Weil am Rhein „Wiederaufbau des Berges“ am Ziel

Weiler Zeitung
Rebveredelungssaal des Weinbauinstituts in Freiburg 1928 (Staatliches Weinbauinstitut Freiburg). Foto: Weiler Zeitung

Geschichte: Zweiter und letzter Teil: Die Fortführung des Rebenaufbaus in Haltingen von 1949 bis 1955

Von Markus Eisen

Der Rebenaufbau mit reblausresistenten Pfropfreben, oft verbunden mit einer Rebflurbereinigung, bestimmte den badischen Weinbau von 1950 bis in die 80er Jahre.

Weil am Rhein. Als ab 1950 ein Staatszuschuss von 50 Mark pro Ar gewährt wurde, nahmen einige Weinbauorte den Rebenaufbau auf, vor allem in den Regionen Ortenau (Durbach, Rammersweier, Ortenberg), östlicher Kaiserstuhl (Bahlingen) und im Markgräflerland (Schallstadt, Müllheim). Als die besseren Erträge durch die Pfropfreben und die leichtere Bewirtschaftung durch die Rebflurbereinigung sichtbar wurden, wollte bald jeder Winzerort seine Reben „umlegen“.

Haltingen vermochte bereits ab 1949 seinen während dem Krieg begonnenen Rebenaufbau fortzusetzen und wurde dadurch beispielgebend für den badischen Weinbau. Im Folgenden wird die zweite Phase des Haltinger Rebenaufbaus von 1949 bis 1955 dargestellt, basierend vor allem auf dem für den Zeitraum 1946-1963 vorhandenen Protokollbuch (PB) der Rebenaufbaugenossenschaft.

Ein Neubeginn mit Hindernissen

Auf der ersten Generalversammlung der Rebenaufbaugenossenschaft (RAG) nach dem Krieg im Mai 1946 wählten die 42 anwesenden Mitglieder Vorstand und Aufsichtsrat neu. Dem neuen Vorstand gehörten Hermann Lehmann als Vorsitzender, Hermann Fischer als technischer Leiter und Friedrich Müller an, später kam Hermann Schaufelberger wieder als Rechner hinzu. Der Aufsichtsrat bestand aus Fritz Scherer als Vorsitzender sowie Fritz Kaufmann-Fischer, Julius Kaufmann-Eich, Emil Mitter, Karl Sprich und Ernst Fünfschiling. Am Schluss der Versammlung appellierte Scherer an „die Anwesenden, nun nicht stehen zu bleiben, sondern weiter zu arbeiten bis das Ziel der RAG, der Wiederaufbau des gesamten Berges erreicht sei“ (PB 18.5.1946).

Doch der Wunsch für 1946 „Bauabschnitt II und III mit ungefähr 3 – 4000 Reben zu bepflanzen“ erwies sich als undurchführbar. In Südbaden als französischer Besatzungszone war aufgrund der schlechten Versorgungslage die Landwirtschaft vollauf mit der Erfüllung der Ablieferungspflichten ausgelastet. Nach dem Höhepunkt der Hungersnot im Winter 1946/47 kam der außergewöhnlich heiße Sommer 1947 und brachte einen großen Herbst, der die besseren Erträge durch die Pfropfreben zeigte. In diesem Jahr konnte im Kästal eine kleine Fläche von zwei Hektar neu angelegt werden. Aber erst ab 1949 war der RAG die Wiederaufnahme des Rebenaufbaus möglich.

Aufschwung mit der Währungsreform

Die Währungsreform zum 21. Juni 1948 brachte auch den Haltinger Rebenaufbau in Bewegung. Die schwierige Pflanzgutbeschaffung konnte durch ein von Fritz Kaufmann mit der Firma Sandoz eingefädeltes Tauschgeschäft vorangebracht werden: Im Sommer 1948 lieferte Haltingen einen Lastzug Kirschen nach Basel, der dort in Franken an die Firma Sandoz bezahlt wurde. Die Firma lieferte sodann Chemikalien nach Italien, wo man mit Unterlagsschnitthölzern an Haltingen bezahlte. Der erfolgreiche Verlauf konnte in der Sitzung vom 21. März 1949 zu Protokoll gegeben werden: „Nachdem die Unterlagshölzer aus Frankreich bzw. Italien eingetroffen sind, ist der weitere Aufbau gesichert. Der in der Vorstandssitzung vom 28.12.48 aufgestellte Plan soll nun durchgeführt werden. Die Genossenschaft verpflichtet sich 54 000 Pfropfreben selbst einzuschulen.“ Nach dem Pfropfen der Unterlagshölzer mit Edelreisern in der Rebveredelungsanstalt Bürglin Weil übernahm die RAG das Einschulen, bis die Jungreben nach zirka einem Jahr pflanzbereit waren.

Zunächst war die RAG zur Finanzierung des weiteren Aufbaus auf ihre eigenen Mittel angewiesen. So wurden die Mitglieder für ihre im „Altaufbau“ bis zum 1. März 1949 zugeteilte Fläche mit 15 Mark pro Ar belastet. Im Frühjahr 1949 wurden die Beträge meist zwischen 50 und 200 Mark an die RAG überwiesen. Nach dem Herbst 1949 wurde wieder mit dem Rigolen begonnen – der Aufbau des Haltinger Bergs konnte nun weitergehen.

Zusätzlichen Schub bekam der Haltinger Rebenaufbau, als auf der ersten Versammlung der RAG im neuen Jahr ein „in Aussicht gestellter Landeszuschusses von 4 – 5000 DM pro ha“ sowie „aus dem Marschallplan bereitgestellte Kredite für Weganlagen“ (PB 1.2.1950) vermeldet werden konnten. Im Frühsommer 1950 wurde die Pflanzung der Jungreben aufgenommen, obwohl „nur etwa 60 Prozent der benötigten Pfropfreben“ verfügbar waren. Im folgenden Jahr 1951 konnten die restlichen 40 Prozent Jungreben gepflanzt werden. Anders als beim „kollektiven“ Aufbau im Krieg oblag nun jedem Winzer selbst die Anpflanzung und Pflege der Jungreben.

Die zweite Phase des Rebenaufbaus 1950/51 umfasste rund neun Hektar „in den Gewannen Kästal, Fühlen-stuck, Letten, Kalben, Rohrbrunnen und Mäusegass“. Die neu gepflanzten Rebsorten waren vorwiegend Gutedel, daneben auch zirka 20 Prozent Ruländer, also in Sorte und Verhältnis weitgehend wie der alte Rebsatz. Neu hinzu kam etwas Müller-Thurgau sowie „6000 Gewürztraminerreben …geschlossen im Rohrbrunnen Rain“ (PB 1.2.1950).

Mit der Anpflanzung der Gewanne Gstaadacker (0,5 Hektar mit Gutedel) und obere Stiege (0,5 Hektar Riesling-Sylvaner) im Jahr 1955 konnte „der eigentliche Aufbau des Rebberges…als beendigt gelten“ (PB 1.3.1958).

Das Spritzbrühhaus von 1952

Nachdem 1951 die Hauptarbeit erbracht war, konnte mit 10 000 Mark aus dem Vermögen der RAG ab März 1952 eine Spritzbrühanlage erbaut werden. Nun konnten die jahreszeitlich erforderlichen Spritzmittel für alle Winzer bereitgestellt werden, was vor allem Zeit während der Arbeitsspitzen im Juni und Juli sparte. Mit dem bis heute in Haltingen genutzten „Spritzhüsli“ lebt etwas vom Gemeinschaftsgeist des RAG fort.

Die RAG Haltingen blieb bis 1962 bis zum Abschluss der Vermessung und Zuteilung sowie der Zuschussabrechnung mit den Behörden bestehen. Auf der letzten Generalversammlung vom 2. April 1962 beschlossen die 40 anwesenden Mitglieder einstimmig die „Verschmelzung der RAG mit dem Landwirtschaftlichen Konsum- und Absatzverein“. Für den Haltinger Rebenaufbau von insgesamt 25 Hektar betrugen „die reinen Aufbaukosten 255 000 DM, von denen 170 000 DM vom Reich bzw. vom Land bezahlt wurden“ (Ortschronik Haltingen 1967, Seite 526).

Als im August 1952 in Freiburg der 41. Deutsche Weinbaukongress stattfand, gab es täglich Lehrfahrten in die Umlegungsgebiete der Ortenau und des Markgräflerlands, hier nach Auggen, Istein und Haltingen. Offensichtlich bekam Haltingen eine Vorbildrolle hinsichtlich der für den badischen Weinbau in den nächsten Jahrzehnten zentralen Aufgabe der Rebenumlegung.

Für die höheren Erträge durch die neuen Pfropfreben reichte 1954 die Kapazität des alten Kellers der Winzergenossenschaft kaum noch aus. So wurde 1955 der neue Winzerkeller erbaut und befindet sich bis heute in Betrieb der Haltinger Winzergenossenschaft, die 2016 ihr 80-jähriges Bestehen feierte.

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading