Willi Baumeister Stuttgarter Weg in die Mitte

Andrea Kachelriess
Willi Baumeisters „Faust schwebend“ (1952) Foto: VG Bild-Kunst

Am 31. August jährt sich der Todestag Willi Baumeisters zum 60. Mal. Aus diesem Anlass lädt die Stiftung Domnick in Nürtingen an diesem Sonntag zu einem Festakt, der mit vielen Programmpunkten an den Stuttgarter Künstler erinnert.

Ottomar Domnick war nicht nur einer der prominentesten Sammler von Werken Willi Baumeisters und Mitstreiter für die abstrakte Kunst, er war auch Arzt und Nachbar des Künstlers. „Am 31. August 1955“, so erinnerte er sich, „führte mich ein letzter Weg in sein Atelier, wo ich ihn, vor der Staffelei sitzend, antraf. Der Pinsel war ihm aus der erkalteten Hand gefallen. Er starb den Sekundenherztod, malend bis in die letzte Phase, kreativ, so wie er lebte.“

Stuttgarter Pionier der abstrakten Kunst

Ottomar Domnick hat mit seiner Frau Greta neun Jahre vor seinem Tod 1989 eine Stiftung ins Leben gerufen, die nicht nur die Sammlung des Arztehepaars erhalten und erschließen soll, sondern die in dem eigens errichteten Haus in Nürtingen auch lebendiges Forum sein will. Der 60. Todestag Willi Baumeisters, dessen Werk einen wichtigen Akzent in der Sammlung Domnick setzt, ist deshalb Anlass, hier auf vielfältige Weise an den Stuttgarter Pionier der abstrakten Kunst zu erinnern. Und weil Ottomar Domnick auch Wegbereiter des experimentellen Films war, selbst Cello spielte und Konzerte mit Werken der Neuen Musik veranstaltete, gibt nicht nur die Kunst den Ton an.

Die Verbeugung vor Willi Baumeister an diesem Sonntag, die mit einem Festakt und einer Rede des baden-württembergischen Finanzministers Nils Schmid beginnt, bietet deshalb bei einem Tag der offenen Tür in der Sammlung Domnick mehr als Führungen, Filme und Vorträge zum Werk des Künstlers: So zeigt Vasiliki Koutsoumaraki von der Freien Kunstakademie Nürtingen um 16 Uhr im Garten die Performance „Das Unbekannte in der Kunst“, während drinnen Kinder vom Stuttgarter Figurentheater Hibisskuss mit dem Stück „Der Farbenwächter“ unterhalten werden. Musikalisch begleitet wird der Tag von Rebecca Krieg, die auf Domnicks historischem Cello spielt.

Reger Austausch zwischen Künstler und Sammler

Die beiden Protagonisten des Tages, Willi Baumeister und Ottomar Domnick, stellt Werner Esser, der Kurator der Stiftung, in seinem Vortag um 17.15 Uhr in den Mittelpunkt. Erinnern wird Esser sicherlich an eine besondere Zeit des Aufbruchs, als 1947 sowohl Baumeister als auch Domnick Texte zur Abstraktion veröffentlichten: Baumeister „Das Unbekannte in der Kunst“, Domnick kurz darauf „Die schöpferischen Kräfte in der abstrakten Malerei“.

„Quasi am Gartenzaun konnten die beiden Verfasser einander ihre Schriften überreichen: der Maler, Stuttgart, Gerokstraße 39 und sein Adept, Gerokstraße 65“, schreibt Esser im Katalog der Sammlung Domnick und erinnert an die Freundschaft der beiden, die sich zwei Jahre zuvor durch den ebenfalls auf der Gänsheide wohnenden Kunstkritiker Hans Hildebrandt kennengelernt hatten. „Die Ideenschmiede Bubenbad, ein seinerzeit legendäres Künstlerlokal auf der Gänsheide, hatte sie als Vorkämpfer der auch nach dem Krieg immer noch unter dem nationalsozialistischen Verdikt der ,Entartung‘ leidenden abstrakten Kunst zusammengeschweißt. Kaum eine Generation älter als Domnick war Baumeister, der charismatische Lehrer, für den Sammler eine verlässliche Instanz in Sachen Kunsturteil. Domnick hatte in vielen Privatstunden bei Beaujolais und Zigarren seinen ästhetischen Blick und sein Verständnis für die malerischen Mittel geschult. “

Magisches Zusammenspiel von Farben, Formen und Ornamenten

Was der Sammler lernen konnte: wie Baumeister in der Abstraktion eine Urkraft zum Klingen bringt, die Prozesse in der Natur transzendiert. Die Besinnung auf eine rational nicht fassbare Energie, die allem eigen ist, deutete Baumeister, der nicht umsonst mit Oskar Schlemmer den Maler Paul Klee an die Stuttgarter Akademie holen wollte, in einem magischen Zusammenspiel von Farben, Formen und Ornamenten an – eine Besinnung auch auf die eigene Mitte.

Den deutschen Picasso nennt man den 1889 in Stuttgart geborenen Baumeister gern, vielleicht auch, weil er wie kein anderer deutscher Künstler für eine Avantgarde stand, die international vernetzt war. Der mit Fernand Léger befreundete Stuttgarter war einer der ersten deutschen Künstler, dem nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Ausstellung in Paris gewidmet war. Was Baumeister von Picasso trennt, ist freilich der Drang zur Abstraktion des einen, während die Kunst des anderen immer vom Figürlichen motiviert blieb.

Umstrittene moderne Kunst

Von all dem erzählt auch ein Dokumentarfilm Domnicks, der 1954 in suggestiven Bildern versuchte, Baumeisters Kunst einem breiteren Publikum zu erschließen – in einer Zeit, die heftig stritt um die „Gefahren der modernen Kunst“ und den durch sie verursachten „Verlust der Mitte“, wie die Titel zweier Schriften Hans Sedlmayrs andeuteten. Domnicks Filmporträt steht um 14.30 Uhr in Nürtingen im Mittelpunkt. Baumeister selbst hatte das „Freundschaftsdokument“ gebührend anerkannt: mit der Schenkung eines wichtigen Werks. Was er nicht ahnte: Der Film war eines der letzten Dokumente, die den Künstler vor seinem plötzlichen Tod in Szene setzten.

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