Zell im Wiesental Mehr Fairplay statt mehr Freihandel

Markgräfler Tagblatt
Wolfgang Kessler, Chefredakteur der Zeitschrift Publik-Forum, hielt ein engagiertes Plädoyer für eine faire Weltwirtschaft. Foto: Hans-Jürgen Hege Foto: Markgräfler Tagblatt

Wirtschaftsjournalist Wolfgang Kessler zeigt beim Cabanja-Jubiläum Alternativen auf

Zell (hjh). Er tritt an, dem „Turbo-Kapitalismus“ Kontra zu bieten. Er plädiert für eine Zukunft ohne Zocken und er will nachweisen, dass man wirtschaftliche Erwägungen und Interessen durchaus in Einklang bringen kann mit ethischen Grundsätzen. Wolfgang Kessler ist Wirtschaftsjournalist. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen wie etwa „Ein Körnchen Hoffnung“, „Wir oder die Politik - wer verändert die Welt“ oder „Wenn Schildbürger reagieren“, die auch Almut Teichert-Hailperin faszinieren.

Groß also war die Freude der Vorsitzenden des Cabanja-Weltladens und des Vereins Frieden und Entwicklung, Kessler als Referenten für den Abend zu gewinnen, an dem die Idee, die Welt zu „fair“-ändern, ihren 30. Geburtstag feierte.

Und der beeindruckte die geladenen Gäste im Foyer der Sparkasse Schopfheim-Zell denn auch nachhaltig mit seinen Vorschlägen, wie zu verhindern sei, dass die Welt aus den Fugen gerät. Die existierenden Probleme, vor denen viele die Augen verschließen, seien dauerhaft nicht mit Geld in den Griff zu bekommen. Ein Viertel der Deutschen sei „vom Wohlstand abgehängt“, glaubt Wolfgang Kessler. Zehn Prozent der Menschen besitzen schon bald 75 Prozent des Privatvermögens. Viele Arbeitnehmer unter 30 hätten inzwischen einen befristeten Arbeitsvertrag. Das schaffe Industrienomaden, mache normales Leben und gesellschaftliches Engagement sehr schwierig oder gar unmöglich. Das spekulative Wirtschaftskarussell dreht sich immer schneller. Fast alle wollen „möglichst viel Geld aus ihrem Kapital machen“. Ohne Rücksicht auf Umwelt, Ressourcen, Landverbrauch und Menschen. „Wenn alle Menschen so wirtschaften und leben wie wir Deutschen oder Amerikaner, dann gibt es schon bald eine globale Katastrophe“, gab Kessler seinen Zuhörern zu verstehen.

Aber war das die richtige Klientel, die da vor ihm im Sparkassen-Foyer saß? „Nicht alle machen ‚weiter so‘“, betonte Kessler. „Sie nicht,“, sagte er, „weil sie einen Laden wie diesen Weltladen betreiben.“ Und die Zeller sind in ihrem Bemühen um eine bessere Welt längst nicht mehr alleine. 2006 scherte die Stadt Neuss aus dem System aus und weigerte sich, öffentliche Aufträge an den billigsten Bieter zu vergeben. Die Stadt gibt in ihren Ausschreibungen ökologische und soziale Komponenten vor. „Da gibt es keine Chance für Pflastersteine aus China“, behauptete der Referent und wies darauf hin, dass die Neusser Verfahren bereits von 250 weiteren Gemeinden angewandt werden.

Ein weiteres Beispiel: Die GLS, eine Bank in Bochum und Freiburg, handle seit 40 Jahren mit nachhaltigem Erfolg nach dem Grundsatz:„Geben - Leihen - Schenken“. Den Bankern dort gehe es nicht darum, Rendite zu machen, sondern „Möglichkeiten“. Und ihre Kunden bekommen die Möglichkeit festzulegen, wohin ihre Einlagen investiert werden sollen. Nicht bedient werden zum Beispiel Rüstungsbetriebe oder Fertiger, die nicht schonend mit nicht nachwachsenden Rohstoffen oder der Umwelt umgehen.

In Basel werde Strom gespart, nachdem man sich dazu entschlossen habe, die Ökosteuer nach Ablauf des Rechnungsjahres zu gleichen Teilen an die Stromkunden zurückzuzahlen. Im Lauf der Jahre habe sich gezeigt: „Es wird nicht nur Strom gespart, sondern sozial schwache Bürger werden erheblich entlastet.“ Es funktioniert. Ob Betriebe von der Belegschaft übernommen werden oder ob kirchliche Einrichtungen wie etwa in einem 1200-Seelen-Dorf in Namibia alle Einwohner mit einem Grundeinkommen von 100 namibischen Dollar ausstatten: „Es gibt Menschen, die etwas tun, die sagen, man kann auch anders wirtschaften“, glaubt der Wirtschaftsexperte. In kleinen Bereichen werde bewiesen, was auch im Großen durchführbar werde.

Voraussetzungen für Änderungen seien aber unter anderem eine neue Steuergerechtigkeit (Apple bezahle von einem 29 Milliarden-Gewinn lediglich 1,9 Prozent Steuern) , ein völlig anderer Umgang mit Geld, eine Finanztransaktionssteuer oder die Einsicht, dass nicht mehr Freihandel, sondern mehr Fairplay notwendig ist, damit die Menschen aufatmen und mit Fug und Recht behaupten können: „Jetzt herrscht Zukunft und nicht mehr Zocken.“

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