Von Sabine Theil Weil am Rhein. Am Montag Tag hat sich das Eisenbahnunglück bei Markdorf zum 75. Mal gejährt. Am 22. Dezember 1939  um 22.19 Uhr prallte einer der letzten Rückwandererzüge mit dem regelmäßig von Singen kommenden schweren Kohlenzug ungebremst zusammen. Beide Züge hatten eine Geschwindigkeit von etwa sechzig Stundenkilometern. Die beiden Lokomotivführer, ein Heizer und 98 Heimkehrer aus Weil am Rhein und Umgebung wurden getötet, 47 weitere Personen waren schwer verletzt. Unter den getöteten Menschen waren 27 Weiler. Die Wagen standen haushoch ineinander geschachtelt und hochgetrieben aufgetürmt. Die Szenen, die sich dort abspielten, sind nicht zu beschreiben. Ganze Familien wurden ausgelöscht. Von alldem hat Frieda Dittes, die Mutter von Rosemarie Stern, erst einmal nichts mitbekommen. Sie gehörte ebenfalls zu den Zurückgeführten, saß aber im ersten Zug, der vom Bodensee die Heimreise nach Weil am Rhein antrat. Rosemarie Stern hat im Tagebuch ihrer verstorbenen Mutter Frieda Dittes, geborene Ludin, geblättert, wo diese die erste Evakuierung und den Antritt ihrer Heimreise beschreibt. Ein kurzer Eintrag weist auf den Kriegsbeginn hin. „Am 3. September 1939, sonntags, bricht der Krieg aus“. Die sofort eingeleitete Evakuierung der Frauen, Kinder und alten Menschen betrifft auch sie. So bricht sie am gleichen Tag mit ihren drei Kindern, dem vierjährigen „Hannesli“, dem knapp drei- jährigen „Günterli“ und dem ein Dreiviertel Jahr alten „Rosemarieli“ sowie Tante Ella auf. Erst einmal ging es Richtung Säckingen. Ihr Ehemann Richard Dittes winkte ihnen nach: „Es war schwer“. Am Donnerstag ging es weiter mit der Bahn nach Radolfzell: „Wir weinten viele Tränen“. Am 28. Oktober 1939 war Füssen das Ziel. „Wir hatten ein schönes Zimmer, und die Quartiersleute in dem Erholungsheim Sonnenheim waren sehr lieb zu uns“, schreibt Frieda Dittes, die sich bewusst war, wie gut sie es getroffen hatte. Am 3. November feiert „unser lieb Rosemarieli seinen ersten Geburtstag“. „Auch Günterli hat seinen dritten Geburtstag am 7. Dezember in Füssen gefeiert“. Mitte Dezember heißt es: „Wir dürfen auf  Weihnachten heim“. Die kleine Tochter des Hauses wollte, dass Frieda Dittes mit den drei Kindern später fährt, doch Frieda Dittes entschied sich anders: „Wenn es nach Hause geht, nimmt man den ersten Zug“. Zum Abschied bekamen die Kinder von den Quartiersleuten noch was Schönes zum Spielen und Frieda Dittes nützliche Sachen zum Kochen und Waschen. „Dann ging es wieder durch die Nacht der lieben Heimat zu“. Sie kamen morgens um 7 Uhr am Bahnhof  Weil/Ost an. Noch wusste Frieda Dittes nicht, welches unfassbare Glück sie hatte, dass sie mit dem ersten Zug die Heimreise angetreten hatte. Der zweite Zug, der noch folgen sollte, kam nie an. Große Trauer legte sich über die Weiler Gemeinde. Am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages, um 22 Uhr, traf der lange Leichenzug im Bahnhof Weil/Ost ein, von dem zwei Wagen abgehängt wurden. Die Särge wurden in der Leichenhalle aufgebahrt. Unzählige Einwohner gingen an den Särgen vorüber, um Abschied zu nehmen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurden 25 Weiler beerdigt. Später kamen noch zwei weitere Heimkehrer dazu, die ihren Verletzungen erlegen sind.