Weil am Rhein Weltschlussverkauf – oder wie wir uns zugrunde richten

Weiler Zeitung
Das Künstler-Duo „AnRa“ Foto: Dorothea Gebauer Foto: Weiler Zeitung

Festival: New Avantgarde Festival Motion 9 mit den Andra Art Twins im Kunstraum Kieswerk

Weil am Rhein. Der Tisch ist schön gedeckt. Das Silberbesteck links und rechts vom Teller liebevoll platziert, die Gläser funkeln. Zu Tisch! Es ist angerichtet! sagt das Künstler-Duo „AnRa“ ( Andreas und Ralph Hilbert) in der Säulenhalle Kunstraum Kieswerk. Doch was sie servieren, ist keine leichte Kost. Zum Glück. Denn sie haben viel zu sagen. Die begehbare Installation, die Ausstellung mit Live-Programm sind kein Fast Food, sondern kräftige Feinkost, die die geistige Verdauung nachhaltig herausfordert.

Da liegen beispielsweise auf großem Teller lauter kleine Plastikpanzer. Da sind auf der jüdischen Menorah, dort, wo Kerzen brennen sollten, kleine Bomben eingesteckt. Die Ästhetik der Tafel wird durch kleinste, präzise arrangierte Gegenstände unterbrochen. Fisch, Wein und Brot, Elemente des heiligen Abendmahls werden verfremdet, der Fisch ist umdrahtet und liegt gefangen in der Schale. Das vermeintlich harmonische Ensemble ist überzogen von Momenten aggressiver, attackierender und züngelnder Gewalt und Gier. Die Menschen, die unsichtbar um den Tisch herumsitzen, scheinen unersättlich, scheinen keinerlei Maß zu kennen, fressen sich und mögliche Gemeinschaft auf. Die Gabeln stechen, die Messer zerschneiden alle Verbindungen, trennen Freund und Feind.

Performance, Collage, Siebdruck, Installation. Das sind die Gefäße, in denen die beiden Künstler ihre Botschaften packen. Was einem in der Säulenhalle neben großer Tafel entgegenkommt, ist neben viel „eso & eco trash“ der sogenannte „Weltschlussverkauf.“ Das sind große Karten, die sie übermalt haben und auf denen sinnentleerte Sehenswürdigkeiten feilgeboten werden. Die Serie aus Olympia-Zielschreiben macht deutlich, dass wir auf alles und jeden schießen können. Die Installation „American Dream“ zeigt die amerikanische Flagge, in der Stacheldraht verwoben ist. Ein verletzbares Baby sitzt auf einem Atomfass. Wann wird es explodieren?

Diese Kunst weckt den Entdeckerinstinkt und schärft den tieferen Blick. Man kann die Dinge 100 Mal betrachten und wird immer wieder Neues entdecken. Die Künstler selbst sind Entdecker: Sie sammeln Gegenstände, auf dem Teufelsberg in Berlin etwa und gewinnen für ihre Kunst zurück, was andere zu Schrott erklären.

Auch wenn sie auf keinen Fall moralisch daherkommen wollen, ist ihre Kunst doch hoch politisch. Ihre beißende und feinsinnig konstruierte Gesellschaftskritik kreist um Konsum, Kapitalismus, Gier und Hass: Menschen schießen auf Menschen, Menschen werfen Wertvolles weg und ersticken am Trash, Menschen töten, was lebendig ist. „Wir sollten uns endlich besinnen auf das, was wir sind: Eine Menschheit auf einem Planeten,“ sagen sie.

Volker Scheurer vom Kieswerk hat die beiden eingeladen, weil ihm gefällt, was sie thematisch machen und „weil sie ihre Arbeit professionell und mit ganz großer Akribie vorantreiben,“ sagt er. Diese Haltung hat ihren Preis. Andreas und Ralph Hilbert haben alles auf eine Karte gesetzt und haben sich ganz der Kunst verschrieben. Sie pendeln zwischen Lottstetten und Berlin, wo sie sich einer Künstlertruppe in Treptow angeschlossen haben. „Im Johannishof, dort, wo die Nazis früher ihre Flugzeuge bauten,“ sagen die Verwandlungskünstler lächelnd. Mögen die Ideen vom „AnRa“ anders und weit fliegen und bei vielen landen.   bis Montag, täglich ab 15 Uhr. So und Mo, 16 Uhr: Performance

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading