Weil am Rhein Vereine müssen Veränderungen meistern

Weiler Zeitung
Vertreter der Haltinger Traditionsvereine blicken verhalten optimistisch in die Zukunft: Tatjana Multner (12 Glunki), Gustav Walliser (Gesangverein), Joachim Pauls (Schützenverein), Norbert Höllstin (Harmonika-Club), Peter Reinacher (Turnverein), Rolf Jägle (Fußballverein), Anita Möhring (Evangelischer Kirchenchor), Andreas Musolt (Gesangverein), Sabine Musolt (Evangelischer Diakonie- und Frauenverein), Hans Schmidhauser (Alphornbläser) und Jutta Muny (Frauenchor Cantabella). Foto: Jasmin Soltani Foto: Weiler Zeitung

Gegenwart: Mehr als 40 Kultur-, Sport- und Sozialvereine in Haltingen / „Eltern in der Pflicht“ / Weitgehend optimistisch

Von Jasmin Soltani

Eine recht junge Erscheinung in der 1250-jährigen Geschichte von Haltingen sind die Vereine, deren ältester aber immerhin über 170 Jahre alt ist. Heute zählt der Ort mehr als 40 Kultur-, Sport- und Sozialvereine. Trotz gesellschaftlicher Veränderungen und obwohl es manchen früheren Verein nicht mehr gibt, blickt ein Großteil der Vereinsvertreter positiv in die Zukunft.

Weil am Rhein-Haltingen. Das ABC der Vereine kann sich sehen lassen. Es reicht von kleinen Gruppierungen wie die der siebenköpfigen Alphornbläser um Hans Schmidhauser über mitgliederstarke Klassiker wie Gesang-, Musik-, Fußball- und Turnverein bis zur Judoschule und Fasnachtscliquen wie die „12 Gluggi“ und die Wöschbachwyber (siehe weiteren Bericht). Hinzu kommen Rettungsorganisationen wie Ortsgruppen des Deutschen Roten Kreuzes und der Freiwilligen Feuerwehr (wir berichteten) sowie Fördervereine öffentlicher Einrichtungen.

Mit Musik und Gesang

Auf die längste Historie blickt der Gesangverein zurück. 1842 gilt als Gründungsjahr, 20 Vorstände und 17 Dirigenten hat der Verein erlebt und gezeigt, dass er durchaus weiß, mit der Zeit zu gehen. Ursprünglich ein reiner Männerchor, wurde 1992 ein Frauenchor gegründet, der sich zum 25-Jährigen selbstbewusst den Namen „Cantabella“ gab. So lange es geht, wollen Männer- wie Frauenchor selbstständig bleiben, betonen die Vorsitzenden Jutta Muny und Gustav Walliser. Es gebe genügend aktive Männer (etwa 40) und Frauen (36) in beiden Chören. Sie treten zwar gerne gemeinsam auf, sagt Walliser, er befürchte aber im Falle einer Fusion einen Mitgliederschwund. „Andere Männergesangvereine haben in solchen Fällen ein Drittel ihrer Leute verloren.“

Nachwuchs im Blick

Dabei ist es nicht so, dass es keine Nachwuchssorgen gebe: „Wir suchen immer junge Leute, die den Chor aufmischen“, spricht Muny auch Walliser aus der Seele. Die Dirigenten Kai Trimpin und Monika Argast versuchen es, indem sie auch Popmusik und moderne Gassenhauer singen lassen – „und sie begeistern mit ihrer Art selbst Ältere“, findet Andreas Musolt, der Vize-Vorsitzende.

Klassik und Pop hat auch der 1907 gegründete Evangelische Kirchenchor in seinem Repertoire, um für Jüngere attraktiv zu werden, sagt Anita Möhring. „Dem Chor fehlen vor allem männliche Stimmen“.

Auch der quirlige Musikverein um den Vorsitzenden Jürgen Wehrle muss sich um die Jugend bemühen. „Man darf das nicht verschlafen.“ Wenn von seinen 32 Aktiven drei aus beruflichen Gründen oder wegen der Ausbildung wegziehen, dann reißt das eine Lücke von zehn Prozent in das Orchester. Und Wehrle muss froh sein, wenn er die über das Jugendorchester schließen kann. Deshalb gibt es nicht nur eine Kooperation mit der Musikschule, sondern auch Aktivitäten außerhalb des Musizierens, die den Zusammenhalt fördern sollen.

Eine besondere Herausforderung sind Nachwuchsprobleme beim Harmonika-Club mit 18 Aktiven und dem achtköpfigem Jugendorchester. Es brauche acht Jahre, um das komplexe Instrument solide spielen zu können, erläutert der Vorsitzende Norbert Höllstin. Er sieht deshalb auch die Eltern in der Pflicht, ihre Kinder zu motivieren, am Ball zu bleiben. „Diese Unterstützung fehlt oft“, sagt er, womit er anspricht, was viele Vereine ärgert: Es sei wie bei den Kindergärten: „Manche Eltern laden ihre Zöglinge bei uns einfach nur ab, mehr interessiert sie nicht“, sagt Peter Reinacher, Vorsitzender des 900 Mitglieder starken Turnvereins, mit rund 250 jungen Leuten, von denen aber immer weniger an Wettkämpfen teilnehmen.

Lange in der Schule

Aber auch die Ganztagsschule trage mit dazu bei, dass junge Leute weniger Zeit für Vereinstätigkeiten hätten. Hinzu kämen die größere Mobilität im Ausbildungs- und Berufsalltag und neue Arbeitszeitmodelle. Eine Folge: Den Sportvereinen fehlen Übungsleiter. Vor allem Jugendtrainer sind Mangelware, bekräftigt auch Rolf Jägle vom Fußballverein „Wir könnten auch mehr unserer beliebten Fitnesskurse anbieten, wenn wir dazu die Kapazitäten hätten“, assistiert Turnwartin Astrid Grunicke – und nennt dabei auch fehlende Räumlichkeiten. Dieses Problem, hofft Reinacher, werde sich mit der Sanierung der Haltinger Festhalle lösen lassen.

Kunstrasen und Auflagen

Auch auf das Sportkonzept der Stadt setzt Rolf Jägle. Der FVH hadert seit langem mit seinem Trainingsfeld, das wegen des hohen Grundwasserspiegels bis April nicht bespielbar ist: Ein Kunstrasen soll her. Jägle beklagt zudem die bei vielen Zugezogenen fehlende Identifikation mit dem Ort. Auch das führe dazu, dass den Vereinen die Kräfte ausgingen.

Joachim Pauls von der 100 Mitglieder starken Schützengesellschaft wurmen vor allem die zunehmenden Auflagen der Behörden. Mit ihnen übt sich der Verein derzeit im Fingerhakeln wegen neuer, teurer Geschossfangkästen, die ihm auferlegt worden seien. „Und das, obwohl die Anlage erst vor geraumer Zeit erneuert wurde.“ Auch mit solchen Auflagen könne man Vereine kaputt machen.

Blick in die Zukunft

Was tun, um Vereine am Leben zu halten? Auf Nachwuchssorgen reagiert jeder anders, mancher geht den Weg in zunehmende Projektarbeit, andere forcieren die Kooperation mit Schulen oder anderen Vereinen oder denken über gemeinsame Aktionen nach. Großen Wert legen alle Vereinsvertreter auf ihre Passivmitglieder. Ohne sie sei Vereinsarbeit nicht zu leisten. „Unser größtes Gut“ nennt sie gar Tatjana Multner von den „12 Glunggi“. Die Vorsitzende der Fasnachtsclique macht sich Sorgen um die mitunter zunehmende Verrohung bei den Umzügen. Der Zusammenhalt unter den rund zehn Traditionsvereinen sei aber nach wie vor groß.

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