Weil am Rhein „Um mich herum stürzen

Weiler Zeitung

Die Weiler Journalistin Stefanie Glinski hat das Erdbeben in Nepal hautnah miterlebt

Stefanie Glinski (28) lebt als Journalistin in Kathmandu und schreibt für verschieden englische Medien, unter anderem für die BBC, sowie für internationale Hilfsorganisationen, die in Nepal tätig sind. Sie hat ihr Abitur am Kant-Gymnasium gemacht, war auch als freie Mitarbeiterin für die Weiler Lokalredaktion unserer Zeitung tätig und hat ihren Bachelor im Bereich internationaler Journalismus in den USA und ihren Master in England absolviert. Stefanie Glinski arbeitet nun schon seit mehreren Jahren als Journalistin im Ausland. Vor ihrem Engagament in Nepal war sie in Brüssel und hat über Europapolitik berichtet. Nach Kathmandu hat es die Weilerin hauptsächlich verschlagen, weil sie gerne mehr über humanitäre Angelegenheiten berichten wollte und nicht nur über Politik. „Da schien Nepal gerade richtig“, sagt Stefanie Glinski, die weiterhin in Kathmandu bleiben will. Sie war 2007 nach dem Abitur aus Weil weggegangen, allerdings ist sie jedes Jahr öfters in der Grenzstadt anzutreffen, weil Familie und Freunde hier leben.

Weil am Rhein. Das schwerste Erdbeben in der Himalaya-Region seit fast 100 Jahren, das bis gestern mehr als 3200 Tote und unzählige Verletzte forderte, hat die Weiler Journalistin Stefanie Glinski hautnah miterlebt, lebt sie doch seit sechs Monaten in Nepals Hauptstadt Kathmandu. Sie befand sich zum Zeitpunkt des gewaltigen Bebens in Bhakthapur und hatte viel Glück, als Häuser und Tempel um sie herum eingestürzt sind.

Stefanie Glinski, die als freie Mitarbeiterin für unsere Weiler Lokaldredaktion tätig war, bevor sie 2007 ins Ausland ging, arbeitet in Nepal auch mit einigen deutschen Organisationen zusammen, die Reliefarbeit machen. Nicht nur Häuser und Tempel wurden bei dem gewaltigen Erdbeben komplett zerstört, sondern auch viele Ziegelsteinfabriken. Die Menschen sitzen jetzt auf der Straße – auch Kinder, die in solchen Fabriken Kinderarbeit leisten müssen, wie Stefanie Glinski berichtet. Zwischen Angst vor weiteren Beben und Hoffnung, die Katastrophe unbeschadet zu überstehen, schwankte ihre Gemütslage. Wie die Weilerin das schreckliche Erdbeben erlebt und überlebt hat, schildert sie  im  nachstehenden Bericht:

Samstagvormittag stand ich in Nepals ältester Stadt, Bhakthapur, während die Erde bebte und um mich herum alle Häuser und Tempel einstürzten. Das schwere Erdbeben mit einer Stärke von 7,8, das Nepal verwüstet hat, dauerte. 52 Sekunden. Doch nun ist hier alles anders und wir leben jeden Tag in Angst vor weiteren Nachbeben.

Seit sechs Monaten lebe ich nun in Kathmandu und ich wusste von Beginn, dass ein größeres Erdbeben in den nächsten Jahren erwartet wird. Dass es jedoch so schnell gehen würde, hätte niemand gedacht.

Über 250 Menschen starben um mich herum in Bhakthapur, insgesamt liegt die Todeszahl nun bei über 3200. Entsetzt musste ich zusehen, wie Väter ihre toten Kinder unter den Tempelruinen herauszogen – vor Schmerz weinend und schreiend.

Schon nach einer Stunde erreichte die nepalesische Armee Bhakthapur, um weitere Opfer zu bergen und bei den Ausbauarbeiten zu helfen. Jedoch ging es nicht lange, bis weitere Nachbeben die Erde abermals „schüttelte“. So saßen wir stundenlang auf dem Ziegelstein-gepflasterten Stadtplatz in der Hoffnung, dass uns die noch stehenden Gebäude bei dem nächsten Erdstoß nicht verschütten würden. Die Zerstörung war bereits unermesslich.

Einige Stunden dauerte es, bis ich mich entschieden hatte, mit meinem Motorroller aus der alten und nun gefährlichen Stadt herauszufahren. Mein Vater, der Nepal zum ersten Mal besuchte, war auf dem Rücksitz.

Während wir langsam nach Kathmandu fuhren, wurde mir das weitere Ausmaß bewusst: Straßen waren eingesunken, Häuser eingestürzt und Menschen saßen voller Angst draußen, niemand traute sich in die Nähe von Gebäuden. Auch am Sonntag gab es ein schweres Nachbeben in Kathmandu, bei dem weitere Menschen verletzt wurden.

Einige Tage nach dem Erdbeben kämpfen wir hier nun mit neuen Problemen. Die Wasser- und Nahrungsvorräte gehen langsam dem Ende zu. Nachdem wir gestern eine halbe Stunde durch die leere Stadt gefahren sind, konnten wir gerade ein altes halbes Hähnchen in einem kleinen Restaurant finden, ansonsten gab es nichts zu essen. Wenn man Hunger hat, dann schmeckt alles. Auch Benzin ist limitiert, sodass das Tanken von wenigen Litern schon einige Stunden Wartezeit in Kauf nimmt. Die meisten Teile der Stadt sind nicht mit Strom versorgt, es gibt kaum Internet, auch die Telefonleitungen funktionieren langsam.

In Hotels, die langsames und sporadisches Wi-Fi anbieten, drängen sich Journalisten und Hilfsarbeiter in die Lobbys, um vielleicht einige E-Mails und Nachrichten verschicken zu können.

Die Nächte verbringen wir draußen, momentan auf einem großen überdachten Basketballplatz. Viele Menschen schlafen unter freiem Himmel, auf Teppichen oder Plastiktüten. Auch in Krankenhäusern werden Behandlungen und kleinere Operationen außerhalb durchgeführt. Gestern Nacht regnete es stark.

Während Hilfsorganisationen an Kathmandus überfülltem Flughafen landen und Überlebende ihre toten Angehörigen unter Tränen an den Flüssen verbrennen, hat die Bevölkerung weiterhin Angst. „Lass dich evakuieren, komm aus diesem Chaos raus,“ war der Ratschlag vieler besorgter Freunde. Aber das kann ich im Moment nicht, denn es gibt viel zu tun: Menschen brauchen Hilfe, Berichte müssen geschrieben werden. Die nächsten Monate in Kathmandu werden voller Arbeit sein, in der Hoffnung, dass sich unser Leben und Alltag bald beruhigt.

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