibehalten“, lacht sie in Andeutung an ihre „bis zu 20 verschiedenen Arbeiten gleichzeitig.“ Sicher oft ein Hürdenlauf. Doch: „Ich bin ständig am Sammeln, am Denken, setze mich unentwegt mit etwas auseinander. Das ist eigentlich Luxus: Aber ich könnte gar nicht anders!“

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading