Weil am Rhein „Wir schaffen das, Frau Wittek“

Weiler Zeitung

Schule: 16 Flüchtlingskinder an der Realschule Dreiländereck / Schüler beweisen Spontanität und Optimismus

Von Sarah Trinler

Flüchtlingskinder sollen so schnell wie möglich zur Schule gehen, um Deutsch zu lernen und Anschluss zu bekommen. Das stellt die Schulen vor eine große Herausforderung, die für alle Beteiligten neu ist. An der Realschule Dreiländereck hat man sich dieser Herausforderung gestellt – und große Unterstützung von Seiten der Schüler erfahren.

Weil am Rhein. „Wir schaffen das“, haben die Schüler zu Rektorin Gertrud Wittek gesagt als sie ihnen im Januar erzählt hatte, das Flüchtlingskinder aus der Notunterkunft in Haltingen und der Gemeinschaftsunterkunft in der Danziger Straße an die Schule kommen werden. Unvoreingenommen, zuversichtlich und freudig sind die Kinder mit dem Thema umgegangen – und Schulleitung, Lehrer und Eltern haben sich von diesen Gefühlen anstecken lassen.

„Natürlich ist das für uns eine Herausforderung, wir haben einfach noch zu wenig Erfahrung in diesem Bereich“, sagt Rektorin Wittek. Sie ist stolz auf ihre Schüler, die ihr von Anfang an „wertvolle Rückmeldungen“ gegeben haben. An einem Freitag hat sie in einer neunten Klasse, in der sie Geschichte unterrichtet, von den „neuen“ Schülern erzählt, bis Montag hatte es sich auch in anderen Klassen herumgesprochen, und die Schüler sind selbst aktiv geworden. „Wir nehmen auch welche auf“, haben viele spontan gesagt. Zahlreiche Schüler, die Farsi, Kurdisch oder Türkisch sprechen, haben sich als Übersetzer angeboten.

Seit Ende Januar sind nun also zehn Schüler aus der Notunterkunft in Haltingen an der Realschule, kürzlich sind noch weitere sechs aus der Danziger Straße hinzugekommen. Sie sind zwischen elf und 15 Jahren und kommen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Sie bilden eine Klasse, in der sie zunächst Deutsch lernen sollen. „Das ist einfach die Grundlage“, sagt Wittek. „Viele müssen erst Alphabetisiert werden. Man darf nicht vergessen, dass sie bisher nur die arabische Schrift kannten.“

Einzelne Stunden verbringen die Schüler in ihren Patenklassen, in denen sie ganz normal am Unterricht – meist Kunst, Sport oder Technik – teilnehmen. „Wir haben sie anfangs abgeholt, ihr das Schulhaus gezeigt und Schreibübungen mit ihr gemacht“, sagt Vanessa Marschall, die zusammen mit Melinda Kolz die Patenschaft von Lara Murad Rafo übernommen hat. Das Mädchen aus dem Irak war anfangs sehr schüchtern, doch habe sich das schnell gelegt. „Sie freut sich immer, wenn sie uns sieht, und fragt, wie es uns geht. Wir verstehen uns – zur Not mit Händen und Füßen“, sagen die beiden Neuntklässlerinnen.

Wie Vanessa und Melinda nehmen auch die anderen Patenschüler der Realschule ihre Aufgabe sehr ernst, weiß Wittek. Einige würden sich auch in der Freizeit mit den neuen Schulkameraden treffen oder sie sogar in der Notunterkunft besuchen – Berührungsängste gebe es keine.

Auch wenn der „Zuwachs“ für die Schulleitung relativ überraschend kam, hat Gertrud Wittek bereits im Vorfeld zwei Kollegen auf Fortbildung geschickt. Insgesamt sind es nun fünf Lehrer, die sich um die Organisation und die Betreuung der Flüchtlingskinder kümmern. Vom Schulamt gab es hierfür ein Kontingent, ansonsten wäre dies nicht umsetzbar. Man dürfe nicht vergessen, welch großer organisatorischer Aufwand auf den Schultern des Kollegiums laste. Für jedes Flüchtlingskind wurde ein Stundenplan erstellt. Seit vergangener Woche nehmen die Kinder auch nachmittags an der Hausaufgabenbetreuung teil. „Zu Hause haben sie oft nicht die nötige Ruhe“, weiß Wittek.

„Die Kinder sollen unsere Kultur kennenlernen“

„Die fünf Lehrer haben sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet – und das sind nicht nur Deutschlehrer“, betont Wittek. Die Schüler werden bewusst auch mal aus dem Unterricht herausgenommen, um andere Dinge mit ihnen zu machen. „Wir möchten alle Bereiche abdecken, die Kinder sollen unsere Kultur kennenlernen“, sagt Wittek.

Dankbar ist die Rektorin auch um Noureddine Sahki, ein arabisch sprechender Vater in Familienzeit, der für 18 Stunden in der Woche der Schule zur Verfügung steht. Er ist mit einer deutschen Grundschullehrerin verheiratet und hat sich beim Schulamt für die Betreuung von Flüchtlingen gemeldet. „Noureddine Sahki ist eine große Unterstützung für uns“, so Wittek.

Auch von außen kommt der Schule vielseitige Unterstützung entgegen: Eltern haben jeweils eine Brotbox und eine Trinkflasche für die neuen Schüler organisiert, das Weiler Geschäft Pippi-Lotta hat Schulrucksäcke, Mäppchen und Sporttaschen zur Verfügung gestellt.

Was die Flüchtlingskinder vor ihrer Zeit in Weil am Rhein erlebt haben, wissen weder Lehrer noch Patenschüler im Detail. Doch viel wichtiger sei das Hier und Jetzt und die schnelle Integration in den Klassen. „Wir haben sie ganz normal aufgenommen, damit sie sich gleich wohl fühlen“, sagt Vanessa Marschall ganz selbstverständlich.

Trotz allem Optimismus möchte Wittek nicht vorenthalten, dass die neue Situation natürlich auch anstrengend für alle Beteiligten sei. Sie spricht ganz bewusst von einer „Herausforderung“, denn ganz so einfach, wie es sich in der Theorie anhöre, sei es in der Praxis dann doch nicht. „Einigen Kindern mussten wir erst einmal erklären, dass es eine Schulpflicht gibt und sie nicht einfach kommen und gehen können, wie sie wollen“, erzählt Wittek, die einen guten Kontakt zu den Sozialbetreuern in den Unterkünften pflegt. Auch, dass es in einer Schule Regeln gibt, die für alle Schüler gleich gelten, musste erst kommuniziert werden.

„Das wird gut“, hatte eine Schülerin noch bevor die Flüchtlingskinder an der Schule waren zu ihrer Rektorin gesagt. Und tatsächlich: Die offene und motivierte Art der Schüler trage enorm dazu bei, dass es gut ist – und gut werden kann.

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