Weil am Rhein Wie wir wohnen wollen

Weiler Zeitung
Klein aber fein: Blick in eine lebensecht gestaltete so genannte Cluster-Wohnung Fotos: Gabriele Hauger Foto: Weiler Zeitung

Ausstellung: „Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ im Vitra Design Museum

Von Gabriele Hauger

Weil am Rhein. Charlotte, 35, alleinerziehend. Ihr Sohn Emil ist fünf Jahre alt. Mit ihm bewohnt sie 45 Quadratmeter. Zwei kleine Zimmer, Mini-Küche, Mini-Bad. Zur Verfügung steht den beiden zudem ein Gemeinschaftsraum. Wir betreten ihre Wohnung, sehen Zeitschriften, Spielzeug, ein aufgeschlagenes Bett. Durch die Fenster wird mittels Fotografien von Daniel Burchard ein realer Blick in ein Stadtviertel suggeriert.

Die so genannte Cluster-Wohnung im Rahmen der Ausstellung „Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ im Vitra Design Museum ist ein imaginäres, aber lebensnahes Beispiel, inszeniert mit Sprechblasen der vermeintlichen Bewohner. So kann gemeinschaftlicher Wohnraum aussehen, für Menschen mit weniger Geld, trotzdem lebenswert.

Wohnen: ein wichtiges, aktuelles Thema, das ein Kuratoren-Team, bestehend aus den Architekten Ilka und Andreas Ruby, Daniel Niggli und Mathias Müller im Vitra Design Museum umgesetzt hat: spielerisch, informativ, auch mal provozierend.

Zu Beginn bekommt der Besucher einen informativen Überblick über die Geschichte sozialer Wohnideen. Vergrößerte Fotografien aus der Hausbesetzerszene der 80er Jahre oder eine Wohngenossenschaft aus den 1920er Jahren: Solche Beispiele zeigen, dass das Thema Wohnen die Menschen schon lange umtreibt.

In mehreren Filmen bekommt man Einblick in Wohnprojekte weltweit und deren Entstehungsgeschichte: kreative Reaktionen auf die geplatzte Immobilienblase in Spanien; temporäre Wohnmöglichkeiten in Bangkok; die Neunutzung einer Investoren-Ruine in Caracas, um nur drei zu nennen.

Die Ausstellung macht auch klar: Der in Deutschland weit verbreitete, jahrzehntelang beschworene Wohn-Klassiker Vater, Mutter, zwei Kinder im Einfamilienhaus kann und wird nicht Standard bleiben. Die Gesellschaft ändert sich – und damit die Bedürfnisse nach Wohnraum. Viele Alleinstehende, Ältere, Alleinerziehende suchen nach Alternativen in der Gemeinschaft, die soziale Kontakte fördern und gleichzeitig Kosten senken. Denn vor allem in den Metropolen wird Wohnen unbezahlbar, finden Verdrängungswettkämpfe statt, verschiebt sich die gesellschaftliche Zusammensetzung.

Das Problem existiert weltweit. Und es ist beeindrucken, mit wieviel Kreativität und Fantasie sich die Profis – die Architekten – dem Thema mit menschenfreundlichen Ideen widmen. Einen Überblick darüber verschafft im Museum eine Installation aus 21 großformatigen Modellen heutiger Wohnbauprojekte weltweit, die allesamt realisiert oder im Realisierungsprozess sind. Zusammengefügt wurden sie zu einer Modellstadt mit Einblicken in gemeinschaftlich mögliches Miteinander, von dem alle Seiten profitieren, zeigen die zunehmende Verschmelzung von öffentlichem Raum und Privatheit. Die Beispiele stammen aus Berlin, Zürich, Los Angeles, Tokio und Wien.

52 Wohnungen, Theater, Café, Kita, Werkstätten für Jugendliche sowie ein öffentlicher Yachthafen: Dieses facettenreiche Wohnprojekt gibt es in Amsterdam. In Kopenhagen wiederum existiert neben dem Wohnraum ein Supermarkt und eine Sporthalle, Terrassen für Alle gibt es auf den Dächern. In manch einem Modell locken gar Dachpool und Sauna. Was zeigt, dass gemeinschaftliche Wohnprojekte nicht nur sozial, ökologisch und praktisch sein können, sondern, dass sie dem einzelnen auch mehr Komfort bieten können. Durch die innovative Lösungssuche der Architekten entsteht auch eine eigene Ästhetik. Die detailreich aufgebaute Modellstadt mit Figuren, Bäumen und Mobiliar weckt die Hoffnung, dass – entsprechend dem Ausstellungs-Titel – ein „Together“ des Wohnens erstrebenswert sein kann.

Abschluss der Ausstellung bietet im Obergeschoss der neu gestaltete Raum als Co-Working Space, der wie ein Arbeitsraum aufgebaut ist. An fünf Schreibtischen werden fünf Projekte erläutert, darunter das Zwicky-Süd in Zürich, das R50 in Berlin oder die Kombination aus Apartment und Restaurant in Tokio. Es wird gezeigt, wie Architektur funktioniert, welche Herausforderungen sie im Alltag stellt und wie diese praktisch zu realisieren sind. Denn, so Direktor Mateo Kries: „Architektur muss Antworten auf die Wohnungsnot geben.“ Und sie sollte den Menschen vor Augen führen, welche Vorteile ein echtes „Zusammenleben“ haben kann.   bis 10. September, täglich 10 bis 18 Uhr; es ist ein ausführlicher Katalog erschienen. Außerdem gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm mit verschiedenen Vorträgen, Diskussionen und (Kinder-)Workshops, www.design-museum.de

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading